Bolt war um 21.56 Uhr britischer Zeit schon mit Rückstand auf die letzte Teilstrecke gegangen, wollte ein letztes Wunder vollbringen. Doch schon nach wenigen Schritten brüllte der 30-Jährige vor Schmerzen auf und ging mit einem Krampf zu Boden. Nach langen Minuten humpelte er auf seine Teamkollegen gestützt und unter dem tosenden Applaus von 60.000 Zuschauern aus dem Innenraum.
Briten sorgen für die Sensation
Die ebenso frenetisch gefeierten Briten setzten sich in 37,47 Sekunden unerwartet vor den amerikanischen Favoriten um 100-m-Weltmeister Justin Gatlin (37,52) durch und holten den WM-Titel nach zwölf Jahren zurück nach Europa. 2005 hatte Frankreich gesiegt, 2007 triumphierten die USA, danach begann die große Ära Jamaikas, das mit dem überragenden Bolt viermal in Serie gewann. Die deutsche Staffel war im Vorlauf ausgeschieden.
Bolt tritt damit ohne einen weiteren WM-Titel in seinen Händen zurück. Über 100 m war er nur Dritter geworden, über 200 m nicht am Start gewesen. Bolt hatte schon weit vor der WM angekündigt, nach den Titelkämpfen seine Karriere zu beenden. Er wurde in seiner Laufbahn achtmal Olympiasieger und hält seit 2009 die Weltrekorde über 100 (9,58) und 200 m (19,19). Vor fünf Jahren stellte er bei Olympia in London zudem mit Jamaika den Weltrekord (36,84) über die 4x100 m auf.
Nach seiner Niederlage über die 100 m am vergangenen Wochenende, als er nur Bronze holte, hatte sich Bolt rar gemacht in London. Der Jamaikaner nahm auch keine Termine war. Der Superstar, der Lautsprecher der Leichtathletik, bereitete sich ganz still auf seinen Abschied vor. Der letzte Akt sollte unbedingt mit dem zwölften WM-Gold enden - doch er endete am Boden.
Bolt hinterlässt Lücke in der Leichtathletik
Schon nach den 100 m, als sich Bolt seinem alten Rivalen Justin Gatlin und Christian Coleman (beide USA) geschlagen geben musste, wirkte der 30-Jährige so, als könne er den Ruhestand gar nicht mehr abwarten. "Ich bin aufgeregt, endlich normal leben zu können, aufzustehen, wann ich will, und zu wissen, dass ich kein Training habe", sagte Bolt: "Ich kann tun und lassen, was ich will."
Natürlich wird der große Mann aus dem kleinen Dörfchen Sherwood Content den "Sport vermissen, aber ich bekomme die Chance, zu leben und zu reisen, wann ich will. Ich weiß nicht, wo ich hin will oder wohin mich meine Karriere führen wird, aber es ist spannend." Schon im Vorfeld der WM hatte Bolt angekündigt, auf dem Oktoberfest in München jetzt "mehr Biersorten ausprobieren" zu wollen. Und Kinder will Bolt haben, "ganz sicher".
Ganz sicher wird Bolt auch eine Lücke hinterlassen in der Leichtathletik, niemand kommt an seine Aura heran, niemand faszinierte die Massen wie der Weltrekordler über 100 und 200 m. Ohne ihn wird die Leichtathletik eine andere sein. Am Mythos Bolt kann auch das Drama von London nicht kratzen.