Sexy Revolution für den Motorsport

Alexander Maack
11. September 201411:47
Der Spark-Renault SRT_01 E wurde bisher ausschließlich auf echten Rennstrecken getestetgetty
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10 Rennen mit 20 Fahrern und 40 Autos - die Formel E scheint eine normale Rennserie, dabei ist alles anders. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zur ersten rein elektrischen Motorsportserie, stellt Fahrer und Teams vor und gibt vor dem Saisonstart in Peking am 13. September 2014 einen Ausblick auf ihre mögliche Zukunft.

Was steckt hinter der Formel E?

Nachhaltigkeit ist das Zauberwort der neuen Serie. Rennwagen, Safety-Cars, Medical-Cars - sie alle kommen ohne Benzin aus. "Ich finde es Käse", sagte Formel-1-Vierfachweltmeister Sebastian Vettel: "Ich bin überhaupt kein Fan davon und ich könnte mich als Zuschauer dafür null begeistern."

Dass einige traditionelle Motorsport-Fans das Konzept kritisch beäugen, kümmert die Organisatoren allerdings nicht: Die Zielgruppe ist eine andere, die Formel E eine Revolution, sie bricht absichtlich mit Tabus.

Das Publikum soll sich nicht nur aus Rennstreckenenthusiasten zusammensetzen, sondern Menschen einbinden, die bisher nur wenig mit Motorsport am Hut hatten. Auch deshalb wird die Meisterschaft in Großstädten ausgetragen: Der Auftakt findet in Peking statt, neben schillernden Austragungsorten wie London, Miami, Buenos Aires und Berlin stehen auch klassische Strecken wie Long Beach und Monte Carlo auf dem Programm.

"Wir müssen offen für Neues sein", betont mit Alain Prost ein weiterer Vierfachweltmeister der Formel 1: "Die Menschen mögen keine Veränderungen. Aber manchmal braucht man Veränderungen, selbst wenn es am Anfang nicht besonders gut ist." Die Formel E soll elektrische Fortbewegung sexy machen, auch deshalb engagiert sich der Automobilweltverband FIA.

Der Grund dafür ist am Beispiel Peking leicht ersichtlich: In der chinesischen Hauptstadt stieg die Zahl der Autos binnen zehn Jahren von 800.000 auf 6.500.000, mehr rein elektrische Fortbewegung würde die Luftverschmutzung deutlich reduzieren.

Wie laufen die Rennwochenenden ab?

Komprimiert. Gefahren wird ausschließlich samstags, "Sky" überträgt in Deutschland die TV-Bilder. Von 7.30 Uhr bis 18.00 Uhr sind die maximal drei Kilometer langen Strecken für die Zuschauer geöffnet. Vom ersten Freien Training über das Qualifying bis zur Zielflagge weniger als neun Stunden. Die Qualifikation erfolgt in vier ausgelosten Gruppen, wenn das Rennen - der sogenannte ePrix - ab 16 Uhr Ortszeit beginnt, haben einige Piloten einen Vorteil.

Per Social Media können die Zuschauer für einen Fahrer abstimmen, die drei Piloten mit den meisten Stimmen erhalten den Fan-Boost und damit eine größere Überholchance, weil sie fünf Sekunden lang das volle Potenzial des E-Motors abrufen können. Die Leistung im Rennen ist sonst für alle Piloten um 40 PS gesenkt, was nötig ist, damit die Autos lange genug fahren können.

Schon mit der Leistungsbegrenzung und trotz der Tatsachse, dass die Energierückgewinnung des Motors einsetzt, sobald der Fahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt, ist aufgrund der Aufnahmefähigkeit der Batterien ein Pflichtboxenstopp nötig, bei dem gleich das ganze Auto gewechselt wird.

Die größte Herausforderung für die Fahrer ist deshalb, die zur Verfügung stehende Leistung möglichst dosiert einzusetzen und trotzdem schnell zu sein. Das Aufladen während der Sessions ist nämlich verboten.

Immerhin gibt es auch bekannte Elemente: Die drei Bestplatzierten bekommen auf dem Podium Trophäen und das in der Formel 1 etablierte Punktsystem wird mit einer Ausnahme angewendet: Der Fahrer auf der Pole Position bekommt drei Zusatzpunkte.

Sind bekannte Namen dabei?

Mehr als genug. Auf Fahrerseite nehmen mit unter anderem Nelson Piquet Jr., Lucas di Grassi, Frank Montagny, Jerome d'Ambrosio, Sebastien Buemi, Karun Chandhock, Bruno Senna und Jaime Alguersuari einige ehemalige Formel-1-Piloten teil. Jarno Trulli startet sogar mit seinem eigenen Rennstall. Nick Heidfeld greift für das monegassische Venturi-Team ins Steuer, an dem Hollywood-Star Leonardo di Caprio beteiligt ist.

Aus deutscher Sicht ebenfalls interessant: GP2-Pilot Daniel Abt startet für das Team seines Vaters, das wie in der DTM mit Audi kooperiert. Mit Antonio Felix da Costa ist zudem ein Fahrer vom Konkurrenten BMW dabei, die auch Safety- und Medical-Car stellen.

Auch auf Teamseite sind ehemalige F1-Größen dabei: Alain Prost ist an e.dams-Renault beteiligt, Super Aguri heißt jetzt Amlin Aguri und Milliardär Richard Branson bringt Virgin Racing wieder an den Start, für das er sogar als Ersatzfahrer registriert ist.

Der Favorit für den Saisonauftakt? Unklar. Die Ergebnisse der zwei einzigen Rennsimulationen Mitte August wurden nicht veröffentlicht. Auf eine Runde waren Red-Bull-Schützling Sebastien Buemi und Nicolas Prost am letzten Testtag die Schnellsten, beide starten für e.dams Renault. Doch auch Audi Sport Abt, den Indern von Mahindra Racing und dem erfahrenen Rennstall Andretti Autosport werden Chancen eingeräumt.

Seite 1: Der Background, die Rennwochenenden und bekannte Teilnehmer

Seite 2: Die Autos und ein Blick in die Zukunft

Was für Autos sind im Einsatz?

Für die Debüt-Saison stehen den Teams Einheitswagen zur Verfügung. Der Spark-Renault SRT_01 E ist ein Gemeinschaftsprojekt bekannter Motorsportfirmen: Federführend war Spark Racing Technologies unter der Leitung von Frederic Vasseur, dem Besitzer von ART GP - dem Team, für das Lewis Hamilton und Nico Hülkenberg ihre Titel in der Formel-1-Nachwuchsserie GP2 gewannen.

Den 26 Kilogramm schweren Elektromotor liefert McLaren, er leistet 272 PS bei 140 Nm Drehmoment und wurde ursprünglich für das Straßenauto P1 entwickelt. Renault ist für die technische Beratung zuständig, Williams steuert die Batterien bei, die auf 18-Zoll-Felgen montierten Allwetterreifen liefert Michelin, das Chassis stammt von Dallara, die unter anderem Formel-3-, Renault-World-Series- und GP2-Teams beliefern.

Der elektrische Antrieb hat einen bedeutenden Vorteil: Eine Drehmomentkurve gibt es nicht, schon beim Start liegt die volle Leistung an, die Autos beschleunigen von 0 auf 100 in 2,9 Sekunden, erst bei 225 km/h ist Schluss. Geräuschlos läuft die Veranstaltung nicht, 80 Dezibel werden ausgestoßen - mehr als ein Straßenauto bei 110 km/h, aber deutlich weniger als die 130 dB eines Formel-1-Boliden.

Der Sound ist allerdings gewöhnungsbedürftig, die Autos fiepen regelrecht, der Klang ähnelt einem Düsenjet. Vielleicht werden die Veranstaltungen deshalb mit spezieller Musik unterlegt, bei der die Schlüsselmomente wie Start und Ziel, Unfälle, Überholmanöver und der Einsatz des Fan-Boosts mit festgelegten Tönen untermalt werden.

Wie geht es in den nächsten Jahren weiter?

Nach zehn Veranstaltungen im Jahr 2015 sollen pro Folgesaison zwei weitere dazukommen. Zudem sind auch auf technischer Seite Weiterentwicklungen geplant: Trulli arbeitet an der Übernahme eines Systems zur kabellosen Ladung wie bei einer elektrischen Zahnbürste, China Racing und Venturi wollen zu Konstrukteuren werden, mit Bluebird steht ein weiterer schon bereit.

Die Verbesserungen sind größtenteils auf Batterien und den Antrieb begrenzt - den Teil, der Relevanz für die Straßenautos hat. Aerodynamik-Schlachten wie in der Formel 1 wird es nicht geben. Der Vorteil: Die Kosten für ein Team liegen bei etwa 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

Bei den Zuschauern der Testfahrten auf der englischen Traditionsstrecke in Donington hat sich das Konzept jedenfalls schon bewährt. Die Tribünen waren voll, im Gegensatz zur Formel 1 sei die Formel E weniger distanziert, war ein Argument der Anwesenden.

Zudem haben die ePrix durch die Austragung auf Stadtkursen eine weitere Eigenschaft, die vielen F1-Fans seit Jahren fehlt: Asphaltierte Auslaufzonen sind die Ausnahme, wer einen Fehler macht, landet in der Streckenbegrenzung.

Außerdem steht die Verbesserung und Steigerung der Leistung im Vordergrund: Die Formel E mag aktuell nur auf dem Niveau der Formel 3 fahren, die rasante Entwicklung der Technik kann die Relevanz der Serie allerdings sukzessive erhöhen - sofern sie bis dahin genug Zuschauer anzieht.

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Daniel Abt im Steckbrief