"Bin nicht scharf auf F1-Popularität"

Alexander Maack
24. April 201517:29
Marco Wittmann fährt mit BMW in der DTM derzeit allen um die Ohrendtm media
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Marco Wittmann dominiert die DTM und freut sich dennoch, unbehelligt von der Öffentlichkeit zu sein. Der BMW-Pilot will gar nicht die Popularität der Formel-1-Fahrer erreichen. Mit SPOX spricht der 24-jährige Franke über seine Titelambitionen, Kämpfe und Unfälle in Spielberg und sein Problem mit der Geschwindigkeitsbegrenzung.

SPOX: Herr Wittmann, Sie haben drei Rennen vor dem Saisonende 64 Punkte Vorsprung, können zweimal ausfallen und würden die Fahrerwertung noch immer mit 14 Zählern anführen. Sieben Champions fahren gegen Sie oder besser gesagt hinterher. In Ihrer zweiten DTM-Saison werden Sie, wenn alles normal läuft, Meister - mit dem vorletzten Team der Gesamtwertung in der Saison 2013. Wie oft kneifen Sie sich aktuell selbst?

Marco Wittmann: Für mich ist das einfach ein tolles Gefühl. Ich hätte vor der Saison nie davon geträumt oder gar damit gerechnet. Natürlich ist der Vorsprung komfortabel und die letzten Rennen liefen gut, aber es kann noch zu viel passieren. Ich versuche einfach, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben und gehe auch die letzten wie alle anderen Rennen an. Bis jetzt ist noch nichts gewonnen.

SPOX: Ist es ein Vorteil, dass mit Mattias Ekström, Edoardo Mortara und Mike Rockenfeller noch drei Audi-Fahrer Chancen auf den Titel haben? So kann sich BMW auf Sie konzentrieren, während sich die Ingolstädter gegenseitig die Punkte klauen.

Wittmann: Mir ist es egal, gegen wen ich kämpfe. Wir sind 23 Fahrer und mein Ziel ist, ganz vorne zu stehen und die restlichen 22 zu schlagen. Ob sie Rockenfeller, Ekström oder anders heißen, macht keinen Unterschied.

SPOX: Sie sind lange den Gesprächen über den möglichen Titelgewinn ausgewichen. Mal ehrlich: Seit wann gucken Sie sich den Meisterschaftsstand genau an?

Wittmann: Ich muss das immer wieder betonen: Meine Herangehensweise hat sich nicht geändert. Klar, ich hatte schon vor Spielberg mindestens ein Auge auf der Tabelle, nach dem Nürburgringrennen umso mehr. Aber vor Spielberg wäre das Meisterschaftsrennen durch einen Nuller wieder komplett offen und wir alle gleichauf gewesen. Deswegen war ich sehr vorsichtig und konzentriere mich immer noch nur auf meinen Job.

SPOX: Sie sprechen das Rennen in Österreich an: Beim Boxenstopp ist Ihnen Pascal Wehrlein leicht in die Seite gefahren. Weiter vorne ist Robert Wickens gerade so vor Timo Glock eingeschert. Wickens wurde bestraft und letztlich disqualifiziert, Wehrlein zunächst nicht. Können Sie die Diskussion und die Aufregung von Mercedes nachvollziehen?

Wittmann: Erst mal muss man festhalten: Pascal Wehrlein ist mir richtig ins Auto gefahren. Das war ein klarer Unsafe Release und wurde nach dem Rennen richtigerweise noch bestraft. Es ist aber manchmal schwierig, zu sagen, wer Schuld hat - gerade bei dem Zwischenfall von Wickens und Glock. Das war ein Grenzfall, aber die Rennleitung hat so entschieden. Das ist wie Abseits beim Fußball: Da kann auch keiner mehr reklamieren. Das ist schon seit Jahren so. Das größte Problem ist, dass wir alle in der gleichen Runde stoppen. Es erhöht einfach das Risiko, wenn zwölf Fahrer gleichzeitig reinkommen.

SPOX: Wünschen Sie sich deshalb, dass sich die Regeln ändern? Oder ist für Sie ein anderer Aspekt im Reglement wichtiger?

Wittmann: Eigentlich bin ich ziemlich zufrieden mit der aktuellen Situation. Vieles wird zu sehr hochgepusht. Oftmals wird zu schnell gemeckert und gejammert. Ich würde das nicht so deutlich kritisieren wie einige andere. Wenn man es genau nimmt, funktioniert das Konzept gut: Wir haben tolle Überholmanöver und gute Rennen. Sicher kann man über den Punkt der Pflicht-Boxenstopps reden, damit die Strategie wieder offener wird und nicht alle in der gleichen Runde stoppen. Das sind Feinheiten, an denen wir im Winter arbeiten können.

SPOX: Gab es in den bisherigen sieben Rennen, von denen Sie vier gewonnen haben, überhaupt eines, bei dem Sie mal ins Schwitzen gekommen sind?

Wittmann: Wenn man es wortwörtlich nimmt, war das beim vorletzten Rennen in Spielberg. Ich bin mit einer ganzen Wiese in der Lüftung gefahren - also relativ viel Dreck. Im Cockpit gab es also keine Kühlung mehr. Da wurde es richtig warm. Im übertragenen Sinne war es am Nürburgring, als ich mich in der Schikane verbremst habe und den Notausgang nehmen musste. Da rutschte das Herz in die Tasche vom Overall - Hosen haben wir ja keine. Ich war einfach froh, dass der Abstand zu Rockenfeller fast gleich blieb und ich meinen Rhythmus halten konnte. Man ist nach so einem Fehler aber plötzlich wieder hellwach, schraubt die Konzentration noch mal hoch und versucht, die Reifen wieder sauber zu kommen. So ein Fehler darf dann einfach nicht noch mal passieren.

SPOX: Der letztjährige Champion Mike Rockenfeller wurde immerhin noch Zweiter und erklärte danach, dass Sie trotz maximalem Zusatzgewicht von 20 Kilogramm immer noch in einer eigenen Liga fahren würden. Wie geht man mit solchen Lobeshymnen um?

Wittmann: Das ist zwar schön, wenn man solche Komplimente bekommt. Ich ziehe aber einfach jedes Wochenende mein Ding mit meinem Team durch. Wir stellen das Auto so hin, dass ich mich wohlfühlen und die maximale Leistung aus dem M4 rausholen kann. Gerade mit dem Zusatzgewicht ist es umso wichtiger, dass man das mit einem richtig guten Setup ausgleicht. Und das gelingt uns bisher ziemlich gut.

SPOX: Hat sich bei Ihnen schon einer Ihrer BMW-Piloten beschwert, weil sein Auto durch Ihre Erfolge schwerer und damit langsamer ist?

Wittmann: Bisher eigentlich eher aus Spaß. Klar ist es nicht schön, wenn man selbst erfolgreich ist und die eigenen Markenkollegen mit Zusatzgewichten bestraft werden. So sind aber nun mal die Regularien in diesem Jahr. Wir können es nicht ändern und müssen einfach damit leben.

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SPOX: Ihr Teamchef Stefan Reinhold wird nicht müde zu betonen, wie unbekümmert Sie sind. Wie schaffen Sie das bei dem im Saisonverlauf immer weiter ansteigenden Druck?

Wittmann: Das ist wirklich eine meiner größten Stärken, denke ich. Ich lasse mich von keinem unter Druck setzen. Das spüre ich einfach nicht. Wenn ich Druck empfinde, mache ich mir den selbst, weil ich so ehrgeizig bin. Für die Saison 2014 war mein Ziel, nach meinem Rookie-Jahr meinen ersten Sieg zu holen. Das habe ich schon beim ersten Rennen in Hockenheim geschafft. Danach bin ich einfach ruhig geblieben und habe mich auf das jeweilige Wochenende konzentriert.

SPOX: Trotz Ihrer Erfolge stehen oftmals noch immer die ehemaligen Formel-1-Fahrer im medialen Fokus. Nervt das?

Wittmann: In erster Linie ist es schön, dass ich mich privat frei bewegen kann, ohne dass ich von vielen Leuten erkannt werde. Ich bin überhaupt nicht scharf auf die Popularität der Formel-1-Fahrer. Dass die Aufmerksamkeit mehr auf ihnen oder auch den ehemaligen Champions liegt, stört mich also überhaupt nicht.

SPOX: Sie haben schon 1996 mit dem Motorsport begonnen, sitzen Dreiviertel des Lebens hinter dem Steuer. Das klingt nach einem gelebten Traum. Hatten Sie in Ihrer Jugend durch die Intensität auch Probleme?

Wittmann: In der Schule hatte ich das Glück, dass der Sohn meines Schuldirektors professionell Radsport gemacht hat. Der hatte vollstes Verständnis, wenn ich donnerstags zu den Kart-Rennen musste. Probleme gab es eher mit den Klassenkameraden, die schon mal neidisch waren: "Wieso darf der schon wieder am Donnerstag weg?" Aber das war in der Anfangszeit. Während meiner Ausbildung zum Karosseriebauer war das Thema dann gegessen. In der Berufsschule hatten auch die Kameraden Interesse, was ich im Motorsport mache, schließlich hatten alle mit Autos zu tun.

SPOX: Sie selbst mussten für Ihren Traum auf die Wochenenden mit Freunden verzichten. Haben Sie das Reisen eher als Privileg oder als Belastung empfunden?

Wittmann: Ich bin immer gerne unterwegs. Wenn man seit dem sechsten Lebensjahr so intensiv Sport macht, muss es eine Leidenschaft sein, die einem Spaß macht. Es ist schön, wenn man zurückblickt und bemerkt, in welchen Ländern und Orten man überall schon war. Das ist aber wie bei der Formel 1: Man sieht eigentlich nichts außer der Rennstrecke und dem Hotel. Aber ich kann immerhin sagen, dass ich schon mal da war.

SPOX: In Ihrer Karriere gab es mehrmals die Gefahr, dass Sie aufgrund fehlender Großsponsoren durchs Raster fallen. Sie sind trotz zweier Vizemeisterschaften in der Formel 3 etwa nie in die GP2 oder die Renault-Worldseries aufgestiegen. Haben Sie damals daran gedacht, mit dem Motorsport aufzuhören?

Wittmann: Niemals! Das waren Wintermonate mit viel Bangen: Ich wusste nicht, ob es überhaupt weitergeht oder in welche Richtung. Für mich gab es nach der Formel 3 aus finanziellen Gründen leider keinen Weg, in die GP2 zu kommen. Aber den Gedanken aufzuhören gab es nicht. Dafür waren Ehrgeiz und Leidenschaft zu groß. Dann habe ich versucht, in den Tourenwagensport und die DTM zu kommen und habe glücklicherweise die Chance bei BMW erhalten.

SPOX: Ihr großes Vorbild ist Alessandro Zanardi. Warum eigentlich nicht Michael Schumacher, der seine erfolgreichste Zeit hatte, als Sie im Kart aktiv waren?

Wittmann: Als Kleinkind war Schumi das Vorbild schlechthin - für jeden, der Motorsport gemacht hat. Aber irgendwann hat sich das bei mir geändert. Alessandro ist größer. Alleine von seiner Haltung, seinem Ehrgeiz . Er hat trotz seinem Handicap nach dem schrecklichen Unfall am Lausitzring eine riesige Lebensfreude und feiert so viele Erfolge auf der Rennstrecke und bei den Paralympischen Spielen. Deswegen ist er mein großes Vorbild.

SPOX: Sie haben 2007 gegenüber der "Nürnberger Zeitung" zugegeben, dass Sie Probleme mit der Geschwindigkeitsbegrenzung haben. "Ich fahre immer ein bisschen zu schnell, aber passe auf, dass sie mich nicht blitzen", war zu lesen. Ist das heute auf öffentlichen Straßen immer noch so?

Wittmann: Echt? Habe ich das gesagt? Das kann ich mir kaum vorstellen. Sagen wir es so: Ich bin ein Autofahrer, der gerne schnell fährt. Aber ich halte mich natürlich an die Regeln, was anderes bleibt mir - wie allen anderen Autofahrern - nicht übrig. (lacht) Geblitzt wurde doch jeder schon mal. Es kommt darauf an, wie viel man zu schnell gefahren ist. Aber ich habe keine Punkte in Flensburg! Von daher ist alles gut.

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