Vom Champ zum Sünder - und zurück?

Von Sebastian Hahn
Keine Zeite für schöne Ausblicke: Bei der Tour de France erwartet die Fahrer ein anspruchsvoller Plan
© getty

Alberto Contador will den dunklen Schatten der letzten Jahre endgültig abstreifen und Toursieg Nummer 3 nach Spanien holen. Vorjahressieger Froome wird seine Ansprüche aber keinswegs zurückdrehen. Hinter den beiden warten zum Auftakt (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) zahlreiche Geheimtipps auf Ausrutscher der Favoriten. Und was machen die Deutschen?

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Besonderheiten der diesjährigen Strecke

Knüppelhart wird es auf dem Weg nach Paris! Wer bei dieser Tour nicht fit für die Berge ist, der kann sich ganz schnell aus dem Favoritenkreis verabschieden. Elf Anstiege der ersten Kategorie, dazu sechs Bergprüfungen der Hors Categorie und ebenso viele Bergankünfte hält die 101. Auflage der Tour de France bereit. Als i-Tüpfelchen folgen noch die von vielen Fahrern gefürchteten Kopfsteinpflaster-Abschnitte auf der fünften Etappe nach Porte du Hainaut.

Zudem sind wieder alle drei großen Gebirgsketten Frankreichs im Rennen vertreten. Der Start in Leeds mit dem unebenen Terrain der Grafschaft York bereitet die Fahrer schon auf das vor, was sie in den Vogesen erwarten wird. Steile Anstiege und die erste "Mini-Bergankunft" in Gerardmer, wo der Mauselaine mit 10,3 Prozent Steigung auf einer Strecke von 1,8 Kilometern wartet.

In den Alpen warten dann zwar nicht die klassischen und traditionsreichen Anstiege wie im Vorjahr, dafür stehen in Chamrouse und Risoul zwei schwere Bergankünfte an. Den Richter über Sieg und Niederlage spielen in diesem Jahr aber die Pyrenäen, wo die Königsetappe mit drei Anstiegen der ersten Kategorie und der Hors-Categorie-Rampe zum Abschluss zum Pla d'Adet wartet. Einen Tag später fällt in Hautacam wohl die endgültige Entscheidung über den Tour-Sieg.

Denn das Zeitfahren spielt bei der diesjährigen Ausgabe der Tour nur eine untergeordnete Rolle, die 54 Kilometer zwischen Bergerac und Perigueux am vorletzten Tag bleiben die einzigen in diesem Jahr. Gut möglich also, dass ein reiner Kletterer sich genug Vorsprung herausarbeiten kann, um die Top-Favoriten im Kampf gegen die Uhr entscheidend zu distanzieren.

Das Maillot Jaune: Die Gesamtwertung

Zum zweiten Mal in Folge verpasst Bradley Wiggins nach seinem Triumph 2012 die Tour, Giro-d'Italia-Sieger Nairo Quintana scheut ebenfalls das Double Tour-Giro und will erst wieder bei der Vuelta im Herbst an den Start gehen. Bereits im Vorfeld lieferte sich Sky-Kapitän und Vorjahressieger Christopher Froome ein heißes Duell mit dem zweimaligen Champ Alberto Contador, dass auch die Tour entscheidend beeinflussen dürfte. Die Favoriten im Überblick:

Alberto Contador (31, ESP/Team Tinkoff-Saxo)

Nach einem eher schwachen vierten Platz im vergangenen Jahr greift Contador in diesem Jahr wieder an. Schon in den ersten Tagen der in diesem Jahr äußerst anspruchsvollen Dauphine Libere war er der einzige, der mit Christopher Froome mithalten konnten und dem Briten bis zuletzt am Hinterrad klebte.

Auf den Folgeetappen drehte Contador dann aber den Spieß um und zog Froome davon, der sein Pulver an den ersten Tagen wohl schon verschossen hatte. Am Ende reichte es für Platz zwei - mit fast vier Minuten Vorsprung auf seinen ärgsten Rivalen bei der Tour. Bei Froomes Triumph im Vorjahr sah es noch andersherum aus.

Auch Teamchef Bjarne Riis setzt auf Contador, besitzt vor allem mit Nicolas Roche und Sergio Paulinho zwei potentielle Überraschungskandidaten: "Wir setzen auf hohe individuelle Qualität, aber auch auf einen ebenso hohen Teamgeist", sagte Riis, der auf den wegen Dopingverdachts gesperrten Roman Kreuziger verzichten muss.

Contador hat nach seiner Dopingsperre 2012 ein schwaches Jahr 2013 hinter sich, kommt jetzt aber langsam wieder in Form. Sein letzter großer Rundfahrt-Sieg bei der Vuelta 2012 liegt aber schon fast zwei Jahre zurück, seine immer noch von Doping-Gerüchten überschattete Form von 2008 und 2009 scheint er nicht mehr erreichen zu können.

SPOX-Prognose: Contador hat gezeigt, dass er Froomes Attacken Paroli bieten kann und der ärgste Konkurrent des Briten in Sachen Tour-Sieg ist. Die wenigen Zeitfahr-Kilometer in diesem Jahr kommen Contador zu Gute, der hier auch lange nicht mehr hoffnungslos unterlegen ist. Kann der Spanier in den Bergen dominieren, ist Tour-Triumph Nummer drei nur noch Formsache.

Christopher Froome (29, GBR/Team Sky)

Der gebürtige Kenianer ist schon wieder in einer unglaublichen Frühform, die ihm bei dem Projekt Titelverteidigung womöglich scheitern lassen könnte. Klar war Froome auch im vergangenen Jahr bereits vor der Tour der absolute Dominator im Rennzirkus, diesmal scheint sich das Blatt aber zu wenden.

Statt die Dauphine Libere wie im Vorjahr zu dominieren, startete Froome furios, musste dann aber seinem hohen Anfangstempo Tribut zollen und landete abgeschlagen auf dem elften Platz mit mehr als vier Minuten Rückstand. Dass es nur ein Zeitfahren bei der diesjährigen Tour gibt, dürfte Froome ebenfalls nicht schmecken, muss er mit seinem Team in den Bergen jetzt mehr denn je auf die Konkurrenz aufpassen, um den Vorsprung nicht zu groß werden zu lassen.

SPOX-Prognose: Froome ist wie im vergangenen Jahr in einer hervorragenden Frühform, allerdings scheint der Brite sich diesmal etwas verpokert zu haben. Speziell in der zweiten und dritten Woche wird die Tour entschieden, wenn ihm dann die entscheidenden Reserven fehlen, könnte das böse enden. Bis dahin scharrt Froome aber die besten acht Teamkollegen der Welt um sich, die versuchen werden, ihn in gelb nach Paris zu bringen.

Rui Costa (27, POR/Lampre-Merida)

Der portugiesische Weltmeister ist in der Form seines Lebens und bereit, nun endlich auch bei der Tour der France nach dem gelben Trikot zu greifen. Dass er mehr ist als nur ein Baroudeur, der nur auf Etappensiege aus ist, zeigte er in diesem Jahr bei der Tour de Suisse, die er zum dritten Mal in Folge für sich entschied.

Mit zwei Etappensiegen im vergangenen Jahr und dem Regenbogen-Trikot im Gepäck geht der Portugiese selbstbewusst in die 21 Etappen der Tour de France. Seinen Sieg bei der Tour de Suisse sollte man allerdings nicht zu hoch hängen, immerhin war das Rennen nicht so stark besetzt wie die Dauphine Libere, wo fast alle Top-Favoriten ihre Form testeten.

SPOX-Prognose: Nach seinem Wechsel von Movistar zu Lampre ist Costa der unangefochtene Team-Leader. Mit Christopher Horner und Rafael Valls Ferri stehen dem Portugiesen aber nicht gerade die besten Helfer zur Verfügung, in den Bergen wird er sich wohl alleine durchschlagen müssen. Ein Podiumsplatz ist aber sicherlich drin.

Vincenzo Nibali (29, ITA/ Astana)

Der Italiener ist die große Unbekannte bei der diesjährigen Tour, schließlich machte sich Nibali in diesem Jahr äußerst rar und verzeichnete kaum nennenswerte Resultate. Bei der Dauphine Libere reichte es für Platz sieben, allerdings schien Nibali zu keinem Zeitpunkt die Initiative übernehmen zu können, um einen Angriff zu starten.
Der Hai wirkt nach seinem Giro-Sieg im vergangenen Jahr nicht mehr in der Form, um die Tour de France gewinnen zu können. Die Italiener erwarten einiges von ihrem Favoriten, zumal Astana seinem Schützling drei absolute Edelhelfer zur Seite stellt. Michele Scarponi, Jakob Fuglsang und Lieuwe Westra werden den Italiener in die Berge begleiten.

SPOX-Prognose: Nibali und die Tour de France - das passt irgendwie nicht zusammen. Im Gegensatz zu den großen Konkurrenten Froome, Contador und Costa scheint Nibali nicht im entscheidenden Moment einen Angriff setzen zu können. Nur Mitfahren reicht nicht zum Sieg, da wird auch ein starkes Zeitfahren nicht helfen. Ein Podiumsplatz wäre sicherlich schon ein Erfolg.

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