"Federer ist nicht mehr so dominant"

Von Interview: Florian Regelmann
Stefan Edberg feiert seinen Sieg im Wimbledon-Finale 1990
© Getty

Stefan Edberg wurde mit zwei Wimbledon-Titeln zur Legende. SPOX sprach mit dem Schweden vor dem Wimbledon-Start über seine Matches gegen Boris Becker, Roger Federers Probleme - und Leeds United.

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SPOX: Herr Edberg, einfache Frage zu Beginn: Was machen Sie eigentlich heute?

Stefan Edberg: Tennis ist nur noch ein kleiner Teil meines Lebens. Ich versuche zwar, dreimal in der Woche zu spielen und ich bestreite auch ein paar wenige Turniere auf der Champions Tour, aber das war es dann auch schon. Ich habe eine Investmentfirma in Schweden, um die ich mich kümmere. Ich kann hier ein ganz normales Leben führen. Es ist sehr relaxt alles.

SPOX: Wenn sich die deutschen Tennis-Fans an Sie zurückerinnern, denken sie zunächst an Ihre drei Wimbledon-Finals gegen Boris Becker. Los ging es 1988, als Sie in vier Sätzen gewannen.

Edberg: Drei Finals nacheinander zu spielen, war natürlich eine fantastische Sache. Ich kann mich an die Situation vor dem ersten Endspiel gegen Boris noch gut erinnern. Im Viertelfinale hatte ich ja Patrik Kühnen und dann im Halbfinale nach 0:2-Satzrückstand Miloslav Mecir geschlagen. Ich hatte im Finale überhaupt nichts zu verlieren. Der erste Wimbledon-Sieg ist immer etwas ganz Besonderes. Ich hatte Björn Borg fünfmal Wimbledon gewinnen sehen - auch deshalb war es ein ganz spezieller und besonders süßer Moment für mich.

SPOX: Ein Jahr später revanchierte sich Becker. 6:0, 7:6, 6:4. Das war eine ziemlich klare Sache. Was war los?

Edberg: Das war eine bittere und schmerzhafte Niederlage für mich, keine Frage. Die Ausgangslage war eine ganz andere, weil ich nach meinem Sieg im Vorjahr mit großen Erwartungen ins Turnier gegangen bin. Aber im Finale musste ich dann einfach anerkennen, dass Boris klar der bessere Spieler war an diesem Tag. Er war zu gut für mich.

SPOX: Und dann kam 1990 das dritte Endspiel...

Edberg: Das war sicher das beste Finale. In diesem Match habe ich richtig gut gespielt - und dort am Ende nach fünf Sätzen mit dem zweiten Wimbledon-Titel dazustehen, gehört auch zu den schönsten Momenten meiner Karriere. Vor allem, weil ich wenig später die Nummer eins der Welt wurde.

SPOX: Sie haben sich unzählige Duelle mit Becker geliefert. Es war eine große Rivalität. Haben Sie noch Kontakt?

Edberg: Wir haben sehr wenig Kontakt und sehen uns kaum, aber die vielen Matches verbinden uns. Ich würde schon sagen, dass wir eine spezielle Beziehung zueinander haben. Sie ist von großem gegenseitigem Respekt geprägt.

SPOX: Edberg vs. Becker war Serve-and-Volley-Tennis in Vollendung. Wenn man sich heute Wimbledon anschaut, sieht man viel Grün am Netz. Die braunen Stellen sind längst an die Grundlinie gewandert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Edberg: Es macht mich schon auf eine gewisse Art und Weise traurig, dass es komplett ausgestorben ist. Ich weiß, dass sich die Zeiten ändern und dass durch die Verlangsamung der Bälle und Beläge eine Umgebung geschaffen wurde, die das Serve-and-Volley-Spiel erschwert, aber ich denke dennoch, dass man weiterhin damit Erfolg haben könnte.

SPOX: Aber würde jemand, der konstant Serve-and-Volley spielt, nicht am Netz gekillt werden im heutigen Tennis?

Edberg: Wenn es jemand jedes Mal machen würde, wäre es sicher zu leicht auszurechnen. Aber wenn jemand kommen und einen guten Mix spielen würde, könnte er ein unangenehmer Gegner sein und viel Druck ausüben. Es wäre schön, weil es das Tennis insgesamt variantenreicher machen würde.

SPOX: Roger Federer hätte die Anlagen, um Serve-and-Volley zu spielen.

Edberg: Ja, aber er tut es nicht. Roger bleibt auch meistens an der Grundlinie, bei seinen ganzen Erfolgen ist das auch irgendwo verständlich.

SPOX: Ist Federer für Sie auch in diesem Jahr wieder der große Favorit auf den Wimbledon-Sieg?

Edberg: Er ist definitiv einer der Favoriten, aber er ist meiner Meinung nach nicht mehr der ganz große Topfavorit. Es gibt eine ganze Reihe von Spielern, die das Turnier gewinnen können. Rafael Nadal, Andy Roddick - auch Robin Söderling. Ich denke wie Björn Borg auch, dass Robin eine Chance hat, die Nummer eins zu werden, wenn er gesund bleibt und sein Spiel noch weiterentwickelt. Bei Andy Murray bin ich etwas skeptisch. Er ist eigentlich gut genug, um Grand Slams zu gewinnen, aber in letzter Zeit hat er einen Schritt zurück gemacht.

SPOX: Bleiben wir noch kurz bei Federer. Ist Roger der beste Spieler aller Zeiten?

Edberg: Auch wenn es schwer zu vergleichen ist, würde ich sagen, dass Roger die Nummer eins ist. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, als er im letzten Jahr die French Open gewonnen hat. Paris war der einzige Slam, der mir gefehlt hat. Die Niederlage gegen Michael Chang war die bitterste meiner Karriere, deshalb weiß ich, wie wichtig dieser Titel für Roger war. Er ist nicht mehr so dominant, wie er es mal war, aber ich bin davon überzeugt, dass er noch zwei, drei gute Jahre vor sich hat, in denen er Grand Slams gewinnen kann. Danach wird es aber schwierig werden für ihn.

SPOX: Zum Abschluss noch eine Fußballfrage. Sie sollen großer Fan von Leeds United sein. Ich weiß, dass Tomas Brolin mal in Leeds gespielt hat. Wie ist es zum Faible für Leeds gekommen?

Edberg: Als ich früher in Schweden englischen Fußball im Fernsehen angeschaut habe, hatte Leeds eine tolle Mannschaft. So ist das entstanden. Da ich aber auch in London gelebt habe, bin ich auch zu einem Chelsea-Fan geworden. Zum Glück. Die schlagen sich aktuell deutlich besser. (lacht)

Advantage Regelmann: Wir sind Rasen!