"Wie ein kleiner Schuljunge"

Dirk Sing
01. April 201423:11
Dieter Kindlmann (l.) ist seit 13 Monaten Hitting Partner von Maria Sharapova
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Um diesen Arbeitsplatz beneiden ihn viele Männer. Dieter Kindlmann ist als Hitting Partner von Maria Sharapova tätig. Bei SPOX spricht der 31-Jährige über seinen Traumjob an der Seite des russischen Weltstars und die Zukunft des deutschen Tennis. Zudem erzählt Kindlmann von seiner ersten Begegnung mit Sharapova, die äußerst distanziert ausfiel.

SPOX: Herr Kindlmann, können Sie nachvollziehen, dass Millionen männlicher Tennisfans gerne mit ihnen tauschen würden?

Kindlmann (lacht): Ja klar, absolut! Maria ist ja nicht nur eine ganz normale Tennisspielerin, sondern eine einmalige Persönlichkeit und ein absoluter Weltstar, den es in dieser Art und Weise auf der Tour ansonsten sehr selten gibt. Ich muss aber sagen, dass ich von Beginn an eigentlich nie diesen Topstar oder diese Marke Sharapova, sondern immer nur meinen Job beziehungsweise meine Aufgabe gesehen habe. Abgesehen davon war mir auch überhaupt nicht bewusst, was tatsächlich alles hinter dem Namen Sharapova steht. Natürlich bekommt man es dann aufgrund der hohen Anzahl an Sicherheitsleuten, die bei einem Turnieren oder Event anwesend sind, mit, was sich da alles rund um Maria abspielt. Und sicherlich bin ich auch schon stolz, ein Teil dieses Teams zu sein.

SPOX: Wie oft mussten Sie sich aufgrund Ihres Jobs schon schräge Sprüche von Freunden oder Bekannten anhören?

Kindlmann: Die gibt es natürlich auch heute immer wieder mal, klar (lacht). Oftmals werde ich natürlich gefragt, wie die Maria denn so sei oder ob es denn nicht möglich wäre, sie dieser oder jener Person einmal vorzustellen. Aber ich denke, dass gehört einfach dazu, wenn man einen solchen Job ausübt. Da gibt es dann eben immer die freundliche, aber deutliche Absage. Schließlich habe ich ja auch eine gewisse Verantwortung ihr gegenüber - und es wäre sicherlich auch ein großer Vertrauensbruch, wenn ich mit solchen Spielchen anfangen würde.

SPOX: Hitting Partner von Maria Sharapova: Ist das auch für Sie persönlich ein absoluter Traumjob? SPOX

Kindlmann: Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich das auf alle Fälle so bezeichnen. Fakt ist, dass ich meine aktive Profi-Karriere sehr gerne fortgesetzt hätte. Aber dann musste ich leider vor zwei Jahren aufgrund einer Schulterverletzung die Entscheidung treffen, meine Laufbahn zu beenden - was mir freilich schon sehr weh getan hat und woran ich auch lange zu knabbern hatte. Ich liebe den Tennissport nun einmal über alles. Dass ich dann nach meinem kurzen Engagement als Tour-Coach beim Bayerischen Tennisverband die Möglichkeit bekommen habe, als Hitting Partner von Maria Sharapova zu arbeiten, war für mich so etwas wie ein Sechser im Lotto. Von dem her ist es für mich augenblicklich ein Traumjob. Was die Zukunft jedoch betrifft, ist es mein großes Ziel, einmal selbst als verantwortlicher Cheftrainer für einen solchen Superstar zu arbeiten.

SPOX: Es heißt ja häufig, dass Tennisspielerinnen - gerade auf diesem hohen Niveau - oftmals regelrechte Diven seien, mit denen es sich nur schwer aushalten lässt. Trifft dies auch auf Maria Sharapova zu?

Kindlmann: Grundsätzlich kann man Frauen- und Herrentennis eigentlich nicht miteinander vergleichbar. Das ist letztlich wie im Privatleben auch. Was konkret Ihre Frage betrifft: Ich glaube, dass das einfach zum Klischee und teilweise auch zum Image dazu gehört. Würde eine Frau auf dieser Tennisbühne nicht so auftreten, wie man es eigentlich von ihr und ihrem Image erwartet, dann wären die meisten schlichtweg enttäuscht. Das ist einfach ein Teil dieses Geschäfts. Aufgrund der Tatsache, dass ich jetzt doch schon seit rund 13 Monaten mit Maria zusammenarbeite, habe ich von ihr natürlich schon viele Seiten kennengelernt - und die allermeisten waren absolut positiv. Vieles von ihr wissen die Leute außerhalb gar nicht beziehungsweise bekommen es auch nicht mit. Aber das ist völlig in Ordnung und soll auch künftig so bleiben.

SPOX: Wie viele "neue Freunde" beziehungsweise Leute, die aufgrund Ihres Jobs mit Ihnen eine "Freundschaft" eingehen wollten, haben Sie in den vergangenen 13 Monaten eigentlich kennengelernt?

Kindlmann: Oh ja, da gibt es etliche. Leute, die du vorher nicht gekannt hast oder die dich bis dahin überhaupt nicht angeschaut haben, geben dir nun auf einmal die Hand und möchten plötzlich dein größter Kumpel sein. Das ist manchmal schon ziemlich grotesk. Glücklicherweise kann ich diese Leute mittlerweile sehr gut auseinanderhalten. So etwas lernt man im Laufe der Zeit. Auch ich habe in diesem Bereich meine Erfahrungen sammeln müssen.

SPOX: Wie sind Sie vor etwas über einem Jahr überhaupt zu diesem Job gekommen?

Kindlmann: Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Als ich am Geburtstag von meinem Vater morgens aufgestanden bin, hatte ich eine längere SMS auf meinem Handy mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, als Hitting Partner von Maria Sharapova anzufangen. Nachdem mein erster Gedanke war, dass mich da mit Sicherheit jemand veralbern möchte, habe ich auch gar nicht zurückgeschrieben. Erst als dann am nächsten Tag nochmals eine SMS mit der deutlichen Aufforderung kam, dass ich doch bitte mal auf die erste antworten solle, habe ich zurückgeschrieben - zumal ich mittlerweile auch herausgefunden hatte, dass es eine schwedische Handynummer war. Kurz darauf folgte dann schon das erste Gespräch mit Sharapovas damaligem schwedischen Trainer Thomas Högstedt.

SPOX: Und Sie haben sofort zugesagt?

Kindlmann: Nein, eben nicht. Aufgrund der Folgen meiner Schulter-Operation, die mich ja letztlich zum Karriereende zwangen, habe ich nach kurzer Bedenkzeit schweren Herzens abgesagt, da ich mich physisch zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage sah, diese Aufgabe entsprechend auszuüben. Drei Wochen später bekam ich dann nochmals einen Anruf von Högstedt mit der Frage, wie ich denn jetzt körperlich beieinander sei, da sie mich immer noch gerne für diesen Job wollten. Nachdem meine Schulter soweit wieder in Ordnung war beziehungsweise ich mir auch bewusst war, dass ich mit Sicherheit keine dritte Chance mehr bekommen würde, habe ich dann schließlich zugesagt. Mein großes Glück war dabei allerdings auch, dass mir der BTV, bei dem ich zu diesem Zeitpunkt als Trainer unter Vertrag stand, keine Steine in den Weg gelegt hat.

SPOX: Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Sharapova erinnern?

Kindlmann: Ja, natürlich. Man muss sich vorstellen, dass ich zunächst nur einen Vertrag über drei Monate in der Tasche hatte. Als ich dann in den Flieger eingestiegen bin, wusste ich eigentlich so gut wie nichts. Weder über mein genaues Aufgabengebiet, noch über die Person Maria Sharapova, die ich bis dahin nur aus der Presse und dem Fernsehen kannte. Ehrlich gesagt hatte ich da schon ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengegend, zumal du dir ja auch alle möglichen Szenarien im Kopf ausmalst. Das erste Treffen beim Training würde ich dann als freundlich, aber auch sehr distanziert beschreiben. Ich habe mich da wie ein kleiner Schuljunge gefühlt, als ich mich bei ihr vorgestellt habe. Es hat dann schon auch eine gewisse Zeit gedauert, bis man ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut hat. Heute kann ich darüber schmunzeln.

SPOX: Aus den anfangs geplanten drei Monate sind bislang 13 Monate geworden...

Kindlmann: Womit ich damals nie und nimmer gerechnet hätte. Für mich war eigentlich klar, dass ich nach diesen drei Monaten wieder zum Bayerischen Tennis-Verband zurückgehe und meinen Job als Trainer wieder übernehme. Doch dann habe ich bereits nach sechs Wochen das Angebot bekommen, in Fulltime zum Team Sharapova zu stoßen. Auch wenn mir viele Leute das nicht geglaubt haben - aber als diese Offerte kam, musste ich erst einmal drei, vier Tage darüber nachdenken, ob ich das auch wirklich will. Mit der neuen Fulltime-Vertragslaufzeit ist es ja schließlich so etwas wie dauerhaft auszuwandern. Nachdem ich dann schließlich auch sowohl vonseiten des BTV als auch des 1. FC Nürnberg, für den ich zum damaligen Zeitpunkt als Spielertrainer in der Bundesliga tätig war, grünes Licht bekam, habe mich mich entschieden, das Ganze dauerhaft zu machen.

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SPOX: Hat sich Ihr Tätigkeitsfeld im Team Sharapova im Laufe der Zeit verändert?

Kindlmann: Ich würde sagen, dass es sich durch den Trainerwechsel Thomas Högstedt/Sven Groeneveld (trainierte unter anderem Tommy Haas, Nicolas Kiefer und Michael Stich, Anm. d. Red.) sogar extrem verändert hat. Unter Högstedt war das alles relativ einfach gestrickt. Als Hitting Partner war ich der Trainingspartner von Maria und habe das gemacht, was Högstedt vorgegeben hat. Sprich: Ich spiele mit ihr, bringe sie als ehemaliger Herren-Profi von der Geschwindigkeit her auf ein möglichst hohes Level, habe aber letztlich null Verantwortung. Jetzt, unter Groeneveld, bin ich in alles involviert, werde stets nach meiner Meinung gefragt und kann damit auch selbst Impulse einbringen. Das macht mir riesigen Spaß, zumal ich von Sven auch sehr viel lernen kann. Neben der Gegner- und Spielanalyse trainiere ich natürlich auch weiterhin mit Maria auf dem Platz. Darüber hinaus bin ich nun auch noch für das gesamte Tennis-Equipment verantwortlich. Von dem her würde ich mich mittlerweile nicht "nur" als Hitting-Partner, sondern fast schon als Co-Trainer bezeichnen.

SPOX: Stichwort, Gegenseitiges Vertrauen: Wie lange hat es gedauert, bis diese letztlich entscheidende Grundlage für eine gute Zusammenarbeit zwischen Maria Sharapova und Ihnen vorhanden war?

Kindlmann: An einem bestimmten Datum lässt sich so etwas sicherlich nicht festmachen. Man kann sicherlich schon sagen, dass die ersten Monate unserer Zusammenarbeit noch von extrem wenig Vertrauen gekennzeichnet waren - wobei das allerdings in meinen Augen das Normalste der Welt ist. Gewachsen ist das Vertrauen dann ausgerechnet in einer Phase, in der es bei Maria sportlich nicht so gut lief. Als das frühe Wimbledon-Aus sowie der Trainerwechsel kamen, hat sie gemerkt, dass sie auf mich bauen kann. Das waren diesbezüglich sicher sehr wichtige Momente. Auch die Vorbereitungsphase von Oktober bis Januar, in der man quasi tagtäglich zusammen ist, war auf diesem Weg immens wichtig.

SPOX: Nachdem es in den vergangenen Wochen und Monaten bei Sharapova sportlich nicht wirklich nach Wunsch läuft: Wie sehr leiden Sie in dieser Phase mit Ihrem "Schützling"?

Kindlmann: Extrem. Viele können nicht nachvollziehen, wenn ich beispielsweise nach einer Niederlage völlig verschwitzt in mein Hotelzimmer komme und stundenlang mit niemandem sprechen möchte. Das hat sich aber eben auch in den vergangenen Monaten bei mir stark verändert. Anfangs habe ich mich sicher auch geärgert, wenn Maria mal ein Match verloren hat. Aber seit ich jetzt mehr Verantwortung im Team habe, fiebere und leide ich noch wesentlich intensiver mit ihr mit. Das lässt sich mit früher überhaupt nicht mehr vergleichen.

SPOX: Sie haben bereits angesprochen, dass man Herren- und Frauen-Tennis eigentlich nicht miteinander vergleichen kann. Worin liegen denn Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede?

Kindlmann: Das sind einfach zwei unterschiedliche Welten. Wenn man jetzt nur einmal die Kommunikation unter den Topstars hernimmt: Während die Herren untereinander völlig cool und entspannt miteinander umgehen und auch am Abend mal ein Bierchen zusammen trinken gehen, ist das bei den Frauen nahezu undenkbar. Da ist jede Spielerin einzig und allein auf sich fixiert. Man kann daher sicherlich auch ehrlich sagen, dass es einen Job wie den des Hitting Partners wohl nicht gäbe, wäre der Umgang der Frauen untereinander anders. Während die Herren während eines Turniers zumeist zusammen trainieren oder sich einen Platz teilen, sieht man das bei Frauen so gut wie überhaupt nicht. Diese für mich ganz neue Situation musste ich natürlich auch erst lernen. Es ist auch oftmals nicht gewollt, dass man beispielsweise Kontakt zu den Konkurrenzteams pflegt, wo man vielleicht die eine oder andere Person bereits kennt. Letztlich hat man ausschließlich für seine Spielerin da zu sein. Und das ist schon ein sehr großer Unterschied zu den Herren.

SPOX: Um beim Herren-Bereich zu bleiben - genauer gesagt bei dem des Deutschen Tennis-Bundes. Mit Tommy Haas (Nummer 13), Philipp Kohlschreiber (25), Florian Mayer (32), Tobias Kamke (92), Benjamin Becker (93) und Daniel Brands (95) hat man derzeit sechs Akteure unter den Top 100 der ATP-Weltrangliste, wobei die drei Erstgenannten bereits die 30 Jahre-Grenze überschritten haben. Muss man sich künftig Sorgen um das deutsche Herren-Tennis machen?

Kindlmann: Grundsätzlich schätze ich die augenblickliche Situation nicht so schlecht ein, wie sie oftmals dargestellt wird. Dass ein Tommy Haas mit seinen nunmehr 35 Jahren immer noch unter den Top 15 der Welt rangiert, ist eine unglaubliche Leistung, die man einfach honorieren muss. Aber auch vor Spielern wie Kohlschreiber oder Mayer, die seit etlichen Jahren permanent zu den besten 40 Profis der Welt zählen, habe ich größten Respekt. Was in Deutschland sicherlich fehlt, ist eine absolute Granate, die zu den Top Fünf zählt. Und da tut man meiner Meinung nach den bereits genannten Jungs immer etwas Unrecht, denn auch sie liefern konstant erstklassige Leistungen ab. Sollten ein Haas, Kohlschreiber oder Mayer mal nicht mehr für Deutschland im Davis-Cup spielen, dann bezweifle ich stark, ob man auch weiterhin in der Weltgruppe bleiben würde. In Deutschland ist man aufgrund der früheren Jahre mit einem Boris Becker, Michael Stich und einer Steffi Graf natürlich sehr verwöhnt. Doch die Zeiten haben sich geändert.

SPOX: Die große Frage ist aber sicherlich auch, was nach der Generation Haas, Kohlschreiber und Mayer in Deutschland folgen wird.

Kindlmann: Da gebe ich Ihnen absolut recht. Im Gegensatz zu den Frauen, wo die Topspielerinnen noch deutlich jünger sind und auch das eine oder andere Talent nachrückt, sieht es bei den Herren nicht wirklich sonderlich rosig aus. Zwei, die vielleicht den Sprung nach vorne schaffen könnten, sind der 23-jährige Jan-Lennard Struff (ATP-Weltranglisten-Rang 104, Anm. D. Red) sowie der erst 17-jährige Alexander Zverev, der in diesem Jahr die Australien Open bei den Junioren gewonnen hat. Aber gerade bei Zverev muss man abwarten, wie ihm letztlich der große Sprung in den Herren-Bereich gelingt. Wie es hinter ihm beziehungsweise in den jüngeren Jahrgangsstufen aussieht, kann ich nicht wirklich sagen, da mir der genauere Einblick fehlt. Aber klar, zufrieden kann man mit dieser Situation und Entwicklung definitiv nicht sein.

SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss noch über Ihre Heimat im Allgäu sprechen. Wie oft zieht es Sie nach wie vor zurück zu den Wurzeln nach Blaichach (bei Sonthofen)?

Kindlmann: Nachdem ich sehr heimatverbunden bin, versuche ich jede Gelegenheit wahrzunehmen - auch wenn es zumeist immer nur ein paar Tage sind. Mir ist es einfach enorm wichtig, sowohl mit meiner Familie als auch meinen Freunden Kontakt zu halten, mich mit ihnen zu treffen und eben auch gemeinsam Zeit zu verbringen. Wenn du das ganze Jahr über durch die Welt reist, lernst du deine Heimat noch mehr zu schätzen. Mein ganz großes Ziel war es ja einst, irgendwann ins Allgäu zurückzukehren und ein großes Tenniszentrum zu eröffnen. Aber davon habe ich mich mittlerweile schon wieder verabschiedet, da schlichtweg die Gegebenheiten nicht vorhanden sind. Da ich ja, wie bereits gesagt, meine berufliche Zukunft weiter im Tennis-Trainergeschäft sehe, wird meine Heimat zumindest mittlerfristig leider keine große Rolle spielen. Das ist auf der einen Seite natürlich sehr schade. Andererseits muss man in solchen Fällen eben genau abwägen. Und ich habe mich eben - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - für den Job entschieden.

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