Weltranglistenerste seit fast zwei Jahren, drei Titel bei den vergangenen drei Teilnahmen an den WTA Finals (ab 13.30 Uhr im LIVE-TICKER): Serena Williams ist seit geraumer Zeit die unangefochtene Königin auf dem Tennis-Thron. Logisch, dass die Buchmacher die US-Amerikanerin auch für den Saisonabschluss in Singapur ganz vorne führen. Ganz so einfach ist die Rechnung in diesem Jahr allerdings nicht - bahnt sich ein Führungswechsel an?
Rote Gruppe
1. Serena Williams
Seit dem 18. Februar 2013 ist Serena Williams wieder die Nummer eins der Welt. Die US-Amerikanerin triumphierte beim Saisonfinale bereits vier Mal, bei ihren letzten drei Teilnahmen (2009, 2012, 2013) immer.
In den vergangenen beiden Jahren verlor sie gegen die anderen sieben Teilnehmerinnen nur ein Match - gegen Ana Ivanovic. Die Bilanz gegen ihre Gruppengegnerinnen ist mit 11-1 überragend. Sechs Turniersiege, davon fünf auf Hartplatz, stehen alleine 2014 zu Buche.
Es stellt sich also die Frage: Wer zum Teufel soll Williams aufhalten? Unglückliche Umstände? Möglich! Bei den beiden letzten Turnieren in Peking und Wuhan musste Williams wegen Übelkeit beziehungsweise dem verletzten linken Knie aufgeben. Die Spekulationen um eine Absage bei den WTA Finals hat sie mit ihrer Anreise nach Singapur aber beendet.
Klar ist: Bleibt Williams verletzungsfrei, ist die diesjährige US-Open-Siegerin Titelanwärterin Nummer eins. Ein Selbstläufer wird das Saisonfinale aber keineswegs, zumal sich Maria Sharapova anschickt, sie in der Weltrangliste von der Spitzenposition zu verdrängen.
An Selbstbewusstsein mangelt es Williams aber nicht, wie sie am Rande der Gruppenauslosung klar stellte: "Es ist mir ehrlich gesagt egal, gegen wen ich spiele. Ich bin jetzt bereit für jede Gegnerin."
2. Ana Ivanovic
Die Serbin zeigte in diesem Jahr endlich mal wieder konstant gute Leistungen und gewann insgesamt vier Turniere - auch wenn Ivanovic bei keinem Grand-Slam-Turnier über das Viertelfinale hinauskam. Gerade in der zweiten Saisonhälfte präsentierte sie sich in besserer Verfassung als ihre Gruppengegnerinnen Eugenie Bouchard und Simona Halep, mit denen sie das zweite Halbfinal-Ticket neben Serena Williams ausmachen wird. "Es fühlt sich großartig an, hier zu sein. Ich hatte eine tolle Saison und habe darauf hingearbeitet", sagt Ivanovic stolz.
Das Toray Pan Pacific in Tokio gewann Ivanovic im September im Endspiel gegen Caroline Wozniacki. Beim vorletzten Turnier (China Open) reichte es für das Halbfinale, zuletzt brach sie das WTA-Turnier in Linz aber nach der ersten Runde wegen Hüftschmerzen ab. Unter dem Strich bleibt: Ivanovic hat sich 2014 in der Weltelite zurückgemeldet und ist - wenn sie topfit ist - eine ernste Anwärterin auf das Halbfinale.
Daran ändert auch die eigentlich desolate Bilanz gegen ihre Kontrahentinnen in der Roten Gruppe (2-11) nichts. Der Grund: Sieben dieser Niederlagen kassierte Ivanovic, die derzeit mit viel Selbstvertrauen ausgestattet ist, gegen Williams. Übrigens: Die French-Open-Siegerin von 2008 ist die einzige Starterin, die in den letzten beiden Jahren gegen Williams gewann (2014 bei den Australian Open).
Der Hartplatz in Singapur kommt Ivanovic entgegen. Hoch abspringende Bälle kann die 1,84-Meter-Frau besser handeln als beispielsweise Halep. Der Modus erlaubt in der Vorrunde mal einen Patzer. Das kommt Ivanovic womöglich entgegen, da sie sich nicht von Emotionen leiten lässt, sondern sich schnell neu fokussieren kann - anders als beispielsweise ihre junge Gruppengegnerin Bouchard.
3. Eugenie Bouchard
Finale in Wimbledon, Halbfinale bei den Australian Open und den French Open, Achtelfinale in Flushing Meadows: Eugenie Bouchard ist die Newcomerin des Jahres und endgültig in der Tennis-Elite angekommen. Auch wenn ihre Titelsammlung - Bouchard triumphierte auf der WTA-Tour bisher lediglich in Nürnberg - noch ausbaufähig ist.
Zuletzt stand die Kanadierin in Wuhan im Finale gegen Kvitova, ansonsten lief es aber nicht so gut. In Peking und in Linz, wo sie wegen Oberschenkelproblemen aufgab, war jeweils in der zweiten Runde Endstation. Bouchard ist offenbar nicht ernsthaft angeschlagen, jedoch wirkt sie derzeit etwas nervös. Ihr unterlaufen zu viele Unforced Errors, womöglich belastet Genie der Hype um ihre Person in den vergangenen Wochen doch ein wenig?
In Singapur feiert die erfolgreichste kanadische Tennisspielerin aller Zeiten jedenfalls ihr Finals-Debüt. Bouchard kann befreit aufspielen, was ihr entgegenkommen sollte: "Ich habe Anfang des Jahres nicht einmal davon geträumt, bei den Finals dabei zu sein und ich glaube, dass es auch sonst kaum jemand gedacht hätte."
Bouchard versucht immer einen möglichst frühen Treffmoment des Balls zu erreichen. Dadurch nimmt sie der Gegnerin Zeit, sich neu zu positionieren. Ivanovic sagte dazu: "Es ist die Hölle, gegen sie zu spielen." Schafft es Bouchard, diese Schläge, die vor allem auf Rasen große Wirkung erzielen, auch in Singapur zu produzieren, könnte das für sie ein Vorteil werden. Läuft alles optimal, ist das Halbfinale drin.
4. Simona Halep
Zusammen mit Bouchard hat Simona Halep in diesem Jahr spielerisch die größte Entwicklung gemacht. Gerade zu Beginn der Saison spielte die Rumänin stark, in Paris reichte es sogar zum Einzug ins French-Open-Finale. Halep gewann die Turniere in Bukarest und Doha, jedoch wirkte die 23-Jährige in letzter Zeit doch etwas müde.
Seit Juli erreichte Halep kein Halbfinale mehr, in Peking musste sie vor dem Viertelfinale verletzt aufgeben. Sie ist zwar nicht in bester Verfassung, ist jedoch eine Spielerin, die noch einmal alle Kräfte mobilisieren und mit ihren aggressiven Schlägen von der Grundlinie auf jedem Untergrund unangenehm werden kann.
Wie Bouchard ist auch Halep das erste Mal bei den Finals dabei. Entsprechend groß ist die Vorfreude bei der Dritten der Weltrangliste: "Es war ein Traum, hier dabei zu sein und ich werde in jedem Match kämpfen." Mit Ivanovic und Bouchard wird sie sich um das zweite Halbfinal-Ticket neben Williams streiten.
Seite 1: Rote Gruppe - Williams nicht zu stoppen?
Seite 2: Weiße Gruppe - Sharapova vor dem großen Coup?
Weiße Gruppe
1. Maria Sharapova
Nach ihrer Schulter-Operation 2013 hatte Maria Sharapova in diesem Jahr einen holprigen Saisonstart, überragte dann aber bei den French Open und setzte sich die Krone auf. Zwar verliefen die anderen Grand Slams unter ihrem Anspruch, die Formkurve der Russin zeigte in den vergangenen Wochen aber wieder deutlich nach oben.
In China gewann Sharapova zuletzt mit starken Auftritten das Turnier im Finale gegen Kvitova. Seitdem ist die 27-Jährige wieder die Nummer zwei der Welt und könnte in Singapur sogar Williams als Nummer eins ablösen. Mehrere Szenarien würden dazu führen. Beispielsweise wenn sie das Turnier gewinnt und Williams es nicht ins Finale schafft. Es wäre das erste Mal, das Sharapova eine Saison als Weltranglistenerste beendet.
"Ich bin ziemlich glücklich mit meiner Gruppe", sagte Sharapova nach der Auslosung: "Ich glaube aber, dass jedes Match eine echte Herausforderung wird. Es sind Spielerinnen dabei, gegen die ich dieses Jahr schon verloren habe und auch welche, die ich besiegt habe. Ein bisschen von allem."
Die Bilanz spricht für Sharapova. Gegen Kvitova, Wozniacki und Radwanska gab es jeweils mehr Siege als Niederlagen.
Die 27-Jährige hat - gemessen an dieser Saison - große Chancen auf den WTA-Titel. Gut möglich, dass es am Ende zum Showdown zwischen ihr und Williams kommt. Sollte die Amerikanerin entgegen der Erwartungen schon vorher schwächeln, ist Sharapova die absolute Top-Favoritin.
2. Petra Kvitova
Petra Kvitova gehört zu den eher unscheinbaren Vertreterinnen auf der Tour. Und das, obwohl sie schon zweimal Wimbledon und 2011 sogar die WTA Finals gewann. Für einen Paukenschlag ist die Tschechin dennoch gut.
Die 24-Jährige ist gerade rechtzeitig wieder an ihrem höchsten Leistungslevel angekommen. Vergangenen Monat gewann sie die Wuhan Open und verlor in Peking erst im Finale gegen Sharapova nach drei Sätzen. Bei den letzten vier Turnieren schaffte es Kvitova drei Mal ins Endspiel. Was ihr aber noch ein wenig fehlt, ist die Regelmäßigkeit ihrer kraftvollen Schläge. Das ist aber weniger ein technisches Problem als ein mentales.
"Jedes Match in dieser Gruppe wird enorm hart", meinte Kvitova zur Ausgangslage in Singapur. Jedoch liegen ihr Belag und Rahmenbedingungen des Austragungsorts: "Ich mag es, Indoor zu spielen und ich liebe Hartplätze."
Kvitova weiß, wie man große Wettbewerbe erfolgreich bestreitet. Die Tschechin führte ihr Land ins Fed-Cup-Finale gegen Deutschland und ist auf jeden Fall eine Kandidatin für die K.o.-Phase der WTA-Finals. Im Head-to-Head hat sie gegen Sharapova das Nachsehen (2-6) und gegenüber Radwanska Vorteile (4-1). Die Duelle mit Wozniacki (5-4) waren bisher immer eng.
3. Caroline Wozniacki
Caroline Wozniacki profitierte im WTA-Ranking von Li Nas Karriereende und qualifizierte sich erst dadurch für Singapur. Die Saison fing für Wozniacki schlecht an, auch auf persönlicher Ebene: Nach dem Wirbel um die Trennung von Golf-Star Rory McIlroy folgte das Erstrundenaus bei den French Open.
Seit Wimbledon ist die Dänin aber deutlich besser drauf. Zwar gewann sie 2014 nur ein Turnier in Istanbul, bei den US Open ging es aber bis ins Finale, was auch beim Toray Pan Pacific gelang. In Wuhan erreichte Wozniacki zudem die Runde der letzten Vier.
"Die zweite Jahreshälfte lief wirklich großartig. Ich bin super glücklich, hier zu sein", sagte Wozniacki. Die jüngsten Erfolgserlebnisse haben ihr Kraft gegeben, wenngleich sie noch nie einen großen Titel holte. An Statistiken sollte sich die Dänin ohnehin nicht orientieren: In der Weißen Gruppe kann sie lediglich gegen Radwanska ein positives Match-Verhältnis (6-4) aufweisen.
Wozniacki vor den Finals: Lauf, Caro, lauf!
Was für Wozniacki spricht: In letzter Zeit spielte sie viel auf Hartplätzen und agiert seither wieder sicherer. Dort fühlt sie sich wohl, sodass sie in den letzten Wochen ordentlich Selbstbewusstsein getankt hat. Auf dem Indoor-Hartplatz in Singapur könnte sie deshalb auch Kvitova gefährlich werden.
4. Agnieszka Radwanska
Radwanska bestätigte 2014 nicht die Form der beiden Vorjahre. Wenige Hochs, viele Tiefs: Lediglich in Montreal sprang ein Turniersieg heraus. Zudem unterlag die Polin oft im Ranking schlechter platzierten Spielerinnen.
Gerade in der zweiten Jahreshälfte haftet ihr eine unterirdische Bilanz an. In Peking und Wuhan erwischte es Radwanska jeweils schon in Runde zwei, genau wie bei den US Open. Ihre größte Anfälligkeit ist der Aufschlag. Gerade der zweite Aufschlag ist leicht angreifbar. Außerdem hadert Radwanska derzeit viel mit sich selbst und scheint vorerst nicht aus diesem Tief herauszukommen.
Auch wenn sie ausgeglichene Duelle erwartet, wäre ein Weiterkommen Radwanskas eine Überraschung: "Maria spielt derzeit großartig, ebenso Petra und Caroline. Die Chancen in jeder Partie stehen deshalb 50:50." Im direkten Vergleich mit ihren Gruppengegnerinnen steht sie bei 7-20, Tendenz fallend.
Radwanska ist zudem die einzige Spielerin in der Weißen Gruppe, die noch nie im Finale des Turniers stand. Zwar war sie schon sechs Mal bei den WTA-Finals mit von der Partie, dabei hat sie aber insgesamt nur fünf Matches gewonnen. Das wird wohl eher nichts.
Seite 1: Rote Gruppe - Williams nicht zu stoppen?
Seite 2: Weiße Gruppe - Sharapova vor dem großen Coup?
Die WTA-Tour 2014 im Überblick