"Ich war nie neidisch auf Steffi"

Bastian Strobl
05. November 201417:32
Anke Huber und Steffi Graf gewannen 1992 Seite an Seite den Fed Cupgetty
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Zwölf Turniersiege auf der WTA-Tour. Dazu der Titel im Fed Cup 1992. Und trotzdem stand Anke Huber während Ihrer Karriere immer im Schatten von Steffi Graf. Im Interview spricht die 39-Jährige über das Verhältnis mit der übermächtigen Landsfrau, Anna Kournikova und nimmt die aktuelle Generation um Andrea Petkovic, Angelique Kerber und Sabine Lisicki vor dem Fed-Cup-Finale gegen Tschechien in Schutz.

SPOX: Frau Huber, am Wochenende steht das Fed-Cup-Finale zwischen Deutschland und Tschechien an. Ihr Rücktritt liegt mittlerweile 13 Jahre zurück. Kribbelt es bei Ihnen trotzdem noch?

Anke Huber: Natürlich, das gehört einfach dazu, auch wenn meine aktive Karriere schon längst beendet ist. Aber ich habe den Fed Cup 1992 ja selber mal gewonnen, deswegen weiß ich ungefähr, wie sich unsere Mädels derzeit fühlen. Ich freue mich riesig auf das Finale und bin optimistisch, dass der Titel nach Deutschland geht.

SPOX: Sie sprechen Ihren Erfolg 1992 an der Seite von Barbara Rittner und Steffi Graf an. Wie hat sich das Renommee des Fed Cups über die Jahre verändert?

Huber: Der Fed Cup ist viel wichtiger geworden. Das liegt auch an der kompletten Struktur. Zu unserer Zeit wurden die Partien innerhalb einer Woche über die Bühne gebracht. Man hatte den Eindruck, dass es einfach schnell wieder vorbei sein soll. Das ist heutzutage ganz anders. Die Matches sind über das Jahr verteilt und bekommen zu Recht mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

SPOX: Was macht den Fed Cup besonders?

Huber: Es ist dieses ganz spezielle Gefühl, in einer Einzelsportart auf einmal auf andere Leute angewiesen zu sein. Normalerweise schaut man auf sich und das reicht. Doch das ist beim Fed Cup eben nicht der Fall. Daran muss man sich erst gewöhnen, weil man sein Schicksal nicht selber in der Hand hat und ein wenig abhängig ist. Auf der anderen Seite ist eine Niederlage noch kein Weltuntergang, weil die Kolleginnen es besser machen können.

SPOX: Wie groß war das Teamgefühl 1992?

Huber: Das ist natürlich schon lange her, ich war mit meinen 17 Jahren sehr jung und kann mich kaum noch erinnern. Aber wir hatten sicherlich nicht dieses Teamgefühl. Steffi hat meistens separat trainiert, das war schon etwas anderes. Es freut mich, dass sich unsere Mädels mehr miteinander beschäftigen.

SPOX: Beim deutschen Team sorgte vor allem die Nominierung von Sabine Lisicki für einige Diskussionen. Immerhin ist sie zum ersten Mal in diesem Jahr dabei und hatte dadurch keinen Anteil am Finaleinzug.

Huber: Das mag schon sein, aber sie ist nun mal die drittbeste Spielerin, die wir haben. Es wäre fährlässig gewesen, auf sie zu verzichten. Barbara (Teamchefin Rittner, Anm. d. Red.) wird sich sicherlich etwas dabei gedacht haben. Deswegen stellt sich für mich nicht die Frage, ob sie es verdient hat oder nicht. Am Ende kommt es auf den Erfolg an.

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SPOX: Wie schätzen Sie das Trio Lisicki, Angelique Kerber und Andrea Petkovic grundsätzlich ein?

Huber: Sie spielen alle relativ konstant. Natürlich sehnt sich jeder nach einem Grand-Slam-Sieg, aber das ist nun mal noch eine ganz andere Sache. Dafür muss so viel passen. Aber ich sehe die Situation nicht so schwarz, wie sie von manchen beschrieben wird. Sabine war in Wimbledon wieder gut dabei, Petko hat bei den French Open überzeugt und ist immerhin bis ins Halbfinale gekommen.

SPOX: Trotzdem hat man den Eindruck, dass es für den ganz großen Wurf nicht reichen wird.

Huber: Aber genau das ist das Problem. Die Öffentlichkeit muss aufhören, der guten, alten Zeit mit Graf, Becker und Stich nachzutrauern. Das wird nicht mehr wiederkommen, wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Man sollte vielmehr das zu schätzen wissen, was wir haben.

SPOX: Macht denn die nächste Generation in Deutschland Hoffnung?

Huber: Nun ja, es ist schwer, bei jeder Generation eine Top-Ten-Spielerin dabei zu haben. Da muss man realistisch bleiben. Aber mit Carina Witthöft, Anna-Lena Friedsam und Antonia Lottner stehen wir sicherlich nicht so schlecht da.

SPOX: Zumindest scheint der DTB aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben, als nach Steffi Grafs und Ihrem Rücktritt das Damen-Tennis brach lag.

Huber: Zu unserer Zeit hat man es verschlafen, mehr für die Jugendarbeit zu tun, das steht außer Frage. Die 90er Jahre wären prädestiniert dafür gewesen. Wer weiß, vielleicht würde jetzt vieles ganz anders aussehen. Aber die letzten Jahre machen wieder mehr Hoffnung.

SPOX: Man merkt, dass Ihnen der Tennissport weiterhin am Herzen liegt, auch durch Ihr Engagement beim WTA-Turnier in Stuttgart. Fühlten Sie sich nach Ihrem Rücktritt verpflichtet, dem Sport etwas zurückzugeben?

Huber: Verpflichtet ist das falsche Wort. Tennis war und ist nun mal mein Leben. Ich habe es immer geliebt, auf dem Platz zu stehen. Damit habe ich mein Geld verdient, deswegen bestand für mich kaum ein Zweifel, dass ich mich auch nach der Karriere engagieren will.

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Seite 2: Huber über ihr Image, Steffi Graf und Anna Kournikova

SPOX: Lassen Sie uns ein wenig über Ihre Laufbahn sprechen. Sie konnten insgesamt zwölf Turniere auf der WTA-Tour gewinnen, dazu unter anderem der Finaleinzug bei den Australian Open 1996. Haben Sie das Optimum aus Ihren Möglichkeiten herausgeholt?

Huber: Das ist eine schwere Frage, wahrscheinlich hätte ich auch mehr erreichen können. Im Nachhinein denkt man sich immer, dass man gewisse Sachen anders hätte angehen können.

SPOX: Zum Beispiel?

Huber: Im mentalen Bereich hatte ich sicherlich noch Luft nach oben, die eine oder andere Pause mehr hätte mir auch gut getan. Meistens sind es Kleinigkeiten, die aber große Wirkung erzielen. Aber ich bin grundsätzlich ganz zufrieden, wie es gelaufen ist.

SPOX: Wenn man über Anke Huber spricht, fällt zwangsläufig auch der Name Steffi Graf. Wie schwer war es, in ihrem Schatten zu stehen?

Huber: Es war keine einfache Situation. Sie war übermächtig, hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Auf der anderen Seite habe ich mit der Zeit gelernt, auch die Vorteile zu erkennen. Dank Steffi haben wir viel mehr Aufmerksamkeit bekommen, Tennis hat die Massen bewegt. Deswegen sehe ich es nicht so negativ, wie einige vielleicht denken mögen.

SPOX: Spielte Neid eine Rolle?

Huber: Nein, ich war nie neidisch auf Steffi und ihren Erfolg. Ich werde nicht leugnen, dass ich gerne so viele Titel geholt hätte wie sie. Aber das ist auch menschlich. Abgesehen davon hat Steffi mich ja nicht davon abgehalten, ein Grand Slam zu gewinnen. Das hatte ich in meiner eigenen Hand.

SPOX: Sie wurden in den Medien früh als "nächstes deutsches Wunderkind" betitelt. Wie sind Sie mit den Erwartungen umgegangen?

Huber: Es gibt sicherlich ein einfacheres Umfeld, um auf der Tour Fuß zu fassen. Es hatte immer den Anschein, dass meine Erfolge nicht wirklich anerkannt wurden. Wenn ich mal in einem Grand-Slam-Halbfinale stand, dann aber scheiterte, hieß es immer: Warum hat sie das Turnier nicht gewonnen. Von Steffi war man das gewohnt, für die Medien zählten nun mal fast nur Titel.

SPOX: Im Laufe der Karriere wurde das Bild der jungen, braven Anke Huber kreiert.

Huber: Darüber musste ich immer schmunzeln, denn ich habe mich persönlich nie als so brav empfunden.

SPOX: Dennoch gab es Geschichten, wie Ihr erster Trainer Boris Breskvar Ihnen beispielsweise bei den Hausaufgaben half.

Huber: Das sind auch so Geschichten, die ein wenig übertrieben dargestellt wurden. Meine Hausaufgaben habe ich alleine erledigt, auch meine Pullover konnte ich selber waschen (lacht). Aber es ist doch ganz normal, dass er für mich eine Art Vaterrolle eingenommen hat. Ich war zu dieser Zeit als Teenager viel unterwegs und brauchte eine Bezugsperson.

SPOX: Provokant gefragt: Waren Sie zu brav für den Tennissport?

Huber: Das sollen andere entscheiden. Ich wurde nun mal so erzogen, die große Show war nie meine Sache. Man darf dabei aber auch Steffi nicht vergessen. Sie war für alle ein Vorbild, daran musste man sich orientieren, ansonsten hätte man sich automatisch ins Abseits manövriert. So etwas wie Petkos Tanz, den sie eine Zeit lange gezeigt, wäre bei den Medien damals sicherlich nicht gut angekommen.

SPOX: Das Thema Image ist heutzutage noch viel wichtiger als zu Ihrer Zeit. Wobei auch damals mit Anna Kournikova eine Spielerin für Furore sorgte, die nicht unbedingt nur durch ihr Spiel auf dem Court bestach. Wie haben Sie die Russin gesehen?

Huber: Wir haben uns nicht wirklich um sie gekümmert. Das war eine andere Welt. Ich wollte auch nicht mit ihr tauschen. Und trotzdem hat sie ihren Platz gefunden. Man darf nie vergessen, dass sie auch ihren Beitrag geleistet hat. Kournikova war gut für das Tennis - und sie konnte ja auch ganz ordentlich davon leben. (lacht)

SPOX: Bei Kournikova hatte man oft den Eindruck, das hinter der ganzen Maschinerie ein großes Team mit viel Einfluss stand. Wurden die Spielerinnen mit der Zeit immer unselbstständiger? SPOX

Huber: Es stimmt, mittlerweile müssen sie kaum noch etwas selber machen. Ich würde aber den Einfluss des Managements nicht zu hoch hängen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Berater sehr vorsichtig sind und immer Gefahr laufen, gefeuert zu werden, wenn sie irgendetwas Falsches sagen. Sie haben eher Angst vor den Spielerinnen.

SPOX: Sie bekommen die Creme de la Creme als sportliche Leiterin in Stuttgart hautnah mit. Wie schwer ist es denn, die Maria Sharapovas der Welt zufrieden zu stellen?

Huber: Einfacher als viele denken! Maria ist zum Beispiel sehr umgänglich. Stuttgart ist mittlerweile sehr beliebt, die Sportlerinnen wissen, was sie an unserem Turnier haben. Und wir versuchen natürlich alles, ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

SPOX: Kann man denn Vergleiche zwischen Ihrer heutigen Aufgabe und der aktiven Karriere ziehen?

Huber: Es ist etwas ganz anderes. Als ich auf der Tour durch die Welt reiste, war ich das ganze Jahr über unter Strom. Für den Porsche Tennis Grand Prix geht es meistens erst in den Wochen davor richtig zur Sache, und natürlich während des Turniers. Aber es ist eine andere Art von Stress.

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