"Von Glamour ist da keine Spur"

Christian Rapp
21. Januar 201510:16
Carina Witthöft ist in diesem Jahr wieder bei den Australian Open dabeigetty
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Carina Witthöft gilt als das größte Talent Deutschlands - und erlebt trotzdem auch die harte Realität im Tennis-Zirkus. Im Interview spricht die 19-Jährige kurz vor Beginn der Australian Open über einen Schnappschuss mit Roger Federer, ein Training ohne Mitleid und erklärt, warum sie nicht mit ihrem Aussehen überzeugen will.

SPOX: Carina, die Australian Open stehen vor der Tür und Sie sind zum ersten Mal in Ihrer Karriere direkt für das Hauptfeld qualifiziert. Gehen Sie dadurch entspannter an die Sache ran?

Carina Witthöft: Erst mal freue ich mich riesig, wieder dabei zu sein. Aber was heißt entspannter? Ich reise nach Melbourne, um eine gute Leistung abzuliefern. So würde ich an die Qualifikation herangehen, und mit diesem Gedanken werde ich auch in der ersten Runde antreten. Ich möchte immer gewinnen.

SPOX: Im letzten Jahr mussten Sie sich in Melbourne noch durch die Qualifikation kämpfen. In der ersten Runde war zwar bereits Schluss, aber zumindest gab es als Lohn einen kleinen Schnappschuss mit Roger Federer.

Witthöft: Es war etwas Besonderes, ihn zu treffen. Roger ist der beste Spieler der Welt, aber trotzdem super nett und total bodenständig. Er hat sich die Zeit für ein Bild genommen und sich grinsend neben mich gestellt. Ich habe ihn auch beim Training beobachtet. Er hat ständig Witze mit seinen Trainern und Partnern gemacht. Diese Lockerheit ist beneidenswert. Er liebt den Sport immer noch, das erkennt man ganz deutlich.

SPOX: Und wie sieht es mit den Damen im Tennis-Zirkus aus? Sind die auch so locker wie die Männer der Zunft?

Witthöft: Serena Williams habe ich auch nach einem Foto gefragt, aber es war etwas kompliziert und sie war in dem Moment wirklich schwer zu fassen. Aber das ist ok, die großen Spieler und Spielerinnen haben immer viele Verpflichtungen. Vielleicht ein anderes Mal!

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SPOX: Wenn man an Spieler wie Federer und Williams denkt, kommen einem neben den Leistungen auf dem Platz auch die großen Galas in den Kopf, die lukrativen Werbeverträge, die besten Hotels. Sie tingeln dagegen durch die Welt und nahmen bisher hauptsächlich an ITF-Turnieren teil. Wie sieht Ihr Alltag aus?

Witthöft: Es kommt darauf an, wo man spielt. In Deutschland sind die ITF-Turniere richtig gut organisiert. Die Unterkünfte und Plätze sind in einem Topzustand. Außerdem sind immer viele Zuschauer vor Ort.

SPOX: Und im Ausland?

Witthöft: Tja, da schaut es manchmal schon anders aus, zum Beispiel in Frankreich oder England. Oft liegen die Anlagen und Hotels fernab vom Schuss. Manchmal muss man zehn Minuten laufen, um überhaupt einen Supermarkt zu finden. Die Unterkünfte an sich sind auch nicht wirklich mit denen in Deutschland zu vergleichen. Dasselbe gilt für die Zuschauerzahlen. Der Alltag kann hart sein, von Glamour und Luxusleben ist da keine Spur.

SPOX: Für die breite Öffentlichkeit sind Sie noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Wie würden Sie Ihre Art, Tennis zu spielen, zusammenfassen?

Witthöft: Ich will Power-Tennis spielen. Von der Grundlinie aggressiv sein und Druck erzeugen, um dann relativ schnell auf den Punktgewinn zu gehen. Ich bin keine Defensivspielerin, das liegt mir nicht im Blut.

SPOX: Mit welcher Topspielerin würden Sie Ihr Spiel vergleichen?

Witthöft: Serena Williams und Maria Sharapova sind meine sportlichen Vorbilder. Von diesen beiden kann sich jede Spielerin eine Menge abschauen. Beide versuchen, das Spiel zu diktieren. Ihre Erfolge der letzten Jahre geben ihnen Recht. So viel kann man also nicht falsch machen, wenn man sich an ihnen orientiert.

SPOX: Sie haben Ihre Stärken beschrieben. Wo ist Ihr Spiel denn noch ausbaufähig?

Withöft: Momentan liegt der Fokus vor allem auf dem Fitnesstraining. In dem Bereich ist der Unterschied zur Weltelite sicherlich noch am größten. Alles Weitere behalte ich für mich. (lacht)

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SPOX: Mit dieser Herangehensweise haben Sie im letzten Jahr einen Riesensprung gemacht, vor allem im Sommer, als Sie eine Reihe ITF-Turniere gewinnen konnten. Sogar ein Erfolg gegen Urszula Radwanska, ein durchaus bekannter Name auf der WTA-Tour, war dabei. Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Witthöft: Ehrlich gesagt nein. Beim ersten Turniersieg kam ich einfach in einen Flow, alles erschien auf einmal ganz leicht. Dieses Selbstvertrauen habe ich dann in die nächsten Wochen mitgenommen. Aber ich würde das nicht an einen bestimmten Punktgewinn festmachen. Es war eher eine stetige Entwicklung.

SPOX: Eine Entwicklung, in der Sie einige Trainer getestet haben. Mittlerweile werden Sie wieder von Ihrer Mutter betreut, Ihr Vater macht als Betreuer das Familienunternehmen perfekt. Warum kam es zu dieser Entscheidung?

Witthöft: Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es mit meiner Mutter am besten funktioniert - die Ergebnisse bestätigen dies. Ich fühle mich mit ihr an meiner Seite bei Turnieren oder im Training aktuell am wohlsten. Und auf Reisen ist es gut, wenn meine Familie oder Vertrauenspersonen an meiner Seite sind. Nur mit dem Trainer zu reisen, wie es einige andere Spielerinnen machen, wäre nicht mein Ding.

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SPOX: Bevor Sie zu Ihrer Mutter zurückkehrten, stagnierten Ihre Leistungen. Was lief damals falsch?

Witthöft: Da haben sicherlich mehrere Faktoren mitgespielt. Ich habe zu der Zeit mein Abitur gemacht, das war recht zeitintensiv. Tennis stand nicht mehr unangefochten ganz oben auf der Liste. Danach habe ich dann genau das Gegenteil erlebt. Ich stand sechs Monate lang fast durchgehend auf dem Platz, das war eine riesige Umstellung für mich, vor allem körperlich. Ich war schlicht etwas überspielt und habe im Trainingsalltag keine feste Struktur gehabt.

SPOX: Was hat gefehlt?

Witthöft: Es waren verschiedene Sachen. Vor allem aber habe ich eine feste Trainingsplanung und Selbstdisziplin gebraucht. Heute trainiere ich in turnierfreien Wochen regelmäßig von montags bis samstags in jeweils zwei langen, intensiven Einheiten. Zusätzlich mache mehrfach in der Woche Fitnessübungen und habe meine Ernährung angepasst.

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SPOX: Bei Ihrer Mutter scheinen Sie nun wieder Ihr Glück gefunden zu haben. Welche Rolle spielt dabei auch Ihr Freund, der Sie als Konditionstrainer auf Vordermann bringt?

Witthöft: Es ist natürlich wichtig, dass ich auch körperlich auf einem Top-Niveau bin. Aber glauben Sie nicht, dass er nachsichtig ist. Auf dem Platz ist er nur Trainer, das regt mich auch manchmal auf. (lacht) Aber es wäre falsch, wenn er zu lasch mit mir umgehen würde, nur weil wir zusammen sind.

SPOX: Sie können also das Sportliche vom Privaten trennen?

Witthöft: Das bekomme ich eigentlich ganz gut hin. Als mein Trainer darf er kein Mitleid mit mir haben, nur weil ich nicht mehr kann. Ich muss ihm eher dankbar sein, dass er so hart zu mir ist. Schließlich macht er mich besser. Wenn wir nur die Hälfte der Übungen abspulen würden, weil er Mitleid mit meinem Gejammer hätte, würde es ja nichts bringen.

SPOX: 2013 schauten Sie auch zweimal bei der Nick Bollettieri Academy in Florida vorbei. Der Amerikaner gilt als Trainer-Guru und formte unter anderem Andre Agassi und Maria Sharapova zu Weltstars. Wie groß war die Ehrfurcht?

Witthöft: Am Anfang hatte ich schon etwas Angst. Man muss sich nur vor Augen führen, welche Spieler bei ihm schon trainiert haben. Aber er war unglaublich nett, die Ehrfurcht ist schnell verflogen.

SPOX: Wie sehen Bollettieris Trainingsmethoden aus?

Witthöft: Die Übungen sind sehr speziell, das ist schon Geschmackssache. Es wird dort nicht individuell trainiert, sondern immer im Team. Das läuft beinhart ab. Wenn man nicht mehr kann, muss man trotzdem immer weiter machen. Es wird ein bestimmtes Programm vorgegeben, welches jeder durchziehen muss. Das ist eben die Philosophie. Ich bevorzuge eher das individuelle Training, das bringt mir persönlich mehr.

SPOX: Den sehr strukturierten Alltag dürften Sie aber immerhin gewohnt gewesen sein. Sie sind auf die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg in Hamburg gegangen. Wie kann man sich die dortige Ausbildung vorstellen?

Witthöft: Ohne die Eliteschule hätte ich es nicht geschafft, den Sport mit der schulischen Ausbildung zu kombinieren. Das Zusammenspiel war perfekt und ich konnte mich parallel zur Schule ausreichend auf meinen Sport fokussieren. Außerdem bekam ich für Turniere frei, außer natürlich während der Abiturzeit.

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SPOX: Wie sah ein normaler Tagesablauf denn aus?

Witthöft: Wir hatten morgens vier Mal in der Woche Training. Dadurch hatten wir erst um 10 Uhr Schule. Nach dem Unterricht stand dann wieder Training auf dem Stundenplan. Auf einer normalen Schule wäre das kaum möglich gewesen. Die Eliteschule war eine große Unterstützung für meine Karriere und meinen Traum, Tennisprofi zu werden.

SPOX: Dieser Traum hat Sie bis auf Platz 104 der WTA-Weltrangliste geführt hat. Wo soll die Reise hingehen?

Witthöft: Ich habe große Ziele, aber ich denke von Schritt zu Schritt. Mein nächstes Ziel ist es, mich in den Top 100 zu etablieren, gute Turnierergebnisse einzufahren und mich an den reiseintensiven Tour-Alltag zu gewöhnen. Ich glaube, dass wenn ich mich stetig weiter entwickle, weiter hart arbeite und gut spiele, dass ich auch die nächsten Etappenziele meiner Karriere erreichen werde.

SPOX: Was auf dem Weg nach oben nicht unbedingt schaden kann, das hat die Vergangenheit gezeigt, ist ein hübsches Aussehen.

Witthöft: Für mich steht immer der Sport im Vordergrund. Ich möchte mit meinem Spiel überzeugen und nicht mit meinem Aussehen, sonst könnte ich mich ja als Model versuchen. Bei den Sponsoren ist es bestimmt nicht verkehrt, wenn man hübsch ist. Aber da müssen Sie mein Management fragen. (lacht)

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SPOX: Viele Experten sehen Sie bereits als Teil einer neuen Generation im deutschen Damen-Tennis. Wie schätzen Sie die momentane Situation ein?

Witthöft: Sie könnte meiner Meinung nach kaum besser sein. Wir haben so viele gute deutsche Spielerinnen wie lange nicht mehr. Angelique Kerber ist seit Jahren schon konstant in den Top 10. Andrea Petkovic und Sabine Lisicki machen ihre Sache auch gut und haben schon große Erfolge gefeiert. Im Bereich um die Platz 50 haben wir Annika Beck, Mona Barthel und Julia Görges. Jetzt sind noch Anna-Lena Friedsam und ich dazu gekommen. Es sieht ziemlich rosig aus für das deutsche Tennis.

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