Dominik Koepfer ist hinter Alexander Zverev und Jan-Lennard Struff aktuell der drittbeste deutsche Tennisspieler auf der ATP Tour. Vor dem Start der French Open am Sonntag (jeden Tag im LIVETICKER) spricht der 27-Jährige im interview mit SPOX über seinen Karriereweg, die mentalen Herausforderungen für einen Tennisprofi in der Corona-Pandemie und Ex-NFL-Superstar Drew Brees.
Außerdem erzählt Koepfer von seinen Erfahrungen mit Rafael Nadal und Novak Djokovic und erklärt seine Leidenschaft für Mathematik.
Herr Koepfer, wenn man über Ihr Instagram-Profil fliegt, fällt auf, dass Sie immer mal wieder Fischen gehen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Dominik Koepfer: Mein Trainer Rhyne Williams ist ein ziemlicher Fisch-Freak. Mit ihm bin ich zweimal in Florida aufs Meer rausgefahren, was natürlich deutlich mehr Spaß macht, als nur am Ufer zu stehen und die Angel reinzuwerfen. Da fängt man auch einiges und sieht unterwegs ein paar Haie, da ist einem einiges geboten. Das Angeln gibt mir ein bisschen Ablenkung vom Tennis, auch wenn es mir selbst persönlich gar nicht mal so Spaß macht. (lacht) Ein- oder zweimal im Jahr geht's schon, aber es ist halt zäh und dauert lange. Wenn du morgens um fünf schon aufs Wasser musst und dann bis abends um sieben noch auf dem Wasser bist, bist du am Ende ganz schön kaputt.
Welche Leidenschaften verfolgen Sie abseits des Tennis-Courts?
Koepfer: Viel hat schon mit Sport zu tun. Seitdem ich in Tampa wohne, verfolge ich die NHL - die Tampa Bay Lightning haben hier im vergangenen Jahr auch den Stanley Cup gewonnen. Sonst schaue ich gern American Football und natürlich die Bundesliga.
Was ist denn Ihr Lieblingsteam in der NFL?
Koepfer: Ich war immer Fan von Drew Brees, weil ich in New Orleans zur Uni gegangen bin. Dort waren die Saints eine Kultur, da hat jeder die Spiele gelebt und das Leben in der Stadt hat am Spieltag stillgestanden. Brees hatte eine riesige Ausstrahlung auf unsere Stadt.
Im Februar 2020 haben Sie Dirk Nowitzki auf der Challenger Tour in Dallas getroffen. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
Koepfer: Er war kurz auf dem Platz und hat mich begrüßt, das war ziemlich cool. Ich habe ihn leider selbst in seiner Zeit bei den Mavericks nie spielen gesehen, aber habe bereits als kleiner Junge natürlich verfolgt, wie er die Championship gewonnen hat.
Dominik Koepfer: "Ich habe in meine Karriere investiert"
Was die sportlichen Leidenschaften angeht, sind Sie sicher auch durch Ihre Zeit am College in den USA geprägt worden.
Koepfer: Auf jeden Fall. Ich war 18 und hatte gerade erst mein Abitur abgeschlossen. Der Schritt ans College war die offensichtlichste Entscheidung, die ich hätte treffen können, weil ich im Juniorenbereich einfach nicht gut genug war. Ich habe meinen Schwerpunkt damals auch nicht unbedingt aufs Tennis gelegt und viele Sachen noch nebenbei gemacht.
Und wie haben Sie dann den Schritt vom College in den Profibereich geschafft?
Koepfer: Am College hatte ich das Glück, dass sie mir im Nachhinein finanziell geholfen haben, da man bei den kleineren Turnieren noch nicht so viel verdient. Zudem hatte ich das Glück, dass ich gleich von Anfang an mit einem Trainer reisen konnte. Glück gehört dazu. Ich habe zum richtigen Zeitpunkt gut gespielt, bin verletzungsfrei geblieben und immer wenn es einen Schritt nach oben ging, habe ich weiter in meine Karriere investiert. Ich habe das Geld also nicht auf die Seite gelegt, sondern in Trainer oder einen Physiotherapeuten gesteckt.
In zwei Jahren ist Ihnen zuerst der Sprung in die Top 100 und dann in die Top 50 gelungen. Wie weit kann es noch gehen?
Koepfer: Die Top 10 oder Top 20 sind natürlich das Endziel, da fehlt aber noch ein bisschen was. Ich habe Resultate, die sich sehen lassen können, ich habe Top-10-Spieler geschlagen und auch mit den ganz Großen mithalten können. Aber es ist schwer, jede Woche die gleiche Leistung abzurufen, was bisher auch noch der Unterschied nach ganz oben ist. Ich habe, vor allem mental, einfach noch nicht so die Konstanz gefunden. Nach dem Erreichen der Top 50 will ich weiter nach oben und mich nicht mit meinen bisherigen Leistungen zufrieden geben.
Dennoch kann man festhalten, dass Sie in den vergangenen Jahren einen riesigen Sprung auf mentaler Ebene gemacht haben.
Koepfer: Ja, wenn man Matches von vor vier Jahren, vom College oder auch aus dem Juniorenbereich anschaut, dann sieht man schon riesige Fortschritte, die ich mit meinem Mentaltrainer gemacht habe. Es sind kleine Schritte in die richtige Richtung, aber das klappt nicht in jedem Match. Manchmal ist auch von außen auch nicht immer zu sehen, was im Kopf abgeht.
Können Sie sich in diesem Thema auch etwas von den Top-10-Spielern abschauen?
Koepfer: Rafael Nadal zum Beispiel zeigt fast nie eine negative Reaktion auf dem Court. Nach jedem verlorenen Punkt sieht er fast so aus wie nach einem gewonnenen Punkt. Genau da will ich auch hinkommen. Ich würde sagen, bei ihm schaue ich am liebsten zu, denn er ist ein richtiger Kämpfer, gibt nie auf und ist mental brutal stark. Bei den Grand Slams ist er immer bereit. Es zeichnet ihn aus, dass er bei den großen Turnieren immer da ist und ein anderes Level findet, wenn es drauf ankommt. Er bringt auf dem Trainingsplatz immer die gleiche Intensität. Man könnte sagen, dass bei ihm jeder Trainingstag auch Matchtag ist. Und wenn Nadal neben dir in der Umkleide sitzt, dann ist das immer noch ein komisches Gefühl. Da merkt man schon, dass Djokovic, Federer und er auf einem anderen Level sind als wir restlichen Spieler. Da hat man einfach Respekt.
Wer ist Ihrer Meinung nach der G.O.A.T?
Koepfer: Das ist schwer zu beantworten. Ich würde Djokovic, Federer und Nadal schon auf eine Ebene stellen. Die Drei haben sich gegenseitig immer wahnsinnig gepusht. Am Ende seiner Karriere wird Djokovic die meisten Grand Slams gewonnen haben, was aber nicht bedeutet, dass er der Beste aller Zeiten ist.
Wie haben Sie Djokovic persönlich kennengelernt?
Koepfer: Im vergangenen Jahr stand ich ihm das erste Mal im Hauptfeld der Australian Open gegenüber. Da hatte ich ein bisschen Schiss, aber er war wirklich ein cooler Typ, sehr nett und hat mich nach meiner College-Zeit gefragt. Er ist ein ganz normaler Tennisspieler wie ich und lebt ein ganz normales Leben.
getty"Ich musste mein Hirn anstrengen - das fehlt mir auf der Tour"
Von einem ganz normalen Leben ist die Welt in der Pandemie weit entfernt. Die mentale Belastung war sicher auch im vergangenen Jahr für Sie deutlich höher. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?
Koepfer: Natürlich bin ich dankbar, dass ich weiterhin Tennis spielen kann und einen Job habe. Aber es war für mich nicht immer leicht, allein zu sein, auch wenn ich gemeinsam mit meinem Trainer und Physiotherapeuten reise. Durch die Pandemie ist es natürlich insgesamt noch schwerer geworden: Man lebt in Bubbles und darf sich nur im Hotel oder auf der Anlage aufhalten, man hat viel Zeit, die man im Hotelzimmer totschlagen muss. Ich zum Beispiel trainiere zwei Stunden am Tag, gehe zwei Stunden ins Gym und dann sind es aber immer noch zehn Stunden, bis ich wieder schlafen muss. Wir konnten ja nicht mal in den Supermarkt.
Wie Sind Sie damit umgegangen?
Koepfer: Ich habe Sachen gesucht, die mir Spaß machen und mich vom Tennis ablenken. Beispielsweise habe ich angefangen, Spanisch zu lernen, aber das ist nicht so leicht, wenn man vorm Computer sitzen und die Wörter lernen muss. Man braucht mehr Willen. Denn es ist ein Unterschied, wenn man im jeweiligen Land ist oder von einem Lehrer unterrichtet wird.
Ihr Lieblingsfach in der Schule war Mathe, das hört man nicht oft. Zudem erwarben Sie am College einen Bachelor in VWL. Würden Sie sagen, dass Sie zu den intelligenteren Spielern auf der ATP Tour gehören?
Koepfer: Ja, auf jeden Fall. (lacht) Manchmal ist das aber auch ein Nachteil, weil es manchen nichts ausmacht, den ganzen Tag nichts zu machen. Das war am College anders: Du hattest Uni, Social Life und Tennis zur gleichen Zeit. Auch wenn es manchmal stressig war, hattest du immer etwas zu tun und du hast den Kopf freibekommen - was denke ich auch ein Grund war, wieso ich mich da so gut weiterentwickelt habe. Ich musste mein Hirn manchmal anstrengen und das fehlt mir hier auf der Tour.
Welche Gedanken haben Sie zu Ihrem Konkurrenten Benoit Paire, der in der Pandemie sehr offen mit seinen mentalen Problemen umgeht?
Koepfer: Benoit Paire hatte ja vor der Pandemie schon immer seine kleinen Auf und Abs. Er hatte immer wieder ein paar Aussetzer in seinen Matches. Ich verstehe, was er sagt, Tennis mit Fans macht einfach mehr Spaß. Das ist auch der Grund, warum die meisten von uns mit diesem Sport begonnen haben. Das ist auch eine große Komponente, warum wir jeden Tag trainieren und im Gym hart arbeiten. Ich bin aber auch noch nicht so lange dabei, seit zwei Jahren spiele ich in den Top 100 und kann die größeren Turniere spielen. Das hilft mir gegenüber den älteren Spielern, die zehn Jahre lang andere Sachen gewöhnt waren und vielleicht ein bisschen durch sind im Kopf.
Wir haben über Ihren College-Weg gesprochen. Welche Vorteile sehen Sie denn in der amerikanischen Talentförderung gegenüber der deutschen?
Koepfer: Universitäts-Sport gibt es in Deutschland einfach nicht, das ist in den USA ganz anders, da ist so viel Geld im Sport. Das war eine sehr professionelle Umgebung. Wir hatten Trainer, Physiotherapeuten und Krafttrainer für das gesamte Team. Außerdem hat es geholfen, zu acht mit Gleichaltrigen in einer Teamatmosphäre zu trainieren, was für mich in Deutschland nicht möglich gewesen wäre. Ich hätte studieren oder Futures für mich alleine in Antalya oder Ägypten spielen müssen.
Warum wurden Sie vom DTB nie groß gefördert?
Koepfer: Ich bin persönlich früher nie wirklich in den Mittelpunkt gerückt, weil ich selber nicht so viel gespielt habe. Die meisten anderen Jungs trainieren in jungen Jahren schon jeden Tag, ich habe dann aber viele andere Sachen gemacht und wurde vom DTB auch nie wirklich gefördert, weil ich im Ranking nie gut genug war. Ich bin bei meinen ersten deutschen Meisterschaften ins Finale gekommen, habe Europameisterschaften in Moskau gespielt, aber sonst war ich einfach weit davon entfernt, gefördert zu werden.
Sehen Sie die fehlende Unterstützung als Kritikpunkt?
Koepfer: Nein. Irgendwie müssen sie ja ihre Kriterien setzen und wenn ich mich dagegen entscheide, jedes Turnier zu spielen, dann ist das mein Problem. Aber gerade in jungen Jahren kann man selten abschätzen, wer es mal nach oben schaffen wird. Alle damaligen Top-5-Spieler aus meinem Jahrgang haben aufgehört, außer Daniel Masur und ich. Wenn du die Junioren-Nr. 1 bist, heißt das nicht, dass du bei den Herren in die Top 100 kommst. Da hat man viele Fälle gesehen, wo das nicht der Fall war. Es ist schwer, für die Verbände zu entscheiden, wen sie supporten, weil die Entwicklung der jungen Spieler schwer vorherzusagen ist. Deswegen kann ich ihnen persönlich keine Vorwürfe machen.
Ist die Entscheidung für eine professionelle Tenniskarriere für einen jungen Menschen heute zu riskant?
Koepfer: Auf jeden Fall. Das war auch ein Grund, warum ich dann an die Uni gegangen bin und den Bachelor machen wollte. Es hat mir den Druck genommen. Die meisten machen mit 15 oder 16 Jahren Homeschooling und setzen alles auf Tennis. Doch wenn das nicht klappt, haben sie nach dem Tennis nichts. Dann ist meistens die einzige Option, Tennistrainer zu werden. Viele wollen das, aber ich wollte es nicht. Tennis war vordergründig mein Hobby. Ich hatte immer den Traum, Profi zu werden, aber es war einfach unrealistisch, weil ich nicht gut genug war und nicht genügend gespielt habe, um eine Chance zu haben.
Welches Mindset muss man als junges Talent heute mitbringen, um im Profigeschäft bestehen zu können?
Koepfer: Ich denke, es ist hilfreich, wenn man eine breite Faszination für Sport mitbringt. Wenn man mit 14 Jahren schon sieben Mal die Woche Tennis spielt, dann glaube ich nicht, dass man noch mit 18 Jahren Bock hat, Tennis zu spielen. Das ist einfach sehr selten. Viele Jungs aus meinem Jahrgang hatten mit 17 oder 18 Jahren einfach keine Lust mehr oder keine Motivation mehr, besser zu werden. Deswegen ist es wichtig, als Jugendlicher Sachen zu machen, die einem Spaß machen. Natürlich gibt es Tage, an denen ich Tennis hasse, ich denke das ist ganz normal, aber im Großen und Ganzen bin ich trotzdem froh, dass ich noch Tennis spielen kann.
Am Ende geht sicher auch jeder Sportler seinen eigenen Weg.
Koepfer: Genau. Natürlich gibt es Leute wie Sascha Zverev, bei dem man schon mit 15 Jahren gesehen hat, dass er es ganz nach oben schafft. Aber das sind Ausnahmen. Am College konnte jeder einfach spielen und es wurde viel trainiert. Aber ich denke der College-Weg ist in Deutschland noch nicht so respektiert.
gettyDominik Koepfer: "Spätzle und Schnitzel sind noch ganz oben"
Zu Beginn Ihrer Karriere hatten Sie immer wieder Probleme mit der Ernährung. Kommen Sie heute besser damit klar?
Koepfer: Spätzle und Schnitzel sind auf jeden Fall noch ganz oben und Hersheys schmeckt mir immer noch. Generell hat es sich aber ein bisschen geändert. Ich muss sehr darauf achten, was ich esse. Je weiter oben ich im Ranking stehe, desto mehr kommt es auf Kleinigkeiten an. Der Körper ist mein Kapital - ohne ihn kann ich nicht spielen.
Nach einem guten Turnier belohnen Sie sich dennoch mit einer Tafel Schokolade.
Koepfer: Ja, nach einem guten Turnier gibt es auch mal einen Burger oder so. Ich versuche, auf die Ernährung zu achten, hundert Prozent streng bin ich da aber nicht.
Abschließend: Welche Ziele haben Sie sich für die anstehenden French Open gesetzt?
Koepfer: Ich habe auf jeden Fall den Anspruch, ein paar Runden zu gewinnen. Es kommt natürlich immer auf die Auslosung drauf an, aber ich kann eigentlich mit allen mitspielen. Wenn ich körperlich fit bin, ist auf jeden Fall etwas drin. Die dritte oder vierte Runde ist das Ziel.
Wenn es um Erwartungen geht: Inwieweit hängt Ihnen Ihr US-Open-Run von 2019 noch nach?
Koepfer: Ich denke auf jeden Fall noch manchmal daran, aber es gibt mir eher den Glauben daran, dass ich es nochmal schaffen kann. Es hilft mir in den entscheidenden Situationen, wieder den Glauben zu finden. Der Erfolg war damals natürlich ziemlich unerwartet. Danach war vieles neu und ich habe mehr Aufmerksamkeit bekommen, aber wenn man sich im Ranking weiter nach oben schiebt, kommt das automatisch.
Dominik Koepfer: Seine ATP-Karriere in Zahlen
Statistik | Wert |
ATP-Ranglistenplatz | 57 (beste Platzierung: 50) |
Preisgeld | 1,3 Millionen Euro |
Siege | 21 |
Niederlagen | 24 |