In seiner Rolle als Spielverderber bei der Rekordjagd der Superstars fühlt sich Daniil Medvedev pudelwohl. "Es ist witzig", sagte der Russe, "dass ich schon wieder gegen jemanden spiele, der den 21. Grand-Slam-Titel holen will." Im September hatte Medvedev bei den US Open Novak Djokovic kurz vor dem historischen Triumph ein Bein gestellt - und mit Rafael Nadal will er es im Finale der Australian Open genauso machen.
"Ich bin glücklich über die Chance, wieder jemanden daran hindern zu können, Geschichte zu schreiben", erzählte die Nummer zwei der Welt vor dem Finale am Sonntag (9.30 Uhr MEZ im LIVETICKER) gegen den spanischen Ausnahmespieler: "Ich schätze, letztes Mal hat Rafa daheim zugeschaut. Und ich denke, Novak wird am Sonntag auch zuschauen."
Denn wieder einmal steht Tennis-Geschichte auf dem Spiel.
Ein Sieg würde für Nadal den 21. Grand-Slam-Erfolg bedeuten, mit dem er in der ewigen Bestenliste seine großen Rivalen Djokovic und Roger Federer (bisher alle 20) hinter sich lassen würde. Und er wäre erst der vierte Mann nach Djokovic, Rod Laver und Roy Emerson, der bei allen vier Majors mindestens zweimal triumphiert.
Nach Verletzung: Nadals "unglaubliche" Rückkehr
Aber so bedeutend dieser Meilenstein auch wäre - Nadal gibt sich zumindest nach außen völlig unbeeindruckt. Der alleinige Rekord, das betont der 35-Jährige dieser Tage in Melbourne fast gebetsmühlenartig, spiele sowieso nur eine untergeordnete Rolle für ihn.
"Es ist überraschend für mich, wieder auf diesem Niveau zu spielen und gegen die besten Spieler der Welt anzutreten", sagte Nadal nach dem Einzug in sein 29. Grand-Slam-Finale: "Für mich ist das etwas Unglaubliches." Denn noch vor zwei Monaten hatte er große Zweifel gehabt, überhaupt wieder Profitennis spielen zu können.
Monatelang hatte eine hartnäckige Fußverletzung Nadal außer Gefecht gesetzt, er verpasste Wimbledon, die Olympischen Spiele und die US Open. Mit seiner Familie habe er sogar über einen möglichen Rücktritt gesprochen. "Jetzt bin ich hier und danke dem Leben dafür", sagte Nadal, der zudem im Dezember während der Saisonvorbereitung auch noch eine Corona-Infektion wegstecken musste.
"Am Ende des Tages, und da bin ich ganz ehrlich, ist es für mich viel wichtiger, Tennis spielen zu können, als die 21 zu gewinnen", erklärte der Sandplatzkönig: "Denn das macht mich im Leben glücklicher." Bislang konnte er einzig 2009 den Titel in Melbourne gewinnen, seither verlor er dort vier Finals.
AO-Finale: Medvedevs Chance auf die große Revanche
Doch auch für Medvedev steht Großes auf dem Spiel. Mit seinem zweiten Grand-Slam-Titel am Sonntag dürfte er im Februar Djokovic von der Spitze der Weltrangliste verdrängen - ein Vorhaben, zu dem auch der bereits im Achtelfinale gescheiterte Olympiasieger Alexander Zverev in Australien angetreten war. Der 25 Jahre alte Russe kann nun aber sogar als erster Mann in der Geschichte des Profitennis (seit 1968) auf seinen ersten Grand-Slam-Titel direkt beim nächsten Turnier den zweiten folgen lassen.
Im Halbfinale sorgte Medvedev mit Beleidigungen wie "Bist du verrückt?" oder "Bist du dumm?" in Richtung des Unparteiischen für Aufsehen. Anschließend wurde er von seinem Gegner und Tennis-Legende Boris Becker zurecht kritisiert. Einen Tag vor dem Final-Duell bekam Medvedev zudem von den Veranstaltern eine Strafe von rund 10.750 Euro aufgebrummt.
Und da wären ja auch noch Revanchegelüste. 2019 in New York hatte Medvedev sein erstes Major-Finale erreicht, bei den US Open holte er gegen Nadal einen 0:2-Rückstand auf, verlor dann aber trotzdem knapp in fünf Sätzen.
Auch die Scharte des verlorenen Melbourne-Endspiels gegen Djokovic im Vorjahr will er auswetzen - und als Spielverderber seine ganz eigene Geschichte schreiben.
Australian Open: Die Sieger der vergangenen fünf Jahre
Jahr | Sieger | Finalgegner |
2017 | Roger Federer | Rafael Nadal |
2018 | Roger Federer | Marin Cilic |
2019 | Novak Djokovic | Rafael Nadal |
2020 | Novak Djokovic | Dominic Thiem |
2021 | Novak Djokovic | Daniil Medvedev |