Großer Schock nach langem Warten: Boris Becker ist in seinem Prozess wegen des Vorwurfs des Fehlverhaltens während seines Insolvenzverfahrens teilweise schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen am Southwark Crown Court, knapp 15 Kilometer von Wimbledons Centre Court entfernt, kamen in vier der insgesamt 24 Anklagepunkte zu diesem Entschluss. Sie befanden die Tennis-Ikone am Freitag unter anderem wegen Nicht-Offenlegung von Besitztümern sowie Verschleierung von Schulden für schuldig. In den 20 übrigen Anklagepunkten wurde der dreifache Wimbledon-Sieger hingegen freigesprochen.
Das Strafmaß gegen Becker soll von Richterin Deborah Taylor am 29. April verkündet werden, dem 54-Jährigen droht im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe. Bis zur Urteilsverkündung wurde Becker auf Kaution frei gelassen.
Seit dem 21. März stand Becker an der Themse vor Gericht, im Prozess "The Queen v Boris Franz Becker" saß er zeitweise im Glaskasten und wehrte sich gegen die erhobenen Vorwürfe. Es ging um mangelnde Kooperation nach Beckers Zahlungsunfähigkeit 2017, um verschwundene Sporttrophäen, Immobilien und viel Geld. Am Mittwoch hatte sich die Jury dann zu Beratungen zurückgezogen, um die Antwort auf die Schuldfrage zu finden. Nun entscheidet Richterin Taylor über das Strafmaß.
Becker weist die Anschuldigungen zurück
Becker, sechsmaliger Grand-Slam-Sieger, hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Als Tennisprofi brillierte er einst als Angriffsspieler, besiegte seine Gegner mit seinem so typischen Serve and Volley. Im Gerichtsaal Nummer 3 fand er sich aber von Beginn an in der Defensive wieder.
Staatsanwältin Rebecca Chalkley klagte den einstigen Weltranglistenersten, der täglich von Lebensgefährtin Lilian De Carvalho Monteiro und in der entscheidenden Phase auch von Sohn Noah begleitet wurde, in einer für ihn aufwühlenden Verhandlung scharf an. Er habe absichtlich seine wahren Besitzstände verschleiert und das einzige Urteil in jedem Anklagepunkt könne nur "schuldig" lauten. Dies sah die Jury am Ende aber anders.
Neben dem angeblichen Zurückhalten seiner Wimbledon-Pokale und weiterer Trophäen in neun Fällen drehten sich die Vorwürfe etwa um Gelder aus dem Verkauf von Mercedes-Autohäusern. Vermeintlich verschwiegene Immobilienbesitztümer kamen dazu auf den Tisch, Aktien und Bankguthaben. Becker soll große Summen unter anderem auf Konten seiner früheren Ehefrauen Barbara und Lilly Becker überwiesen haben.
Becker? "Dieser Mann ist hoffnungslos mit Geld"
Beckers Anwalt Jonathan Laidlaw zeichnete in der Verteidigung das Bild eines Mannes, der seit seinem ersten Wimbledonsieg 1985 als 17-Jähriger ein außergewöhnliches Leben führe und in finanziellen Aspekten überfordert sei. "Dieser Mann ist ein hoffnungsloser Fall im Umgang mit Geld", sagte er. Becker sei zu vertrauensvoll und abhängig von seinen Beratern gewesen. Eine absichtliche Täuschung und den Vorwurf, die Behörden "an der Nase herumgeführt zu haben", bestritt er aber.
Becker war seit seinem Karriereende 1999 immer wieder mit der Justiz in Berührung gekommen. 2002 wurde er in München wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Jetzt wartet Becker in seiner Wahl-Heimat London darauf, ob er ins Gefängnis muss. Vor ihm liegen drei Wochen des Zitterns.