Nach 230 Tagen hinter Gittern ist Boris Beckers schwere Zeit in britischen Gefängnissen beendet. Der 55 Jahre alte frühere Tennis-Star, der seit April inhaftiert war, kann sein Leben nach der Ankunft in Deutschland als freier Mann neu aufbauen. Nach Spiegel-Informationen landete Becker am Nachmittag mit einem Privatjet der Firma "Air Hamburg" in München.
"Unser Mandant Boris Becker wurde aus der Haft in England entlassen und ist heute nach Deutschland ausgereist", bestätigte Beckers Anwalt Christian-Oliver Moser am Donnerstagnachmittag: "Damit hat er seine Strafe verbüßt und ist in Deutschland keinerlei strafrechtlichen Restriktionen unterworfen." Von weiteren Nachfragen bitte er "aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre" abzusehen. Auch Fragen nach Beckers Aufenthaltsort sowie etwaige Interviewanfragen würden nicht beantwortet.
Der sechsmalige Grand-Slam-Sieger profitiert von einem Verfahren, das den Druck auf die überfüllten britischen Haftanstalten lindern soll und muss den Rest seiner Strafe nicht mehr verbüßen. Zuletzt hatte er in Huntercombe bei Oxford gesessen, gegen 8.00 Uhr soll er laut der Bild-Zeitung am Donnerstag entlassen worden und dann zum Flughafen gebracht worden sein. Weihnachten kann der frühere Weltranglistenerste nun wohl mit seiner Mutter Elvira (87) und Freundin Lilian de Carvalho Monteiro (42) verbringen.
Becker war im Frühling zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden, von der er ursprünglich mindestens 15 Monate absitzen sollte. Ihm waren in seinem seit 2017 laufenden Insolvenzverfahren Vergehen zur Last gelegt worden. Dabei ging es um Millionensummen, eine vermeintliche Verschleierung von Besitztümern und Schulden. Becker hatte stets betont, nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben.
Boris Becker verlässt seine Wahlheimat
Jetzt verließ er im Rahmen des sogenannten "Fast-Track-Verfahrens" seine Wahlheimat, in der er seit 2012 lebte. Laut der Daily Mail ist es ein Vorgehen, das 2020 und 2021 bei mehr als 1100 Verurteilten Anwendung fand. Nun auch beim früheren deutschen Sportstar, der laut Experten auch in Deutschland weiter große Teile künftiger Einnahmen der Insolvenzmasse beifügen muss.
"Das englische Insolvenzverfahren hat in Deutschland weiter Wirkung, auch für seine Tätigkeiten und sein künftiges Vermögen", sagte Hans Fritsche, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht dem SID: "Es gibt eine gerichtliche Bekanntmachung von 2017, in der die Insolvenzverwalter aus England benannt sind."
Was Beckers in wiedergewonnener Freiheit vorhat, ist noch nicht bekannt. Aber das Interesse an seiner Geschichte ist enorm. Der Streamingdienst Apple+ kündigte eine zweiteilige Dokumentation an und zeigte erste Impressionen.
Darin spricht Becker mit stark geröteten Augen offenbar kurz vor Bekanntgabe des Strafmaßes im April in die Kamera. "Ich habe meinen Tiefpunkt erreicht", sagt Becker mit brüchiger Stimme: "Ich weiß nicht, wie ich damit umgehe. Ich werde mich dem stellen und mich nicht verstecken oder weglaufen." Er werde seine Strafe akzeptieren: "Es ist jetzt Mittwochnachmittag. Am Freitag werde ich den Rest meines Lebens kennen."
Becker: Steht ein TV-Interview an?
Über die Doku hinaus halten sich Gerüchte, Becker, der 1985 mit seinem Wimbledon-Triumph als 17-Jähriger Millionen Fanherzen eroberte, wolle sich in einem größeren TV-Interview äußern. Vor dem schweren Einschnitt hatte er als Fernseh-Experte für Eurosport und die britische BBC gearbeitet. Sein Amt als Head of Men's Tennis im Deutschen Tennis Bund hatte der Leimener Ende 2020 aufgegeben.
DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff kündigte jedoch bereits an, dass sich der Verband ein Engagement des einstigen Stars vorstellen kann. "Die Türen beim DTB stehen Boris Becker immer offen", sagte Hordorff: "Wenn er seine Strafe abgesessen hat, spricht nichts dagegen, dass er wieder eine Funktion übernimmt." Das Gebot der Resozialisierung gelte für jeden, also auch für Becker, der nun wieder ein freier Mann ist.