Andrea Giani hat den deutschen Volleyballern das Sieger-Gen verpasst und mit dem Team Geschichte geschrieben. Die erste EM-Medaille der Männer geht auf sein Konto.
Andrea Giani blickt immer nach vorn. "Die Vergangenheit interessiert mich nicht, es zählt nur die Gegenwart und die Zukunft", sagt der Bundestrainer. Ein Eintrag in den Geschichtsbüchern ist dem Italiener nach dem gewonnenen EM-Halbfinale der deutschen Volleyballer trotzdem sicher.
Bis dato hatte noch nie eine deutsche Männer-Mannschaft bei Kontinentalmeisterschaften Edelmetall gewonnen - unter Giani stürmte die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) in Krakau mit fünf Siegen ins Finale - und kann am Sonntagabend (20.00 Uhr) gegen Russland sogar Gold gewinnen.
Giani: Erfolgscoach
Schon 2015 hatte Giani Außenseiter Slowenien zu EM-Silber geführt, mit Deutschland wiederholte der frühere Weltklassespieler den Coup. "Ich habe die ganze Zeit an mein Team geglaubt. Der Trainer ist wichtig, er ist der erste, der an seine Mannschaft glauben muss. Nur so gewinnen wir die schwierigen Spiele: Wenn wir an uns glauben", sagt Giani.
Dabei waren die ersten Monate unter dem Italiener schwierig, das Team verpasste die Qualifikation für die WM 2018 und auch der avisierte Aufstieg in die höherklassige Gruppe 2 der Weltliga ging daneben. Doch Giani ließ sich nicht beirren. Schon früh wusste er, wie er aus der deutschen Mannschaft ein Gewinnerteam formen kann.
Unzählige Telefonate mit den alten Recken folgten, Giani überzeugte Diagonalangreifer Georg Grozer, Zuspieler Lukas Kampa, Außenangreifer Christian Fromm sowie die Mittelblocker Marcus Böhme und Michael Andrei, seinem Projekt eine Chance zu geben. Die Bedingung: Auszeiten für die gestandenen Spieler wie unter Vorgänger Vital Heynen würde es nicht geben. Nur wer die komplette Vorbereitung absolviert, darf auch zur EM.
Diese Konsequenz machte sich bezahlt. Vor allem, weil Giani ansonsten auf Talente aus der Bundesliga setzte. Youngster Tobias Krick beispielsweise, gerade 18 Jahre alt, rückte in die Startformation und machte seine Sache hervorragend.
Auch auf der Libero-Position entschied sich Giani für einen EM-Debütanten: Julian Zenger (19) - wie Krick bei den United Volleys RheinMain unter Vertrag. Beide zahlten das Vertrauen des Trainers mit teils überragenden Leistungen zurück. Gerade im Halbfinal-Krimi gegen Serbien (3:2) bewiesen die beiden Nervenstärke.
Die Breite des Kaders als Erfolgsrezept?
Doch ohne die Routiniers, die gerade in schwierigen Situationen das Team zusammenhielten, wäre die DVV-Auswahl niemals bis ins Endspiel gekommen. Das Erfolgsgeheimnis ist die Breite des Kaders: Giani kann sich auch auf seine Reservisten zu einhundert Prozent verlassen.
"Wir haben unsere Identität gefunden", sagt Giani, der nicht nur ein anderes Spielsystem als sein Vorgänger bevorzugt. Unter dem 47-Jährigen fand auch ein Mentalitäts- und Kulturwechsel statt. Schon vor der EM hatte Giani gefordert: "Wir müssen uns in jedem Spiel verbessern und unsere Qualität steigern."
Seine Spieler haben zugehört und sind bei dem Turnier in Polen als Mannschaft über sich hinausgewachsen. Gerade im Halbfinale, als das Team nach zwei verlorenen Sätzen vor dem Aus stand, bewies es Siegermentalität und Willenskraft. Dank Giani hielt die neu formierte Mannschaft dem Druck stand - die Zukunft kann kommen.