"Viele Ehen sind gescheitert"

Von Interview: Jonas Schuetzeneder
Jochen Behle beendete 1998 seine aktive Karriere im Langlauf
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SPOX: Sie waren als Bundestrainer maßgeblich an den Erfolgen von Angerer und Co. beteiligt. Wie haben Sie die Dominanz der Norweger gebrochen?

Behle: Da kommen viele Faktoren zusammen. Wir haben ein Fenster getroffen, in dem die Norweger etwas geschwächelt haben. Dann hatten wir mit den schon genannten Läufern und auch bei den Damen absolute Top-Talente, die hast du eben nicht jedes Jahr. Dazu kam dann dieser besondere Team-Spirit. So hat sich das entwickelt.

SPOX: Als Bundestrainer haben Sie gerne mal den Psycho-Krieg gegen die deutschsprachigen Norweger eröffnet: Sie brüllten zum Beispiel: Björgen lässt schon nach!

Behle: Ja, das gehört doch dazu. Wichtig ist, dass es fair bleibt. Und die Ansprachen am Hang sind sehr wichtig. Ich habe immer versucht, frühzeitig die Gesichter zu lesen. Und natürlich braucht jeder Sportler eine andere Ansprache. Angerer konnte man zum Beispiel sehr direkt motivieren, Teichmann hat es erst einmal aufgenommen und verarbeitet, dann reagiert. Auch als Kommentator warte ich immer mit Vorfreude auf die Großaufnahmen, die Gesichter verraten sehr viel.

SPOX: Und Ihre wichtigste Ansprache?

Behle: Schwer zu sagen. Vielleicht rund um die Damen-Staffel 2002 in Salt Lake City. Am Vorabend habe ich das Team noch darauf eingeschworen, dass wir Bronze holen können, wenn alles passt. Dann wurden die Russen plötzlich wegen Doping ausgeschlossen, die Italiener hatten sich ordentlich verwachst und wir liefen mit Norwegen um Gold. Das war wirklich unglaublich und sehr emotional. Und es war ein Stück weit auch der Startschuss für sehr erfolgreiche Jahre.

SPOX: Nach zehn Jahren und riesigen Erfolgen sind Sie 2012 zurückgetreten. Haben Sie ein sinkendes Schiff verlassen?

Behle: Nein, ich hätte gerne bis Sotschi weitergemacht. Ich habe immer gesagt, solange ich etwas bewegen kann, bin ich gerne Bundestrainer. Zuletzt hatte ich aber nicht mehr den Eindruck, etwas bewegen zu können.

SPOX: Inwiefern?

Behle: Die Jungs um Angerer und Teichmann waren nach den großen Erfolgen satt. Das hat man schon vor der Saison gesehen und ich wollte dafür dann nicht gerade stehen. Die Jungs hatten auch Familien, haben vermehrt auch selbst trainiert. Dabei wäre es wichtig gewesen, dass sie auch den jungen Talenten unter die Arme greifen. Beide hätten ein besseres Karriereende verdient gehabt. Das Ganze war rein sportlich, wir verstehen uns nach wie vor gut und telefonieren auch häufig.

SPOX: Sie sind ein Freund klarer Worte und haben als einer der wenigen auch Evi Sachenbacher-Stehle in Schutz genommen.

Behle: Ja, das war mir sehr wichtig. Natürlich hat Evi fahrlässig gehandelt. Trotzdem: Ob jemand bewusst mit EPO dopt oder einmal nicht genau genug bei der Ernährung aufpasst, ist für mich schon was anderes. Trotzdem hat man von Beginn an nur "Dopingsünderin Sachenbacher-Stehle" gelesen. Das hat mich schon sehr gestört. Ihr Name wird damit immer in Verbindung gebracht werden, trotz zahlreicher Erfolge. Ihr Karriereende hat mich deshalb nicht überrascht, ich hätte ihr auch dazu geraten.

SPOX: Sie haben jetzt mehr Zeit als früher, wie nutzen Sie die?

Behle: Als Profi und Bundestrainer ist natürlich viel Zeit für den Sport draufgegangen. Wenn du erfolgreich sein willst, geht es aber nicht anders. Mit den vielen Reisen bleibt natürlich wenig Zeit für die Familie. Es ist auch kein Wunder, dass in dieser Branche viele Ehen gescheitert sind. Aktuell kümmere ich mich um meine Stiftung für Kinder und Jugendliche, am Wochenende bin ich für "Eurosport" als Kommentator dabei. Ich genieße meine Freizeit jetzt total und unternehme viel. Rückblickend ist da natürlich vieles zu kurz gekommen.

Seite 1: Behle über einen Westernhagen-Song, Wachs und ein Bier mit den Norwegern

Seite 2: Behle über die goldenen Jahre, seinen Rücktritt und Evi Sachenbacher-Stehle

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