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Je suis Charlie: Am Wochenende wurde Ski gefahren. Es wurde gesprungen, geschossen, gelaufen, egal ob auf kurzen oder langen Latten oder mit Schlittschuhen. Und doch standen wohl immer noch alle unter dem Eindruck dessen, was am letzten Mittwoch in Paris geschehen war.
Der Terroranschlag auf das französische Satireblatt "Charlie Hebdo" bewegte die Menschen rund um den Globus, die Sportwelt war da keine Ausnahme. Und nachdem bereits unter der Woche viele Menschen Anteil am Schicksal der Opfer nahmen, indem sie Plakate mit dem Aufdruck "Je suis Charlie" in die Luft reckten, zogen am Wochenende einige Athleten nach.
Da wäre zum Beispiel der zweimalige Schwimm-Olympiasieger Yannick Agnel zu nennen, der sein Preisgeld von einem Meeting im Pariser Vorort Courbevoie der Zeitschrift spendete. Aber auch die Helden des Winters gedachten Herausgeber Stephane Charbonnier und Co.
Alexis Pinturault beispielsweise, der bei seinem zweiten Platz im Riesenslalom von Adelboden die mittlerweile zu einem Symbol gewordene Aussage auf dem Helm trug. Später hielt er bei der Siegerehrung zudem ein Blatt mit den Worten "Je skie Charlie" in die Kamera, das sein Mitgefühl für seine Landsleuten erneut verdeutlichen sollte.
Auch bei den nordischen Kombinierern war die grausame Tat ein Thema. Die Veranstalter im französischen Chaux-Neuve gedachten der Opfer im Auslauf der Schanze, in den sie das weltweite Motto geschrieben hatten. Es sind diese Szenen, die einem von diesem Wochenende - ganz fern von jeglichen sportlichen Entscheidungen - am meisten im Gedächtnis bleiben werden.
Flug-Lust statt Tournee-Frust: Jaja, wenn's um nichts geht, dann gewinnt er wieder. Bei der Tournee pfui, jetzt hui. Wen interessiert schon Skifliegen? So in etwa hörte sich die eine oder andere Stimme an, nachdem Severin Freund am Samstag die Weitenjagd auf dem umgebauten Kulm für sich entscheiden konnte.
SPOX feiert den 26-Jährigen trotzdem. Erstens muss man schon ein wenig wahnsinnig sein, um auf 237,5 Meter zu segeln und damit sogar einen neuen deutschen Rekord aufzustellen. Und zweitens gehört zum Sport eben Verlieren dazu.
Dass aber auch Freund ein kleiner Stein vom Herzen gefallen ist, nachdem er den ersten Skiflug-Weltcup seiner Karriere gewonnen hatte und damit die Tournee zumindest ein klein wenig vergessen machen konnte, war kaum zu übersehen.
"Wenn man Skiflug-Weltmeister ist und noch keinen Podest-Platz hat, muss man das schleunigst ändern. Wenn das dann mit einem Sieg gelingt, ist das natürlich doppelt gut. Für mich hat brutal viel zusammen gepasst", so Freund. Übrigens: Der Lohn war kein Champagner oder sonstige Sperenzchen.
Stattdessen stapfte der Niederbayer vom Siegerpodest geradewegs zum nächstbesten Naschwerk-Stand und orderte eine Packung gebrannte Mandeln. Irgendwie erfrischend normal.
Drei-Sterne-Tscharnke: Hinhocken. Durchschnaufen. Und bloß nicht vom Stuhl fallen. Am Samstag war bei der vorletzten Etappe der Tour de Ski kein Norweger ganz oben auf dem Podium. Noch nicht genug?
Mit Tim Tscharnke war ein Deutscher der Schnellste in der Loipe. Ein deutscher Langläufer, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Mehr Sensation geht eigentlich nicht, die ersten fühlten sich gar wie in einem Wintermärchen - Kinofilm inklusive.
Noch unglaublicher wird der Erfolg nur, wenn man bedenkt, dass der 25-Jährige gerade mal sieben Tage zuvor an seinem persönlichen Tiefpunkt angelangt war. Platz 73 beim Tour-Prolog in Oberstdorf, Rang 101 im Gesamtweltcup, ganz zu schweigen vom ohnehin verpatzten Saisonstart.
"Ich komme mir vor wie ein Koch, der nur Pizza machen kann, aber in einem Drei-Sterne-Restaurant arbeitet", hatte Tscharnke damals festgestellt. Jetzt reichte es zumindest kurzfristig für einen Michelin-Stern, auch wenn er sich am Sonntag mit Platz 21 schon wieder auf dem Boden der Tatsachen wiederfand.
Übrigens: Am Ende war die Langlauf-Welt doch wieder in Ordnung. Bei den Frauen gewann die Norwegerin Marit Björgen die Gesamtwertung der Tour de Ski vor der Norwegerin Therese Johaug vor der Norwegerin Heidi Wenig vor der Norwegerin Ragnhild Haga. Bei den Männern triumphierte der Norweger Martin Johnsrud Sundby vor dem Norweger Petter Northug.
Cool Runnings: Mal im Ernst, wer hat den Namen Nico Walther schon mal gehört? Na, keine Handzeichen? Kein Wunder, es ist noch nicht lange her, da war der Name Nico Walther wirklich nur Insidern des Bobsports ein Begriff.
Das hat sich aber spätestens am Sonntag geändert. Der Junioren-Weltmeister stellte auf seiner Heimbahn in Altenberg die komplette Weltelite in den Schatten. Seine Erklärung: "Ich habe einfach das gemacht, was ich hier immer mache."
So viel zum deutschen Höhepunkt, denn es gab auch eine Schrecksekunde. Maximilian Arndt kippte mit seinem Viererbob bei vollem Tempo im ersten Lauf um und rutschte auf der Seite über die Linie.
Das hatte zwar etwas von Cool Runnings, doch weder kam einer vorbei und schrie "Üns, zwü, drü", noch lief das ganze wirklich glimpflich ab. Mit dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung musste Arndt zu weiteren Untersuchungen sogar ins Krankenhaus gebracht werden.
Die Diagnose am Sonntagnachmittag: Nackenprellungen, eine leichte Gehirnerschütterung und eine Schnittwunde am Kinn. Glück im Unglück, sagt man da wohl.
Tops: Charlie Hebdo, Drei-Sterne-Tscharnke und Cool Runnings