"Es wird einfach nicht flacher"

SID
Am Wochenende wird zum 75. Mal das Hahnenkammrennen ausgetragen
© getty

Zum Jubiläum hatten sie sich in Kitzbühel etwas ganz Besonderes ausgedacht. Die Kante droben an der "Mausefalle" wurde höher gemacht, damit die Sprünge danach noch weiter gehen. Auch den kleinen Hügel kurz vor dem Ziel der kraftraubenden 3312 Meter hatten sie wieder etwas aufgeschüttet, damit allen noch mal der Atem stockt.

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Nur zur Erinnerung: In der Mausefalle war 2011 der Österreicher Hans Grugger gestürzt, am Zielsprung 2009 der Schweizer Daniel Albrecht. Beide schwebten in Lebensgefahr, sie lagen wochenlang im Koma. Sie fahren keine Skirennen mehr.

Am trainingsfreien Mittwoch sind sie in Kitzbühel dann doch zur Besinnung gekommen. Die beiden Stellen wurden entschärft. "Wenn das so ist, dann finde ich das okay", sagte Mathias Berthold, österreichischer Cheftrainer der deutschen Abfahrer. "Wir sind da am Dienstag ja alle nicht am Limit hingefahren und trotzdem weit gesprungen", berichtete Olympiasieger Matthias Mayer.

Der Österreicher begrüßt die "Sicherheitsmaßnahme" - und trotzdem, sagt Berthold, gehen die Sprünge noch "50, 60 Meter weit". In der Mausefalle stehen Weitentafeln wie beim Skispringen.

Es ist ja nicht so, dass sie zur 75. Austragung der Abfahrt vom Hahnenkamm die "Streif" noch furchterregender hätten herrichten müssen, als sie ohnehin schon ist. "Du stehst im Starthaus, du schaust auf die 'Mausefalle' und du denkst dir: Es wird einfach nicht flacher da runter", sagt Hannes Reichelt, Österreich, der Sieger vom Vorjahr.

"One Hell of a Ride"

In der Tat geht es zweimal sogar leicht den Berg hinauf. Die Wahrheit aber verraten Schilder, die im Sommer Wanderern die Strecke erklären. Am "Lärchenschuss" etwa steht: , "Gleitstück - Durchschnittsgeschwindigkeit 102,5 km/h".

Kitzbühel ist so besonders, dass es nun sogar einen Kinofilm gibt, der Untertitel heißt passenderweise "One Hell of a Ride", ein "Höllenritt". Rekordsieger Didier Cuche (Schweiz) erzählt darin, dass er das Starthaus am liebsten wieder verlassen hätte, als er dort das erste Mal rausfahren sollte - "aber ich wollte auch nicht derjenige sein, der mit der Gondel ins Tal fährt".

Streckenrekordhalter Fritz Strobl (Österreich) hatte vor seiner Premiere "die Hosen voll". Stephan Eberharter (Österreich) gibt zu: "Ich hatte durchaus Todesangst-Gefühle."

"Die Piste ist cool"

Solche Aussagen tragen dazu bei, den Mythos von Kitzbühel, den Ruf der "Streif" zu festigen. Reichelt findet den Bohei, der um das Rennen gemacht wird, in der Tat angemessen: "Wir werden hier wie Gladiatoren behandelt, das zeigt die Wertschätzung für uns."

Und die Strecke? "Die Piste ist cool, aber die Piste wäre nichts ohne uns. Wir wären auch nichts ohne diese Piste, das ist eine Symbiose." Und nur, damit keine Missverständnisse aufkommen: "Jeder", sagt Reichelt, "ist sich des Risikos bewusst", das er vom Start bis ins 860 Meter tiefer gelegene Ziel eingeht.

Wer die "Streif" bezwingen will, sagen die Rennläufer, der muss wissen, was er tun will, muss agieren, darf nie reagieren. "Wer hier gewonnen hat", sagt Abfahrtsolympiasieger Mayer, "war nie so in Bedrängnis, dass er einen Abgang riskiert hätte." Kristian Ghedina etwa hat auf der "Streif" im Jahre 1998 gewonnen. Sechs Jahre später trat der Italiener zurück und verabschiedete sich aus Kitzbühel mit einem Spagatsprung am Zielsprung - bei Tempo 137. Er stand ihn sicher.

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