Die 24-jährige Linksverteidigerin spricht im Interview mit SPOX über China, ihre männlichen Kollegen und verrät, was die Spielerinnen in ihrer Freizeit treiben und warum Roberto Carlos nicht mehr ihr Idol ist.
SPOX: Sind Sie traurig, dass nach der WM 2007 auch die Olympischen Spiele in China stattfinden?
Bresonik: Wenn ich ehrlich bin: Ja! Ich bin kein China-Fan. Ich kann mich nicht für das Land begeistern. Von daher finde ich es schade. Aber mein Gott, einmal noch und dann hoffentlich nicht mehr.
SPOX: Trübt das Ihre Vorfreude auf die Spiele?
Bresonik: Gar nicht. Die Vorfreude ist sehr groß, weil es für mich auch die erste Olympiade ist. Ich bin gespannt, wie das Olympia-Feeling sein wird. Einige Spielerinnen von uns waren schon bei Olympia und deren Urteil ist einstimmig: einfach klasse.
SPOX: Welchen Eindruck haben Sie denn während der WM von Land und Leuten gewonnen?
Bresonik: Wir haben die Altstadt von Schanghai besichtigt. Da sind riesengroße Wolkenkratzer, die mich überhaupt nicht beeindrucken. Genauso wenig muss ich da shoppen. Das kann ich hier auch. Dazu gibt es viel Smog und viele Menschen. Alles ist total hektisch. Das ist nicht meine Welt.
SPOX: Hatten Sie überhaupt Gelegenheit, sich umzusehen?
Bresonik: Ja, klar. Vor Ort haben wir nicht mehr so viel trainiert und hatten dementsprechend Zeit, vor die Tür zu gehen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich es nicht gemacht habe. Ich konnte mich dafür nicht begeistern.
SPOX: Wie haben Sie Ihre Freizeit in China verbracht?
Bresonik: Einmal am Tag haben wir trainiert, ohne geht es schließlich nicht. Außerdem geht man zur Behandlung. Dann haben wir ein Massagecenter ausfindig gemacht, wo wir uns von den Chinesen die Füße massieren ließen. Ansonsten spielen wir zum Beispiel Playstation oder Gesellschaftsspiele. Man findet eigentlich immer etwas.
SPOX: Von den Männern weiß man, dass die auf der Playstation immer FIFA zocken. Die Frauen auch?
Bresonik: Nein, das machen wir nicht. Wir spielen alles. Bei der WM hatten wir das Karaoke-Spiel SingStar dabei. Wie man nach dem Titelgewinn 2007 auf dem Römer in Frankfurt gehört hat, können wir alle nicht singen. Da haben wir uns auf dem Zimmer einen abgegeiert. Das war total witzig.
SPOX: Wie finden Sie die chinesische Küche? Einige Ihrer Teamkolleginnen sollen während der WM frittierte Hühnerfüße gegessen haben.
Bresonik: Eigentlich esse ich bis auf Graupensuppe alles. Ich habe dort nichts probiert, was ich nicht erkennen konnte. Allerdings sind frittierte Hühnerfüße eine Spezialität in China.
SPOX: Und diese Spezialitäten gibt es an jeder Straßenecke zu kaufen?
Bresonik: Dafür gibt es einen Tiermarkt, wo ich aber nicht war. Aber selbst auf den normalen Märkten halten die Chinesen zum Beispiel Hunde in Käfigen.
SPOX: Sie selbst haben zwei Hunde. Wie sehr hat da Ihr Herz geblutet?
Bresonik: Furchtbar. Ich bin ein großer Tierfreund. Ich habe nur ein einziges Mal eine Frau gesehen, die mit ihrem Hund spazieren gegangen ist. Ansonsten sieht man keine Tiere, außer in Käfigen vor den Häusern. Ganz schrecklich. Für mich ist ein Hund ein Haustier und Begleiter. Da kann ich nicht nachvollziehen, wie man ihn essen kann.
SPOX: Wie stehen die Chancen, nach dem WM-Titel auch das olympische Turnier zu gewinnen?
Bresonik: Ganz gut. China kann kommen! Wir sind die Gejagten. Es wäre das i-Tüpfelchen, nach zwei WM-Titeln die Gold-Medaille zu holen. Für mich klingt es noch verrückt, aber verrückte Sachen sind gut und können auch in Erfüllung gehen.
SPOX: Das Ziel von Nationaltrainerin Silvia Neid ist Gold. Erhöht das den Druck?
Bresonik: Nein. Wir wollen alle Gold holen. Sie sagt aber nicht vor der Mannschaft, dass das Ziel Gold ist. Wir haben keine klare Vorgabe. Wir haben auf einem Flip-Chart unsere Etappen-Ziele stehen. Das sind unsere Wünsche.
SPOX: Und was steht dann so auf diesem Flip-Chart?
Bresonik: Vor dem Turnier stand da zum Beispiel: Erstes Gruppenspiel gegen Brasilien gewinnen.
SPOX: Sie sind 2003 und 2007 Weltmeisterin geworden. Welchen sportlichen Stellenwert haben die Olympischen Spiele für Sie?
Bresonik: Normalerweise kann ich das erst beantworten, wenn ich da gewesen bin. Allerdings ist für mich die Weltmeisterschaft das Nonplusultra. Das ist nicht zu toppen und ein reines Fußball-Turnier.
SPOX: Und das absolute Nonplusultra ist 2011 die WM im eigenen Land?
Bresonik: Absolut. Das ist das Größte, was einem passieren kann. Da habe ich richtig Glück gehabt, dass ich das miterleben kann.
SPOX: In der Mannschaft haben Sie einen Stammplatz sicher. Allerdings auf einer anderen Position als im Verein. Während Sie in Essen im zentralen Mittelfeld gewirbelt haben, spielen Sie im DFB-Team Linksverteidigerin. Wie gefällt Ihnen die Position?
Bresonik: In der Nationalmannschaft spielen die besten Spielerinnen aus Deutschland. Die Trainerin setzt auf meine Flexibilität, die mein großes Plus ist. Hinten links sieht sie halt Bedarf und glaubt, dass ich die Rolle am besten erfüllen kann.
SPOX: Unzufrieden sind Sie aber nicht?
Bresonik: Überhaupt nicht. Wir betreiben eine Mannschaftssportart. Ich spiele da, wo ich gebraucht werde. Ich will einfach nur spielen und eine wichtige Rolle einnehmen. Allerdings könnte ich mir in der Bundesliga nicht vorstellen, hinten links zu spielen.
SPOX: Zur Linksverteidigerin Bresonik passt Ihr Vorbild Roberto Carlos.
Bresonik: (lacht) Ach, das war mal. Da war ich noch jung. Früher fand ich ihn klasse. Vor allem sein tolles Freistoß-Tor gegen Frankreich. Dazu hat er immer viel nach vorne gemacht und war torgefährlich. Mittlerweile ist aber auch schon ein alter Mann, der nicht mehr so viel läuft.
SPOX: Roberto Carlos ist seit 15 Jahren Profi. Sie haben gesagt: "Den ganzen Tag Fußball? Da wird man blöd von."
Bresonik: Darauf sprechen mich so viele an. Ich habe es mal wegen der Interviews der Fußballer gesagt. Wenn man die hört, dann denke ich mir: 'Mein Gott, der hat nichts im Schädel' - auf gut Deutsch gesagt. Aber ich will nicht alle über einem Kamm scheren.
SPOX: Was machen Sie zum Ausgleich?
Bresonik: Meine beiden Hunde Emma und Frieda halten mich auf Trab. Dazu treffe ich mich mit Freunden oder gehe ab und zu shoppen. Bis 2006 habe ich noch als Groß- und Außenhandelskauffrau gearbeitet. Aber jetzt kann ich vom Fußball leben. Dadurch kann ich mir die Zeit selbst einteilen. In Essen konnte ich meine Trainingszeiten morgens selbst aussuchen, wann ich laufen gehe oder in den Kraftraum.
SPOX: Sie wechseln zur neuen Saison zum FCR Duisburg. Wird es da anders?
Bresonik: Ja. In Duisburg trainieren wir zwei bis drei Mal in der Woche auch morgens.
SPOX: Also haben Sie doch Angst, ab der kommenden Saison zu verblöden?
Bresonik: (lacht) Nein, nein, keine Angst.
SPOX: Wenn man sich Ihren Karriereverlauf anschaut, scheinen Sie kein einfacher Typ zu sein. Sowohl in Duisburg als auch in Bad Neuenahr trennten Sie sich nach Unstimmigkeiten. Sind Sie ein Sturkopf?
Bresonik: Das bin ich überhaupt nicht. Wenn sie wüssten, wie es abgelaufen ist, würden sie sagen: 'Toller Mensch, hätte ich genauso gemacht.' Ich bin ein offener, ehrlicher und direkter Typ. Wenn es angebracht ist, sage ich, was mich stört. Für viele Menschen ist es manchmal sehr unangenehm. Sie können es nicht vertragen. Ich muss mich nicht hinterm Baum verstecken, um zu sagen: 'Du bist ein Arschloch!' Ich gehe dann zu demjenigen hin und sage es ihm persönlich. Dann denkt man, dass Linda Bresonik ein schwieriger Typ ist. Dabei bin ich so einfach.