Aus deutscher Sicht war es vor allem der Tag der knappen Niederlagen: Die Handballer verloren ihr Auftaktspiel auf kontroverse Art und Weise (mehr dazu unten) gegen Spanien, Maximilian Schachmann musste im Straßenrennen kurz vor Schluss abreißen lassen. Bittere Pleiten gab es außerdem für die weiblichen Beachvolleyball-Duos Ludwig/Kozuch und Borger/Sude.
Ach ja, und die erste Medaille für den DOSB, die fehlt noch: Die Säbelfechter um Max Hartung mussten allesamt viel früher als geplant die Segel streichen, im Bogenschießen-Mixed war im Achtelfinale Schluss. China hat derweil von elf möglichen Goldenen direkt drei eingesackt.
Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker.
Ein Tag ohne Lichtblicke war es allerdings keineswegs: Im Schwimmen haben wir vielleicht den neuen Paul Biedermann gefunden, im Turnen scheint plötzlich auch eine Medaille drin. Tennis, Ruder-Achter, Hockey-Herren, Dressur-Auftakt - hier lief alles nach Plan. Veredelt wird dann eben ab Sonntag.
Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 3):
Wettbewerb | Entscheidung |
Schießen, Luftgewehr Frauen | Erste Goldmedaille an chinesische Sportschützin Yang |
Gewichtheben, bis 49 kg, Frauen | Gold: Zhihui (China), Silber: Mirabai (Indien), Bronze: Aisah (Indonesien) |
Radsport, Straßenrennen Männer | Schachmann Zehnter - Carapaz gewinnt Gold |
Schießen, Luftpistole Männer | Reitz zielt mit der Luftpistole an Medaille vorbei |
Bogenschießen, Mannschaft, Mixed | Deutsche Bogenschützen im Achtelfinale raus |
Judo, Superleichtgewicht, Frauen | Kosovarin Krasniqi triumphiert |
Judo, Superleichtgewicht, Männer | Takato holt erstes Gold für Japan |
Fechten, Degen Einzel, Frauen | Chinesin Sun Yiwen gewinnt Gold |
Fechten, Säbel Einzel, Männer | Säbelfechter um Hartung enttäuschen komplett |
Taekwondo, bis 49 kg, Frauen | Gold geht an Thailand |
Taekwondo, bis 58 kg, Männer | Dell'Aquila gewinnt Gold im Fliegengewicht |
Was sonst noch wichtig war:
Boxen: Alles, was mit Kampfrichtern zu tun hat, eignet sich immer wunderbar zum Aufregen. Bestes Beispiel: Hamsat Shadalov. Der wollte sich im Federgewicht eigentlich eine Medaille erboxen, ist aber schon nach der ersten Runde raus. Und war danach nicht besonders gut auf die entscheidenden Gewalten zu sprechen. "Meiner Meinung nach habe ich die dritte Runde am klarsten gewonnen", sagte der Berliner mit tschetschenischen Wurzeln: "Und außerdem wird der Gegner nicht einmal ermahnt. Ich bekomme einen Kopfstoß gegen die Nase, gegen meinen Zahn, gegen meinen Kopf. Der Kampf hätte anders laufen müssen - vor allem mit anderen Punktrichtern."
Fußball: Die deutschen Herren sind erst morgen dran und können sich nach der teilweise blamablen Leistung gegen Brasilien rehabilitieren. Einen Schritt weiter sind die US-Damen, die ihr Auftaktmatch ebenfalls in den Sand gesetzt hatten (0:3 gegen Schweden). Gegen Neuseeland gab es ein standesgemäßes 6:1, das aber viel zu hoch ausfiel und nicht verhehlen konnte, dass die Abwehr immer noch nicht steht. Wie Abby Dahlkemper beim Gegentor verteidigte, kann man nur als Amos-Pieper-esk bezeichnen.
Taekwondo: Panipak Wongpattanakit ist der Name. Muss man aber nicht aussprechen können, um ihre dramatische Goldmedaille würdigen zu können. Gegen die Spanierin Adriana Cerezo Iglesias lag sie Sekunden vor dem Ende zurück, doch dann - bäm! Treffer zum Torso, zwei Punkte, Gold! Heart of a Champion und so. Jetzt aber mal ganz unter uns: Erinnert schon ein bisschen an Augsburger Puppenkiste, wie beim Taekwondo getänzelt und getreten wird, oder?
Tennis: Alexander Zverev ist weiter. Jan-Lennard Struff ist weiter (und kann in der nächsten Runde den Djoker raushauen). Das Doppel Zverev/Struff ist weiter, Krawietz/Pütz ebenso, außerdem Anna-Lena Friedsam. Probleme machen in dieser Hinsicht eigentlich nur die ... Logos auf den Shirts? Jup. Die müssen nämlich aufgebügelt werden - aber das klappte ganz und gar nicht, wie Kevin Krawietz auf Insta fleißig dokumentierte. Stattdessen hätte Zverev fast sein Shirt in Brand gesetzt. Versteh ich gar nicht, dass der keine große Erfahrung am Bügelbrett hat ...
Wasserball: Freude ist manchmal von kurzer Dauer, nicht wahr? Was hatten sich die US-Damen gefreut über ihren 25:4-Sieg über Gastgeber Japan. Olympia-Rekord war bis dahin ein 16:3 von Australien aus dem Jahr 2012 gewesen - pulverisiert! Zehn Tore in einer Halbzeit? Pulverisiert! Doch dann, nur Stunden später, kamen die fiesen Spanierinnen. Und hatten gegen Südafrika noch weniger Mitleid: 29:4! Und weg sind die Bestmarken ...
Held des Tages: Henning Mühlleitner/Lukas Dauser
Ganz großes Kino, Jungs! Im Schwimmen hatten wir ja eigentlich abgesehen von Florian Wellbrock kein heißes Eisen im Feuer. Dachten wir zumindest. Bis zum 400m-Freistil-Vorlauf von Henning motherf***ing Mühlleitner. Der pulverisierte mal eben seine eigene Bestzeit um fast zwei Sekunden, schwamm in der zweiten Rennhälfte an allen vorbei - und geht jetzt als Vorlaufschnellster ins Finale am frühen Sonntagmorgen. Einfach so. Und könnte mit einer Medaille in die Fußstapfen von Immer-noch-Weltrekordhalter Paul Biedermann (hust, Anzug, hust) treten.
Ist er jetzt Favorit? Naja, das muss er jetzt erstmal bestätigen, und die anderen können ja auch geradeaus schwimmen. "Auf Bahn vier zu schwimmen, bringt natürlich ein bisschen Druck rein", wusste er im ZDF selbst, und sprach davon, dass ihn der stressige Rest des Tages wohl noch Körner kosten werde. Aber so ein klitzekleines bisschen hoffen wir jetzt schon auf Edelmetall!
Genauso wie bei Lukas Dauser. Fabian Hambüchen nicht dabei, Marcel Nguyen nicht dabei - dann turnt er eben am Barren einen auf. Ei der Dauser! 15,733 Punkte waren die zweitbeste Wertung des Tages, damit ist er im Einzelwettkampf klarer Medaillenkandidat. Und ein mehr als angenehmer Nebeneffekt: Angeführt von Dauser (drei Einzelfinals!) qualifizierte sich das Herrenteam souverän als Sechster für das Teamfinale am Montag.
Bösewichte des Tages: Referees/Gegner/Unvermögen
Dass die deutschen Handballer eine schwere Gruppe vor der Brust haben, war allen klar. Dass es gegen Spanien auch schiefgehen könnte, ebenso. Am Ende war der Frust nach einer sehr guten Leistung und einer Last-Minute-Niederlage (27:28) aber dennoch extrem groß. Grund waren vor allem die Schiedsrichter der Partie, deren Namen wir jetzt mal unter den Tisch fallen lassen. "Ich bemühe mich gerade, Worte zu finden, weil ich echt sauer bin", sagte Spielmacher Philipp Weber - und war dabei ob der seltsamen Stürmerfouls, die am Ende gegen die DHB-Auswahl gepfiffen worden waren, noch diplomatisch unterwegs. Er fühle sich "schon ein bisschen verarscht".
Keeper Johannes Bitter platzte im ZDF derweil beinahe der Kragen, angesichts unsportlicher Aktionen der Iberer. "Der Gegenspieler macht mit Absicht den Ball nass, damit wir einen Nachteil haben und womöglich einen technischen Fehler machen", ärgerte er sich, und packte eine Prise Sarkasmus drauf: "Vielleicht bin ich nicht auf dem Niveau, dass ich so etwas machen muss."
Wir fassen zusammen: Referees Schuld, Gegner schuld. Einen kritischen Blick hätte aber auch die eigene Leistung in der Schlussphase verdient: Seit gefühlt 2007 wird jedes knappe Spiel gegen einen starken Gegner entweder in letzter Minute verloren oder nach Führung zum Unentschieden. Auch gegen Spanien gelang Sekunden vor dem Ende der Ballgewinn vor dem gegnerischen Kasten, aber die Chance wurde überhastet vergeben. Da ist auch noch Luft nach oben, mehr sagen wir gar nicht ...
Pechvögel des Tages: Die deutschen Radfahrer
Es hätte vielleicht tatsächlich etwas werden können mit der Medaille im Straßenrennen, auch wenn Schachmann, Buchmann und Co. nie die absoluten Topfavoriten waren. Aber nach dem Corona-Chaos um Simon Geschke war einfach nicht mehr drin. Edelhelfer Geschke wurde am Freitag positiv getestet und musste passen, symptomfrei und absolut ratlos, wo er sich denn angesteckt habe. Zimmerkollege Buchmann brachte sein anschließender Test-Marathon um den Schlaf, er war verständlicherweise früh platt. Blieb also Schachmann, der auf sich allein gestellt war - und am Ende einfach chancenlos. "Ich bin direkt alle Attacken mitgegangen", sagte er, das sei wohl der Fehler gewesen. War halt auch sonst keiner da.
Eklat des Tages: Fethi Nourine
Wer? Ein algerischer Judoka, der die Probleme auf der Welt auf seine ganz eigene Art und Weise lösen wollte. Bevor er nämlich in der zweiten Runde gegen den Israeli Tohar Butbul antreten müsste, trat Nourine zu seinem Auftaktmatch lieber erst gar nicht an. Weil ...? "Wir haben viel gearbeitet, um die Olympischen Spiele zu erreichen, (...) aber die palästinensische Sache ist größer als all das", sagte er einem algerischen Fernsehsender.
Na klar! Weil Tohar Butbul an allem Schuld ist! Weil ein respektvoller Umgang miteinander auf der Matte die Situation im Pulverfass Naher Osten noch schlimmer machen würde! Ein richtiges Superbrain, dieser Nourine. Dachten sich auch der Weltverband und das algerische OK und suspendierten Nourine mitsamt Trainer. Das Schlimme ist ja: Bei der WM 2019 hatte Nourine gegen Butbul die gleiche Nummer schon einmal abgezogen. Damit aber komischerweise nicht die Welt gerettet.
Abschied des Tages: Kohei Uchimura
In Japan ist er ein Superstar, in seinem Sport eine Legende: Kohei Uchimura (32), jahrelang als "König der Turner" gefeiert, wollte sich in seiner Heimat noch einmal zu einer Goldmedaille schwingen. Am Reck nämlich, die übrigen Geräte hatte er erst gar nicht probiert. Ein letzter Triumph, oder, wie man auch sagt: "den Hambüchen machen". Leider wurde nichts draus: Uchimura scheiterte heute schon in der Qualifikation, ein glorreicher Abschied bleibt ihm versagt. "Es war immer mein Ziel, nach Schönheit und Perfektion zu streben", hatte er vor den Spielen erklärt. So etwas kann auch nur ein Japaner sagen. Seufz.
Sprüche des Tages:
"Das war geil, das war der Hammer!" (Fabian Hambüchen bei Eurosport zur Leistung von Lukas Dauser)
"Ich bin wirklich körperlich topfit, aber bei der letzten Pirouette habe ich gedacht, puh, das hier ist richtig hart. (Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl zur Hitze in Tokio)
"Tagsüber ist besser für dich." (Alexander Zverev zu Jan-Lennard Struff. Der spielt in Runde zwei gegen Novak Djokovic)
"Wie man hört, brauche ich noch ein paar Tipps von Sascha." (Struffs Reaktion auf Zverevs gutgemeinten Ratschlag)
"Ich war schnell im Bett und habe bis acht Uhr geschlafen." (Beachvolleyballerin Laura Ludwig zur vermeintlich anstrengenden Eröffnungsfeier)
"Wir werden uns schnell das Krönchen richten und dann geht es wieder los." (Max Hartung will nach dem Einzel-Aus die Medaille mit dem Team)
"Es wäre eine große Überraschung, wenn wir gewinnen. Aber ich fühle jetzt nicht, dass sie Übermenschen sind." (Tischtennis-Spielerin Petrissa Solja zum anstehenden Mixed-Duell gegen Japan)
Zahlen des Tages:
0: Deutsche Medaillen. Waren nicht sooo viele Gelegenheiten, dennoch stehen wir im Medaillenspiegel jetzt halt auf einer Stufe mit den Jungferninseln und hinter Estland und dem Kosovo. Das muss am Sonntag besser werden. Kleiner Trost: Wir sind notorische Spätstarter.
8,9: Die Wertung von Anastasiia Galaschinas letztem Schuss am Luftgewehr. Klingt ganz gut? Ist es aber nicht! Die besten Schützen schießen im Schnitt locker über 10 Punkte, das Maximum sind 10,9 Punkte pro Schuss. Galaschina führte bis zu ihrem letzten Versuch - und setzte diesen übelst in den Sand. So ging Gold an die Chinesin Yang Quian - die sich mit einer finalen 9,8 auch nicht mit Ruhm bekleckert hatte.
12: Das Alter der jüngsten Olympia-Teilnehmerin seit 1968. Hend Zaza heißt die Gute und kommt aus Syrien.
24: So viele Minuten hielt Zaza in ihrem Erstrundenmatch gegen Jia Liu aus Österreich durch, am Ende verlor sie glatt mit 0:4 Sätzen. Danach sprach sie wacker von einer "guten Lehrstunde": Kopf hoch! Du hast ja noch ein paar Teilnahmen vor dir.
84,379: So viele Prozentpunkte holte Jessica von Bredow-Werndl im Grand Prix auf Dalera. Was anschließend als absolute Weltklasseleistung gelobt wurde. Was irgendwie für ein neues Scoring-System spricht, wenn 85 Prozent eigentlich das Höchste der Gefühle sind. Noch blöder: Der Auftritt zählt nur für die Qualifikation für Einzel- und Teamwertung.
127: So viele positive Coronafälle gab es mittlerweile in Tokio. Zitat DOSB-Arzt Bernd Wolfahrt: "Dass es eine funktionierende Blase am Flughafen und bei Anreise gab, ist illusorisch."