Schlagmann Hannes Ocik kippte voller Erschöpfung rückwärts ins Boot, der Rest des Deutschland-Achters verharrte regungslos auf dem Wasser. Nach dem verpassten Griff nach der olympischen Goldmedaille überwog beim deutschen Paradeboot zunächst nicht der Stolz über Silber, sondern die Enttäuschung. Wie schon 2016 reichte es für das von einem Mythos umwehte deutsche Flaggschiff knapp nicht zum großen Triumph.
Bis die erste Enttäuschung verflogen war, dauerte es etwas. "Wir haben alles geopfert. Unser Gesichter sind noch ein bisschen leer. Aber wir haben auf jeden Fall Silber gewonnen. Ich bin super stolz", sagte Ocik. Nebenmann Torben Johannesen gab aber auch zu, "am Anfang etwas enttäuscht" gewesen zu sein.
Vor den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach und DOSB-Präsident Alfons Hörmann musste sich das deutsche Team auf dem Sea Forest Waterway Neuseeland geschlagen geben und muss weiter auf den ersten Gold-Triumph seit 2012 warten. Bronze ging in Tokio an Großbritannien.
Rudern: Deutsche Dominanz bröckelte immer mehr
Gold war das erklärte Ziel des deutschen Paradebootes, das nach der Niederlage gegen Großbritannien in Rio drei Jahre lang ungeschlagen gewesen war und in dieser Zeit alle WM-Titel abräumte. Doch je näher Tokio kam, desto mehr bröckelte die Dominanz.
Der Achter, seit dem Olympiasieg 1960 in Rom unter dem legendären Trainer und "Ruderprofessor" Karl Adam das deutsche Vorzeigeboot, war mit Johannes Weißenfeld, Laurits Follert, Olaf Roggensack, Torben Johannesen, Jakob Schneider, Malte Jakschik, Richard Schmidt, Ocik und Steuermann Martin Sauer selbstbewusst ins Rennen gegangen, konnte die ersten Spiele seit Peking 2008 ohne deutsches Ruder-Gold aber nicht verhindern.
Die Mannschaft von Bundestrainer Uwe Bender, die zuletzt dreimal in Folge WM-Gold gewonnen hatte, war bei der EM im Frühjahr mit Platz vier enttäuschend ins olympische Jahr gestartet, steigerte sich bei den folgenden Weltcups aber deutlich. Am vergangenen Freitag war der Achter mit einem überzeugenden Auftritt auf direktem Weg in den Endlauf eingezogen.
Bis heute gilt der Achter als nationales Erfolgssymbol. 1960 in Rom hatte das Großboot Olympiageschichte geschrieben, als es unter Adam die jahrzehntelange Vorherrschaft der USA beendete. 1968 und 1988 folgten weitere Olympiasiege. Sechs Mal wurde der Deutschland-Achter zur Mannschaft des Jahres gewählt, nur die Fußball-Nationalmannschaft wurde häufiger ausgezeichnet. Doch 2012 bleibt der vorerst letzte Gold-Triumph.