Am Ende ihres großen Tages sprach die neue Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl der entthronten Königin Isabell Werth ihren Dank aus. "Sie hat mich in der härtesten Zeit meiner Karriere aufgefangen, und ich danke ihr von Herzen", sagte Deutschlands neue Dressurkönigin: "Und ich schaue immer noch zu ihr auf."
Gut eine Stunde zuvor hatten sich von Bredow-Werndl mit ihrer Traumtänzerin Dalera und Werth mit ihrem Herzenspferd Bella Rose ein Duell geliefert, wie es die Dressur lange nicht erlebt hat. "JBW" legte mehr als 91 Prozentpunkte vor und erlebte dann mit der Hand auf dem wild pochenden Herzen am Monitor Werths Konter. "Als ich ihre Bewertung sah", sagte sie am ZDF-Mikrofon, "ist alle Anspannung, aller Druck von mir abgefallen." 89,657 für Isabell Werth und Bella Rose - die Wachablösung war vollzogen.
Ihre Tränen wollte und konnte Jessica von Bredow-Werndl dann auch nicht mehr zurückhalten. Der Nationalhymne lauschte sie ergriffen und mit Tränen in den Augen, versonnen und fassungslos starrte sie immer wieder auf die Goldmedaille. Als Werth und die drittplatzierte Britin Charlotte Dujardin mit ihrem kleinen braunen Fuchswallach Gio bereits das Stadion verlassen hatten, drehte "JBW" auf Dalera noch eine Ehrenrunde vor fast leeren Rängen.
Olympia: Abschied für Bella Rose
Einen Tag nach dem Sieg mit der Mannschaft hatte die 35-Jährige eine traumhafte Kür aufs Viereck gezaubert. Sie habe das Gefühl gehabt, "einen Feuertanz zu reiten, auf Messers Schneide", sagte "JBW". Ihrem Pferd, mit dem "mich so viel verbindet wie noch mit keinem anderen", machte sie danach eine emotionale Liebeserklärung: "Dalera hat einen Charakter aus Gold, sie lässt ihr Herz für mich auf dem Viereck."
Werth (52) nahm das Ergebnis mit der Gelassenheit aus 30 Jahren Weltklasse hin, konnte aber ihre Enttäuschung doch nicht ganz verbergen. "Bella war fantastisch, ich weiß nicht, was ich hätte besser machen können", sagte sie am ZDF-Mikrofon: "Am Ende hab ich wirklich kurz gedacht, ich hab's, aber dann hat es eben doch nicht gereicht."
Für Bella Rose, die charismatische 17 Jahre alte Fuchsstute, sei es "mit Sicherheit das letzte große Championat" gewesen, sagte Werth: "Wir werden jetzt alle in Ruhe überlegen, wie und wo wir sie verabschieden, das hat sie sich nach dieser ganzen langen Zeit verdient."
Die Bundestrainerin hatte jedenfalls einen "wunderbaren Abend" erlebt. "Gold, Silber - viel besser geht es nicht", sagte die selbst dreimal mit olympischem Mannschaftsgold dekorierte Monica Theodorescu: "Es tut mir nur ein bisschen leid für Doro." Dorothee Schneider und Showtime landeten nach einer ungewohnt fehlerhaften Kür auf einem enttäuschenden 15. Rang.
Olympia: Bredow-Werndl knackt ihr Ziel
Die Nacht war schon über Tokio hereingebrochen, als von Bredow-Werndl als Erste des deutschen Trios auf das Viereck ging. Und Dalera tanzte so wunderschön, wie sie es schon im Grand Prix und im Grand Prix Special getan hatte. Das Duo zeigte keinerlei Nervosität, bot eine Darbietung wie aus einem Guss und erhielt Weltklasse-Noten.
"Es war mein Ziel, die 90 Prozent zu knacken", sagte "JBW" anschließend. Doch da Werth ihr nachfolgte, begann erstmal das große Zittern. "Jetzt bin ich richtig nervös", sagte sie, als sie gebannt Werth und Bella Rose verfolgte: "Puh, ist das anstrengend."
Nach der furiosen Vorlage ihrer 17 Jahre jüngeren Teamkollegin war die "Queen of Dressage", wie Werth vom Weltverband FEI gerne bezeichnet wird, immens gefordert. Auch sie lieferte eine traumhafte Kür ab, doch von Bredow-Werndl konnte sie nicht mehr vom obersten Treppchen stoßen.