Der erste Wettkampftag der Olympischen Winterspiele 2022 endet für Team Deutschland mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zwar fährt Skispringerin Katharina Althaus mit Silber auf der Normalschanze das erste deutsche Edelmetall ein, so hundertprozentig zufrieden ist sie damit aber selbst nicht. "Für umsonst" befanden gar die Biathleten ihre dürftige Leistung in der Mixed-Staffel. Außerdem: Die beste Angriffsreihe dieser Spiele, ein Kleidungs-Fauxpas und russische Gewaltandrohungen. Olympia kompakt.
Freude, Ekstase, Stolz. Das sind die Emotionen, die Sportler normalerweise verspüren, wenn sie bei Olympia eine Medaille für ihr Heimatland erringen. Enttäuschung gehört hingegen eher weniger dazu. Dennoch wurde man nach Katharina Althaus' Flug zu Silber auf der Normalschanze das Gefühl nicht los, dass sich alle Beteiligten nicht so wirklich über die errungene Auszeichnung freuen konnten.
"Ich habe mich geärgert und gefreut zugleich. Natürlich habe ich gehofft, dass es diesmal reicht", meinte die 25-Jährige im Ziel, als feststand, dass sie sich nach den Winterspielen 2018 zum zweiten Mal mit Silber begnügen musste. Letztlich überwiege zwar auch bei ihr "die Freude", ein bisschen bedrückt wirkte sie im Post-Interview aber dennoch.
Nun wäre es vermessen zu behaupten, dass Gold auf der Frauen-Normalschanze fest eingeplant gewesen wäre, die Chance darauf war aber wohl so hoch wie nie. Schließlich fehlte mit der Österreicherin Marita Kramer die Weltcup-Führende und Top-Favoritin wegen eines positiven Corona-Befundes. So bleibt dann doch irgendwie der bittere Beigeschmack.
Noch viel weniger Grund zur Freude gab es bei den deutschen Biathleten. Dort war aufgrund der starken Konkurrenz eine Medaille zwar eher weniger in Aussicht, dass das deutsche Team aber in derartiger Form unter Wert geschlagen wurde, war auch nicht zu erwarten.
Vor allem am Schießstand haperte es bei den Skijägern noch gewaltig. Ganze zwei Strafrunden und 18 Nachlader brauchte das Quartett um Vanessa Voigt, Denise Herrmann, Benedikt Doll und Philipp Nawrath. Da nutzte es auch nichts, dass Sieger Tarjei Bö dem Stand im Biathlonzentrum Guyangshu nur ein mäßiges Attest ausstellte: "Dieser Ort ist nicht für Biathlon gemacht." Als Gewinner sagt sich das immer so leicht.
"Hier ist der fünfte Platz natürlich für umsonst", analysierte auch Doll in trockener Manier nach dem Rennen. Joa, dem ist nichts hinzuzufügen.
Olympia: Die wichtigsten Entscheidungen des Tages
Wettbewerb | Ergebnis |
Skiathlon, Frauen | Johaug gewinnt erstes Gold in Peking - Sauerbrey 13. |
Eisschnelllauf 3.000 m, Frauen | Pechstein über 3000 m abgeschlagen zur Rekord-Olympionikin |
Biathlon, Mixed-Staffel | Norwegen gewinnt, Deutschland nur auf fünf |
Short-Track, Mixed-Staffel | China holt erste Heim-Goldmedaille |
Freestyle Buckelpiste, Männer | Schwede Wallberg holt Gold vor Kingsbury |
Skispringen Einzel, Frauen | Althaus schrammt knapp an Gold vorbei |
Was sonst noch wichtig war
Slopestyle: Mit "Double Underflip" und "Backside 1080" - so oder so ähnlich - hat sich Annika Morgan ins Slopestyle-Finale am Sonntag katapultiert. Die 19-Jährige musste im zweiten Lauf abliefern und lieferte ab. Bei -20 Grad Celsius Lufttemperatur kann man da durchaus von "Eis in ihren Venen" sprechen. Vor dem Rennen nahm der Wind plötzlich zu und die Angst gleich mit. Die Lösung? Morgan hat "Musik gehört, dann ging es mir gut". Bundestrainer Dammert fiel gleich "ein fetter Stein vom Herzen".
Auch wenn die ehemalige Eiskunstläuferin aus Mittenwald nicht zu den Favoritinnen gehört, ist die Finalteilnahme gemeinsam mit den besten zwölf Slopesytyle-Snowboarderinnen der Welt ein Achtungszeichen. Und wer weiß, vielleicht führt sie ja der "50-50" gepaart mit einem gediegenen "Frontside Double Grab" überraschend aufs Podest.
Skispringen: Nicht nur bei den Frauen wurde von der Schanze gehüpft, früh am Morgen (deutscher Zeit) waren bereits die Herren aktiv. Zum Glück, möchte man sagen, ging es dort nämlich noch nicht um Edelmetall, lediglich die Qualifikation stand auf dem Terminplan.
Denn die im Vorfeld durchaus hoch gehandelten deutschen Springer wussten nur mäßig zu überzeugen. Platz neun bedeutete das letztlich für Karl Geiger, Zimmer-Buddy Markus Eisenbichler landete sogar nur auf dem 23 Rang. "Es ist nicht der Karl, den wir kennen", sagte Ex-Bundestrainer Werner Schuster am Eurosport-Mikrofon über seinen früheren Musterschüler.
Auch der 28-Jährige war nicht zufrieden. "Wir sind ein bisschen auf der Suche nach dem, was nach ganz vorne fehlt." Falls der Allgäuer nicht schnellstens fündig wird, wird es ganz schwer im Medaillenkampf am Sonntag. Die Suche ist hiermit eröffnet.
gettyPech des Tages: Sophie Sorschag
Für viele Sportlerinnen und Sportler ist eine Teilnahme an den Olympischen Spielen der ultimative Traum. Ein Ziel, auf welche manche ihr Leben lang hinarbeiten. Der Österreicherin Sophie Sorschag wurde dieser Traum erfüllt, wenn auch unerwartet.
Wegen eines positiven Corona-Tests von Skisprung-Weltcup-Spitzenreiterin Marita Kramer wurde die 23-Jährige kurzfristig nachnominiert und sollte ihre Teamkollegen vertreten. Soweit so gut.
Als problematisch stellte sich für 23-Jährige allerdings die Wahl ihres Anzugs heraus. Anstatt des konformen österreichischen Teamanzuges wählte Sorschag auf Eigeninitiative kurzerhand ein schwarzes Gewand. Optisch war das ohne Frage auch schön anzusehen, bei den Organisatoren löste es aber weniger Begeisterung aus.
"Die Abklebungen der Sponsoren waren der Grund", berichtete die Team-Weltmeisterin im ORF verzweifelt, "das darf man nicht. Das habe ich nicht gewusst." Blöd: Auch von den Trainern habe sie niemand darauf hingewiesen. "Ich hatte schon einen anderen Anzug, aber es hat geheißen: Wenn es mit den Abklebungen geht, dann nehmen wir den."
Letztlich ging es nicht. Für Sorschag endete damit ein ohnehin gebrauchter Tag vorzeitig.
Angriffsreihe des Tages: Fillier, Nurse und Jenner
Wer braucht schon eine Angriffsreihe a la Haaland, Lewandowski oder Benzema, wenn man auch Fillier, Nurse und Jenner haben kann. Ganze elf Buden machten die Kanadierinnen in der Eishockey-Vorrunde gegen Finnland. Nach dem 12:1 gegen die Schweiz das zweite Spiel in Folge mit 10+ Toren.
Den Skandinavierinnen gelang zwar noch der Ehrentreffer, aber selbst Kanadas Coach Troy Ryan glitt ab dem 8:1 nicht mal mehr ein Lächeln über die Lippen. Kanada ist spätestens nach dieser Leistung der absolute Goldfavorit.
Altersunterschied des Tages: Pechstein-Adake
27 Jahre lagen zwischen Claudia Pechstein (49) und ihrer Gegnerin über die 3.000 Meter Ahenaer Adake (22) aus China. Von allen Teilnehmerinnen als erste geboren, kam sie am Ende dennoch als letzte ins Ziel - vier Sekunden hinter der vorletzten.
Doch das war für Pechstein kein Problem. Stattdessen fuhr sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht über die Ziellinie. "Es werden wenige verstehen, dass ich mit dieser Platzierung noch strahlen kann. Aber das tue ich, weil ich ganz stolz darauf bin", sagte Pechstein: "Es war ein Sieg für mich." Ihre achte Olympia-Teilnahme kann ihr niemand mehr nehmen.
Auch den zwanzig Jahre alten Olympia-Rekord über jene 3.000 Meter nicht. Dachten wir. Irene Schouten aus den Niederlanden hatte etwas dagegen und verbesserte ihn in ihrem Lauf um 77 Hundertstel. Bravo!
gettyAnschiss des Tages: Alexander Tichonow
Seine Quarantäne allein in einem Hotelzimmer zu verbringen, ist wenig spaßig. In China seine Quarantäne allein in einem Hotelzimmer zu verbringen, ist noch viel weniger spaßig - will man zumindest den Worten der russischen Biathletin Valeriia Vasnetsova Glauben schenken.
Auf ihrem Instagram-Account postete die 24-Jährige ein Bild ihres Essens - darauf zu sehen: Nudeln, Kartoffeln, Fleisch, Sauce. Wo dabei nun das Problem sei, werden sich manche Fragen.
"Ich bekomme das jetzt seit fünf Tagen zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. Ich habe viel Gewicht verloren und meine Knochen ragen heraus", klärte Vasnetsova ihre Follower über die offenbar unerträglichen Zustände in ihrem Hotel auf: "Ich bekomme nichts anderes zu essen, ich weiß nichts über meine Corona-Tests. Ich schlafe den ganzen Tag nur, weil ich nicht einmal mehr die Kraft habe, aus dem Bett aufzustehen. Ich esse nur drei Handvoll Nudeln am Tag, weil es einfach unmöglich ist, den Rest des Essens zu essen."
Mitleid oder Verständnis bekam sie dafür übrigens wenig ab. Vielmehr gab es aus der Heimat eine ordentliche Brise Gegenwind. "Für solche Beschwerden würde ich Vasnetsova die Zunge abschneiden. Bei Olympia 1980 (in Lake Placid / Anm.d.Red) lebten wir in Amerika wie in einem Gefängnis, und niemand hat sich beschwert! Und sie sorgt mit ihrem Rotz für Unruhe im Team! Man muss diese Probleme im Team klären und nicht im Internet jammern!", schimpfte der vierfache Olympiasieger Alexander Tichonow gegenüber Sport24. Sympathisch.
Sprüche des Tages
"Für solche Beschwerden würde ich Vasnetsova die Zunge abschneiden", Olympiasieger Alexander Tichonow auf die Beschwerden von Biathletin Valeriia Vasnetsova bezüglich ihres Corona-Hotels.
"Es hat mich zutiefst verletzt, dass der Hauptverantwortliche für die Notlage der Uiguren, Staatspräsident Xi Jinping, eine Uigurin so schamlos für seine Propaganda ausgenutzt hat", Haiyuer Kuerban, Leiter des Berlin-Büros des Weltkongresses der Uiguren über die Berufung einer uigurischen Frau als letzte Fackelträgerin.
"Ich habe mich geärgert und gefreut zugleich", Katharina Althaus über ihre Silbermedaille auf der Normalschanze.
Zahlen des Tages
353: Corona-Fälle haben die Olympia-Organisatoren vor dem Start der Wettbewerbe registriert.
-20: Grad Celsius zeigte das offizielle Thermometer vor dem Start der Slopestyle-Qualifikation am Morgen. Eine Fahrerin schützte sich sogar mit FFP2-Maske vor der Kälte.
11: Tore kassierte die finnische Frauen-Eishockey-Mannschaft gegen Gold-Favoriten Kanada.
130: km/h schnell war der Wind beim Abfahrts-Training der Herren. Nach nur drei Fahrern wurde der Probelauf daraufhin abgebrochen.
1,5: Sekunden lagen zwischen den Medaillengewinnern Norwegen, Frankreich und Russland beim Mixed-Wettbewerb im Biathlon.
6: Medaillenentscheidungen sind bereits gefallen. 103 stehen noch aus.
20: Jahre hat der Olympische Rekord von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein über die 3.000 Meter gehalten. Die Niederländerin Irene Schouten verbesserte ihn jedoch um 77 Hundertstel.