Karl Geiger stand mit versteinerter Miene im Auslauf dieser vermaledeiten Zhangjiakou-Schanze, dann schlich der schwer geschlagene Favorit noch vor der Siegerehrung völlig bedient aus dem Stadion. Die deutschen Skispringer um Goldhoffnung Geiger haben in der ersten olympischen Entscheidung von Peking eine kalte Dusche kassiert und beim Triumph des Japaners Ryoyu Kobayashi die Medaillen ganz deutlich verpasst.
"Die Motivation war da, der Wille war da. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt, mit voller Entschlossenheit durchgehämmert und gehofft, dass es funktioniert. Letztes Jahr bei der Heim-WM ist es aufgegangen - diesmal nicht", sagte Weltcup-Spitzenreiter Geiger, nachdem er auf dem enttäuschenden 15. Rang gelandet war - als bester DSV-Adler kam Youngster Constantin Schmid nicht über Platz elf hinaus.
Auf der von ihm eigentlich geliebten Kleinschanze fand der 28 Jahre alte Geiger nie in seinen gewohnten Flugmodus: "Es hat mich nicht gepackt. Es ist wie ein Magnet im Hang, dann landet man."
Während Vierschanzentournee-Sieger Kobayashi an der Seite der Überraschungs-Medaillisten Manuel Fettner (Österreich/Silber) und Dawid Kubacki (Polen/Bronze) seinen nächsten Coup feierte, enttäuschte 24 Stunden nach dem Silbercoup von Katharina Althaus mit Ausnahme von Schmid auch der Rest der DSV-Adler. Stephan Leyhe wurde 24., der sechsmalige Weltmeister Markus Eisenbichler verpasste als 31. gar den zweiten Durchgang.
DSV-Frust: "Es hätte ein Wunder geschehen müssen"
"Es war leider absehbar, es hätte ein Wunder geschehen müssen. Wir sind mit der Schanze nicht so zurechtgekommen", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Auch Geiger rätselte: "Wir wissen nicht, woran es liegt, das ist das bittere. Wir sind einfach nicht in Schwung gekommen."
Viel Zeit zum Nachdenken hat der Oberstdorfer nicht. Schon am Montag (11.45 Uhr MEZ/ZDF und Eurosport) im Mixed-Team-Wettbewerb will er an der Seite von Schmid und Althaus, die während des Männerspringens auf der Medal Plaza von Zhangjiakou ihre Silbermedaille erhielt, nach vorne springen. Das DSV-Team war in dieser Disziplin zuletzt viermal in Folge Weltmeister.
In einem vor allem im ersten Durchgang stark windbeeinflussten Springen siegte Kobayashi mit Sprüngen auf 104,5 und 99,5 m souverän vor dem bereits 36 Jahre alten Fettner, der noch nie in die Nähe einer großen Einzelmedaille gekommen war. Der drittplatzierte Kubacki war zwar 2019 Weltmeister auf der Normalschanze, im Olympiawinter war dem Polen zuvor aber rein gar nichts gelungen.
Geiger hatte bereits im ersten Durchgang alle Medaillenchancen verspielt - 96,0 m reichten nur zu Platz 21. Mit seinem bislang besten Sprung in Peking auf 99,0 m verabschiedete sich der Mitfavorit zumindest versöhnlich aus dem Wettkampf. "Wenigstens der stimmt mich optimistisch", sagte Geiger.
Der schwer geschlagene Eisenbichler hakte den verkorksten Wettkampf recht gefasst ab "Natürlich stinkt es mir ein bisschen, aber ich kann nix dran ändern. Ich bin reifer geworden - früher hätte ich wahrscheinlich die Ski in die Ecke geschmissen", sagte der 30-Jährige, der wie schon mehrfach in dieser Saison mit den Windverhältnissen haderte: "Wenn du halt dann im Mittelteil merkst, dich trägt nix, dann foisd hoid bloß oba wia a nasser Sack."