Christian Kukuk ging in die Knie und schlug völlig überwältigt beide Hände vor das Gesicht, dann rappelte er sich kopfschüttelnd auf und fiel seiner Freundin in die Arme: Gold, Olympiasieger, eine unfassbare Sensation.
"Es ist überhaupt noch nicht bei mir angekommen", sagte Kukuk am ARD-Mikrofon: "Es dauert auch sicher noch bisschen bis ich realisiert habe, was hier heute passiert ist."
Ganz allein verfolgte Kukuk auf dem Abreiteplatz den letzten, den entscheidenden Ritt von London-Olympiasieger Steve Guerdat, als der Schweizer riss, war es um Kukuks Fassung geschehen.
In der Heimat freute sich Fußball-Weltmeister Thomas Müller, er ist zusammen mit Madeleine Winter-Schulze Besitzer des Goldpferdes Checker.
Ein Olympiasieg sei "nur wenigen Menschen gegönnt, und ich bin jetzt einer davon", sagte der strahlende Held im roten Rock. Er sei aber eigentlich nach wie vor "nur der Christian Kukuk, der ich sonst auch immer bin".
Checker "in einer eigenen Liga unterwegs"
Sein Pferd, einst entdeckt von Bundestrainer Otto Becker und mit vier Jahren an Kukuks Arbeitgeber Ludger Beerbaum weitergegeben, lobte der neue Olympiasieger in den allerhöchsten Tönen. Checker sei "in einer eigenen Liga unterwegs, und Ludger hat den allerallergrößten Anteil an diesem Gold."
"Abnormal", lautete der erste Kommentar von Kukuks Teamkollegen Philipp Weishaupt, der nach einem Abwurf mit Zineday auf Platz zwölf landete: "Christian hat Abnormales geleistet, das ist so verdient." Altmeister Beerbaum, in Riesenbeck Arbeitgeber von Kukuk und Weishaupt, applaudierte sichtlich ergriffen.
Auch Otto Becker atmete tief durch: "Wir haben hier viele gute Runden, aber auch viel Pech erlebt. Dass wir jetzt so nach Hause fahren können, ist einfach mega." Er sei "super, super happy", sagte der Bundestrainer, "Christians Gold ist für alle eine Riesen-Erleichterung." Ob es nach 15 Jahren für ihn das Finale als Bundestrainer war, ließ Becker zunächst offen: "Es gibt noch keinen Plan, wie es mit mir weitergeht."
Kukuk schreibt seine ganz eigene Geschichte
Es war in vielerlei Hinsicht eine sehr spezielle Medaille: Die insgesamt 100. deutsche bei olympischen Reiterspielen, im Einzel die erste seit Marco Kutschers Bronze 2004 in Athen und die erste goldene seit dem Olympiasieg von Ulrich Kirchhoff und Jus de Pommes 1996 in Atlanta. In Paris holte die deutsche Reiterei insgesamt viermal Gold und einmal Silber, eine beeindruckende Bilanz.
Der 34-jährige Kukuk schrieb vor der Märchenkulisse von Schloss Versailles seine ganz eigene Geschichte. Er blieb als einziger Reiter im ersten Umlauf und im Stechen fehlerfrei, sein 14-jähriger Schimmel-Wallach Checker flog fast mühelos über die Hindernisse, die es wahrlich in sich hatten.
Kukuk profitierte auch von Patzern der Topfavoriten. Die britischen Mannschaftssieger Ben Maher und Scott Brash machten Fehler, Weltmeister und Tokio-Olympiasieger Henrik von Eckermann riss es gar aus dem Sattel. Der Topfavorit aus Schweden stürzte von seinem vierbeinigen Superstar King Edward und schied aus. Silber ging an den Niederländer Maikel van Vleuten mit Beauville, Bronze holte Guerdat mit Dynamix.
Nach den Goldcoups von Vielseitigkeitsreiter Michael Jung, der deutschen Dressur-Mannschaft, Jessica von Bredow-Werndl im Einzel und dem Silber von Deutschlands Rekord-Olympionikin Isabell Werth kehrt die deutsche Reiterei mit vier Goldmedaillen und einmal Silber nach Hause zurück. "Nicht so schlecht", fand Kukuk das: "Es war auch wichtig, dass wir Springreiter ebenfalls bei der Vergabe von Edelmetall dabei waren." Dafür hat er selbst eindrucksvoll gesorgt.