Olympia 2021 - 3x3-Basketball-GOAT Dusan Bulut im Interview: Michael Jordan kopieren? "Ich bin halt ein weißer Junge aus Serbien"

Dusan Bulut hat mit Serbien bei den Olympischen Spielen 2021 um die Goldmedaille im Visier.
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Was zeichnet denn Ihre Spielweise aus?

Bulut: Ich war nie der Schnellste, nie der Explosivste, ich konnte nicht am höchsten springen, also habe ich nach einem anderen Vorteil gesucht. Für mich waren das meine Dribblings, mit denen ich den Gegner aus der Balance bringen und mir so meine Möglichkeiten verschaffen konnte.

Ihr Basketball-Spiel steht wie Streetball im Allgemeinen für eine Menge Spektakel.

Bulut: Wir hatten in unserem Viertel mehrere Courts, auf dem A-Court haben die besten Spieler aus der Nachbarschaft gespielt. Das Ziel als junger Basketballer war natürlich, dorthin zu kommen. Das war einer der Gründe, warum ich diesen Stil entwickelt habe, denn nur so bekommt man die "Ohhs" und "Ahhs" der Zuschauer und zieht Aufmerksamkeit auf sich. So steigt man letztendlich auf.

Sie führen Ihre Gegenspieler öfters auch mal mit spektakulären Moves vor. Wie reagieren Ihre Gegner? Schwingt da der Respekt mit oder werden die auch mal wütend?

Bulut: Ich versuche einfach, eine gute Möglichkeit für mich zu kreieren, um erfolgreich zu sein. Das ist in gewisser Weise Teil der serbischen Mentalität, nicht nur auf dem Basketballplatz, sondern generell im Leben. Ich will meine Gegner nicht in Schwierigkeiten bringen.

Gefürchtet ist vor allem Ihr Shammgod Nutmeg, den Sie selbst mal als den "Bulut Move" bezeichnet haben. Ist das Ihr Signature Move oder haben Sie ganz generell einen Lieblings-Move?

Bulut: Zunächst einmal: Mir ist bewusst, dass die meisten Menschen auf der Welt diesen Move "Shammgod" nennen (in Anlehnung an den ehemaligen Profi-Basketballer God Shammgod, Anm. d. Red.). Er hat ihn zumindest als seinen Move vermarktet. Aber in Serbien ist das der "Bodiroga" nach Dejan Bodiroga. Er hat mit diesem Move angefangen.

Sie haben dem "Shammgod" beziehungsweise "Bodiroga" aber noch eine weitere Komponente hinzugefügt.

Bulut: Genau. Anfangs konnte ich die Bewegung nicht, weil ich keine besonders großen Hände habe. Als ich es nach viel Übung immer besser hinbekommen habe, habe ich dem Move noch ein wenig Glamour hinzugefügt. In meiner Version spiele ich den Ball zusätzlich durch die Beine des Gegenspielers. Diese Variante des Moves habe ich so noch nie zuvor auf professionellem Level gesehen, also habe ich ihn nach mir benannt.

Dusan Bulut: "Auf den Malediven kannst du kein Fünf-gegen-Fünf spielen"

Abseits des Sportlichen steckt noch viel mehr hinter Streetball. Was macht für Sie diesen Sport aus?

Bulut: Das Besondere ist die Kultur, die mit Streetball verknüpft ist. Ich bin in einem Umfeld auf der Straße aufgewachsen, das viele verschiedene Aspekte wie Kunst und Musik, aber auch Zusammenhalt und Loyalität zusammenbringt. Der Sport hat mir Werte vermittelt und wichtige Lektionen erteilt, die mir im echten Leben helfen.

Die Event-Serie Red Bull Half Court versucht, diese Kultur mit Hochleistungssport in Einklang zu bringen. Glauben Sie, dass diese Serie dem Sport helfen kann, weiter zu wachsen?

Bulut: Ich denke schon, denn sie ist authentisch. So wie beim Red Bull Half Court wird Streetball nun mal auf der ganzen Welt gespielt. Das Drei-gegen-Drei der FIBA richtet sich dagegen hauptsächlich an professionelle Spieler. Wenn du neu im Sport bist, ist es hart, auf das nächste Level zu kommen. Hier versuchen wir, jedem die gleiche Chance zu geben. Damit sind wir sehr nah dran am Herzen von Streetball.

Die Event-Serie ist in mehr als 20 Ländern geplant, wie groß ist denn Streetball weltweit gesehen?

Bulut: Fußball ist natürlich die Nummer eins, das ist klar. Aber der Vorteil von Streetball gegenüber dem regulären Basketball ist, dass er in mehr Ländern gespielt werden kann. Ein Beispiel: Auf den Malediven kannst du kein Fünf-gegen-Fünf spielen, in vielen kleineren Ländern fehlt die Infrastruktur dafür. Aber für Streetball mit nur einem Korb und kleineren Teams lassen sich eigentlich immer Leute finden.

Streetball auf den Malediven klingt gar nicht mal so schlecht. Wo liegt denn eigentlich Ihr ganz persönlicher Lieblingscourt?

Bulut: Natürlich spiele ich am liebsten in meiner Heimatstadt. Aber das beste Event, auf dem ich je gespielt habe, ist Quai 54 in Paris. Der Court wird direkt vor dem Eiffelturm aufgebaut, die Atmosphäre dort ist wirklich elektrisierend. Das war bisher meine beste Erfahrung in meinem Leben als Basketballer.

Dusan Bulut: "Die Last des Nationaltrikots wiegt schwerer"

Die Drei-gegen-Drei-Variante ist 2021 erstmals bei den Olympischen Spielen vertreten. Hoffen Sie, dass der Sport durch die spektakuläre Spielweise in Tokio an Popularität gewinnt?

Bulut: Sicher. Egal, um welchen Sport es geht, wenn er ästhetisch ist, zieht er die Leute an - und das ist bei Drei-gegen-Drei definitiv der Fall. Allerdings glaube ich nicht, dass die Olympischen Spiele unbedingt das Umfeld sind, in dem sich die Akteure allzu viele Gedanken über die Ästhetik des Sports machen. Für alle acht Teams ist es die Chance ihres Lebens, eine Medaille zu gewinnen. Das wird für uns alle die größte Bühne unserer Karriere.

Sie sind viermaliger Sieger der FIBA World Tour, viermaliger Weltmeister, zweimaliger Europameister und waren lange Zeit die Nr.1 der FIBA-Weltrangliste. Welchen Stellenwert hätte da eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen?

Bulut: Für mich ist das ein lang gehegter Traum, der in Erfüllung geht - hoffe ich zumindest. Gleichzeitig hat die Coronavirus-Pandemie die Mentalität bei vielen Menschen verändert, auch bei mir. Wie nehmen zu viele Dinge als selbstverständlich hin. Wir werden natürlich alles geben, um bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille zu gewinnen, aber das Wichtigste ist die Gesundheit. Diese Spiele werden anders, als wir es gewohnt sind. Ohne die Zuschauer in den Arenen werden die Sportler mehr im Fokus stehen.

Wir haben Ihre zahlreichen Titel angesprochen, viele davon haben Sie mit Novi Sad, Ihrem Heimatklub, gewonnen. Ist es dennoch etwas Besonderes, mit dem Nationalteam um Medaillen zu kämpfen?

Bulut: Auf jeden Fall! Die ganze Nation steht hinter dir und dadurch spielst du besser. Basketball hat in Serbien viel mit Nationalstolz zu tun. Allerdings wiegt die Last des Nationaltrikots auch schwerer auf deinen Schultern.