Die Olympischen Spiele 2012 in London rücken immer näher. Damit wird es auch für Jonas Reckermann zusammen mit seinem Partner Julius Brink langsam ernst. In seiner SPOX-Kolumne berichtet der 32-Jährige über die Erlebnisse auf seinem Road to London. Diesmal: schauspielernde Models, fürsorgliche Vermieter und Dirk Nowitzki.
Hallo zusammen,
das letzte Trainingslager des Jahres liegt hinter und eine ganz besondere Saison vor uns! Für knapp drei Wochen haben wir an der kalifornischen Pazifikküste unser Lager aufgeschlagen.
Zunächst "besuchten" wir im sehr entspannten und schönen, aber auch etwas noblen Santa Barbara die amerikanischen Olympiasieger Rogers/Dalhausser, im Anschluss folgte noch eine Woche im knapp zwei Autostunden südlich gelegenen Hermosa Beach, einem der schönsten, aber auch hippsten Strände von Los Angeles.
Die Anreise war mal wieder nicht ganz so kurz, aber verglichen mit Neuseeland immer noch ein Kurztrip. Nach zweimaligem Umsteigen in Charlotte und Phoenix landeten wir noch am selben Tag, aber ziemlich ermattet in Santa Barbara.
"Habt Ihr das Gas wieder zugedreht?"
Es erwartete uns ein sehr komfortables Haus mit Außendusche, BBQ, Kabelfernsehen (mit allen NBA-Kanälen) und Geschirrspülmaschine!
Es ließ sich also ganz gut aushalten, wenngleich unsere nebenan wohnenden Vermieter nicht ganz so einfach waren (es trudelten sehr fürsorgliche E-Mails (!) mit dem Wortlaut ein: "Könnt Ihr bitte noch die die Liegen mit den Schutzbezügen über Nacht abdecken" oder "Habt Ihr nach der Nutzung des Grills das Gas wieder zugedreht?").
Wir kämpfen noch heute wegen im Haus zurückgelassenem Sand (völlig untypisch für Beachvolleyballer...) um die Rückzahlung unserer Kaution.
Ein Traum von einem Haus
Während wir an den meisten Tagen am Naturstrand trainierten, lud uns Todd Rogers an einem Tag zum Training und anschließendem BBQ zu sich nach Hause ein.
Was soll man sagen, wenn jemand ein Anwesen inmitten von Weinbergen mit eigenem Beachvolleyballfeld, großem Garten und noch größerem Haus sein Eigen nennt? "Herzlichen Glückwunsch!"
In der zweiten Hälfte unseres Trainingslagers zog es uns an die Strände von Los Angeles und wir begegneten einem völlig anderem Schlag Mensch.
Bloß nicht durchschnittlich und langweilig
Während es in Santa Barbara eher ruhig und fast schon spießig zuging, ist Hermosa Beach mit seinem unfassbaren Strand zwar nicht weniger schön, aber die beste Seite von LA ist eben auch wesentlich lebhafter und es herrscht schon eine ganz besondere Atmosphäre.
Wer einen festen Wohnsitz in Hermosa hat, scheint von Natur aus erfolgreich, gut aussehend und selbstbewusst zu sein - insbesondere aus der Eigenperspektive. Die Leute wollen alles sein, nur nicht durchschnittlich und langweilig.
Man hat den Eindruck, dass jeder etwas besonderes verkörpern möchte und somit begegnet man insbesondere in Strandnähe den skurrilsten Erscheinungen: Personen auf allen bekannten und unbekannten Varianten von Fortbewegungsmitteln, Barfußläufern, lauthals singenden Joggern, Trägern jeglicher Arten von Kopfschmuck sowie Personen, die aus Überzeugung nur einen Schuh (dafür mit Kniestrümpfen) tragen - alles ist erlaubt, Hauptsache man exponiert sich!
"Model und Schauspielerin"
Passend dazu auch die nicht ganz ernst gemeinte Antwort einer nach L.A. umgesiedelten Freundin von Julius (und Architektin) auf die Frage einer Einheimischen nach ihrem Beruf: "Model und Schauspielerin" - "Das sagt man hier doch als Frau...!"
Das große Foto zeigt übrigens den Strand von Hermosa unmittelbar nach Durchzug eines Sturmtiefs - daher die Menschenleere und die ungewöhnliche Sandmusterung.
Es könnte nun der Eindruck entstehen, dass es uns bzw. mir in Hermosa nicht gefallen hat - dem muss ich vehement widersprechen! Das Leben dort ist angenehm, trotz der vielen Leute entspannt, der Strand ist riesig und die Skurrilität der Leute ist mehr erheiternd denn unangenehm!
Nowitzki gegen die Lakers
Ähnliche Beobachtungen konnten wir dann auch am letzten Tag unseres Aufenthalts in L.A. machen, denn wir kamen in den Genuss, das Spiel der Lakers gegen Nowitzkis Mavericks anzuschauen. Zufälligerweise hat die Mutter eines Beachvolleyballers eine tragende Funktion bei den Lakers, für die sein Vater jahrelang auch noch auf Korbjagd ging.
Somit konnten wir aus nächster Nähe das Spiel und den Körperschmuck der Spieler beobachten, denn auch auf dem Spielfeld war der (west)amerikanische Hang zur Exzentrik deutlich sichtbar.
Während Dirk lediglich durch sein Spiel herausragte, versuchte die Mehrheit der weiteren Akteure durch Äußerlichkeiten hervorzustechen: Tattoos bis zum Abwinken, drei (!) Paar übereinander getragene Strümpfe unterschiedlicher Längen, bunte Stirn-, Handgelenks-, Knie-, Ellbogen- und Oberarmbänder in diversen Variationen und natürlich ein Repertoire an Gestik und Mimik, dass jedem der am Seitenrand sitzenden Schauspielern zur Ehre reichen würde!
Es war jedoch für uns ein sensationelles Ereignis, solch großartige Sportler einmal aus nächster Nähe anschauen zu können, leider ging das Match in der Overtime vor 20.000 Zuschauern an die Heimmannschaft (Im Video hatte Dirk die Möglichkeit, die Overtime zu verhindern und den Sieg einzufahren)!
Oldtimer en masse
Nach unserer Rückkehr aus dem Trainingslager sollte eigentlich die Saison mit einem Turnier in Polen losgehen, doch leider muss ich derzeit mit Schulterproblemen passen. Ich bin aber guter Dinge, schon bald wieder ins Turniergeschehen eingreifen zu können!
Ich verabschiede mich mit einem Foto, bei dessen Ansicht insbesondere die Herzen von Oldtimerfreunden höher schlagen dürften.
Sehr zur Freude von Julius findet man im trockenen Kalifornien noch eine große Auswahl an betagten Autos, auch wenn die Modelle auf diesem Bild in erster Linie als Ersatzteillieferanten dienten.
Beste Grüße,
Euer Jonas
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