"Die Probleme der USA sind offensichtlich"

SPOX
26. Juli 201212:14
Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann macht Schwächen bei den NBA-Stars aus Getty
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Ein Fehler im System? Oder Klagen auf hohem Niveau? Warum das US-Team um Gold kämpfen muss. Warum auf Nigeria aufgepasst werden sollte. Und warum Deutschland einen Weltklasse-Spielmacher der Zukunft verloren hat. Dirk Bauermann, Ex-Bundestrainer und Headcoach des FC Bayern, diskutiert mit den SPOX-Redakteuren Haruka Gruber und Florian Regelmann sowie dem Triangle-Offense-Experten Philipp Dornhegge über die fünf wichtigsten Thesen vor dem Olympischen Basketballturnier.

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These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

Haruka Gruber: Absolut: ja. Man sollte sich nur an die WM 2010 erinnern, als das US-Team mit einer wesentlich schlechter besetzten Mannschaft und Kevin Durant als einzigen Superstar souverän Gold geholt hat. Und diese Mannschaft wird jetzt verstärkt mit LeBron, Kobe, Melo und Chris Paul. Wer soll ihnen Schwierigkeiten bereiten? Argentinien ist uralt. Dass selbst an eine Nominierung vom 37-jährigen Fabricio Oberto gedacht wurde, sagt alles. Manu Ginonili hatte mit seinen 34 Jahren in der Saison starke Phasen, aber eben auch Verletzungspausen. Und es kommt von unten fast nichts nach. Griechenland ist wie Serbien nicht mal qualifiziert. Und warum sollte Litauen besser sein als bei der EM, als trotz Heimvorteils im Viertelfinale das Aus kam? Bei Frankreich fehlt der verletzte Joakim Noah und Tony Parker muss mit einer ungewohnten Schutz-Brille spielen, weil bei der Schlägerei in einem New Yorker Club ein Auge fast komplett ausgestochen worden wäre. Das wird sich bemerkbar machen. Daher bleiben nur die Spanier als echte Herausforderer - wobei Ricky Rubio nicht dabei ist. Im Kampf um Gold wird's eine langweilige Angelegenheit.

Dirk Bauermann: Tendenziell stimme ich Herrn Gruber zu. Viele Länder scheinen im Vergleich zu 2008 schwächer zu sein, am offensichtlichsten ist das bei den Griechen, die mitten im Umbruch stecken. Daher sehe ich nur Spanien, das sich im Vergleich zu den letzten Olympischen Spielen auf ein höheres Level verbessert hat. Marc Gasol entwickelt sich seitdem sehr gut und Serge Ibaka wird nach seinen Anpassungsproblemen an den FIBA-Basketball bei der WM 2010 noch stärker sein. Ich rechne außerdem mit Brasilien. Im Grunde ist das alles jedoch nicht so wichtig: Die USA sind haushoher Favorit. Sie werden ohnehin Gold holen und im gesamten Turnier kein einziges Spiel verlieren. Denn: Sie stehen mindestens eine Ebene über allen anderen.

Florian Regelmann: Das kann ich so nicht unterschreiben. Spanien hat zum ersten Mal Ibaka im Kader, wenn es gegen die USA geht. 2010 fehlte bei der WM, wie wir alle wissen, Pau Gasol. Heißt: Die Gasol-Brüder plus Iblocka - Spaniens Frontcourt wird den Amerikanern brutale Probleme bereiten. Frankreich ist meiner Meinung nach so stark wie nie und auf einem Level mit den Spaniern. Vor allem der Parker-De-Colo-Backcourt hat es in sich. Es ist ja ab der nächsten Saison ein reiner San-Antonio-Backcourt. De Colo ist ein explosiver Scorer, ich erwarte, dass er im Popovich-System in der NBA ebenfalls eine gute Rolle spielt. Und Argentinien bleibt Argentinien. Zu alt? Wenn ich das schon höre! Ich kenne keine abgezocktere Truppe als diese Argentinier. Dass Brasilien gefährlich ist, hat man in der Vorbereitung gesehen. Ich gehe zwar schon davon aus, dass die US-Boys Gold gewinnen, klar, dennoch werden wir ein paar richtig enge Spiele sehen.

Philipp Dornhegge: Ich sehe es ähnlich wie Florian. Zunächst einmal haben die USA die eindeutig schwerere Gruppe erwischt. Abgesehen von den beiden afrikanischen Mannschaften sind Frankreich, Argentinien und mit Abstrichen Litauen theoretisch in der Lage, die USA zu schlagen, wenn die nicht voll da sind. Das Viertelfinale wird vermutlich ein Spaziergang, ein Halbfinale gegen Russland kann hingegen eine Herausforderung werden, ein Finale gegen Spanien sowieso. Die Iberer werden hoch motiviert sein, kommen abgesehen von Rubio in Topbesetzung und sind international unglaublich erfahren. Klar: Im Normalfall müssen die Amis jeden Gegner schlagen und Gold holen. Aber das war in den vergangenen Jahren immer so. Die Ausgangssituation ist die selbe und hätte sich auch nicht geändert, wenn die Serben, Türken, Italiener oder Griechen dabei wären.

These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.

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These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

Philipp Dornhegge: Auf keinen Fall. Die angebliche Auflösung der Positionstreue, die die Amerikaner im internationalen Basketball beobachtet haben wollen, halte ich für ziemlich überheblich. Die europäischen Center spielen nur etwas anders als die oftmals grobschlächtigen Ami-Kolosse. Kobe Bryant wird sich nicht für Melo auf die Bank setzen, sodass die drei Jungs nicht die Positionen Shooting Guard bis Power Forward, sondern Small Forward bis Center bekleiden müssten. Ich würde gern sehen, wie LeBron als Center damit umgeht, dass ihm ein Mozgov alle fünf Sekunden seine spitzen Ellenbogen in den Rücken rammt. Das ist - vorsichtig ausgedrückt - ein schmutziger Job, für den man Leute braucht, die sich damit auskennen. Das Gequatsche, dass James in der NBA jede Position spielen kann, ist Unfug. Und es ist auch im Kontext des internationalen Spitzenbasketballs Unfug. Und außerdem respektlos den Gegnern gegenüber. Spätestens gegen Spanien würden den drei Small Forwards von den Gasol-Brüdern ihre Grenzen aufgezeigt werden. Da müssen ein Tyson Chandler, ein Kevin Love oder für ein paar Minuten sogar ein Anthony Davis zwingend auf dem Feld stehen.

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Florian Regelmann: Wenn man auf einen Boxscore klickt und Durant nicht in der Starting Five sieht, ist das schon ein extrem merkwürdiger Anblick. Ich bin allerdings gar nicht dagegen, KD die Bankrolle zu geben. Von der Persönlichkeit her ist er absolut am besten geeignet, das zu akzeptieren, die Rolle anzunehmen und ein überragendes Turnier zu spielen. Genau diese Einstellung macht Durant so groß. Ich bin aber entschieden gegen Chandler als Starting-Center. Und ich bin vor allem entschieden dagegen, dass Kevin Love anscheinend keine größere Rolle in der Rotation haben wird. Wäre ich Coach K, dann würde Love auf der Center-Position starten. Er ist absolut wie gemacht, um auf internationalem Parkett die Fünf zu spielen. Er ist einer der besten Dreierschützen überhaupt und im Pick'N'Pop eine Bank. Und an Schützen mangelt es ihnen eh wie praktisch immer. Wenn er die Minuten bekommt, wird er zudem der beste Rebounder im Turnier sein. Wenn er nicht viel zum Einsatz kommt, kann ich nur sagen: I don't get it.

Dirk Bauermann: In den Staaten wird ja hoch und runter diskutiert, ob die Mannschaft nicht zu klein ist, gerade für den europäischen Basketball, wo sehr große und körperliche Spieler gefragt sind. Und wo von den Referees in Korbnähe mehr Physis zugelassen wird. Dem US-Team fehlt daher neben Chandler ein weiterer nomineller Center. Stattdessen werden Sie häufig mit drei Flügeln spielen und versuchen, mit aggressiver Verteidigung und sehr schnellem Spiel ihre Stärken zum Tragen zu bringen. Das ist genau der richtige Ansatz angesichts der Mannschaftszusammenstellung: Wenn sie ins Laufen kommen, sind sie nicht zu stoppen. Aber: Es war schon im Test gegen Brasilien zu sehen, wie den Amerikanern beizukommen ist. Vor allem wenn der Gegner über gute Außenspieler verfügt, die den Ball nach innen bekommen. Die Probleme der USA am defensiven Brett sind offensichtlich. Und: Durch die vielen Flügelspieler im Kader müssen häufig zwei Spieler eine Position einnehmen, die nicht natürlich für sie ist. Wenn zum Beispiel Melo als Power Forward eingesetzt wird und statt zum Korb nach außen geht, sieht das nicht immer rund aus.

Haruka Gruber: LeBron, Durant und Melo gehören neben Kobe und Chris Paul zu den fünf individuell besten Spielern der USA. Da ist der Gedanke grundsätzlich schon nachvollziehbar, dass man versucht, die drei Small Forwards irgendwie zusammen auflaufen zu lassen. Nur wie soll das gehen? Durant war bei der WM 2010 der alles überragende Mann in Abwesenheit der anderen Superstars. Kann er genauso effektiv ohne Ball sein? Vielleicht ja, vom Typ her könnte er gut mit LeBron koexistieren. Daher: Chandler oder Love als Center, LeBron als Power Forward, Durant als Small Forward, dazu Kobe und Paul. Aber wenn man Melo noch irgendwie reindrücken wollen würde, wäre das des Guten zuviel. In New York beweist er eindrucksvoll, dass er einfach nicht gut darin ist, in der Ecke zu lauern und auf den Pass zu warten. Er muss die Initiative ergreifen können - doch das ist der Job von LeBron und/oder Kobe. Von daher: Melo als Sixth Man für LeBron oder Durant und gut ist.

These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.

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These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

Haruka Gruber: Ja. Nigeria war noch nie Afrikameister, noch nie bei Olympia und erst einmal bei der WM dabei. Man steht sonst immer im Schatten von Angola, doch jetzt könnte etwas gehen. Die NBA-erprobten Ike Diogu und Al-Farouq Aminu werden eines der besten Frontcourt-Duos des Turniers sein. Vor allem wird es am Brett ordentlich zur Sache gehen. Und das Olympia-Qualifikationsturnier verlief überragend: Erst Litauen und Griechenland besiegt, dann nach der knappen Niederlage gegen Russland das Do-or-die-Spiel gegen die respektable Dominikanische Republik mit 15 gewonnen. Der Viertelfinaleinzug wäre eine Sensation - aber warum nicht? Die USA mal außen vor, müssten die Nigerianer einen aus Frankreich, Argentinien oder Litauen schlagen. Vor allem Litauen traue ich erst recht nach dem Ausfall von Kapitän Robertas Javotakas nicht viel zu.

Florian Regelmann: Nigeria wird Tunesien schlagen, mehr nicht. Auch wenn sie Litauen beim Quali-Turnier irgendwie geschlagen haben, bei Olympia werden sie das nicht noch mal schaffen. Da können wir gerne wetten, Haruka. Also: Vorrunden-Aus. Mein Überraschungsteam ist vielmehr Australien. Ich kann mir vorstellen, dass die Aussies in ihrer Gruppe hinter Spanien sogar Zweiter werden. Um das zu betonen: Also vor Russland, Brasilien und Großbritannien. Ich sag nur eins: Watch out for Matthew Dellavedova! Einer meiner Lieblings-College-Spieler. Der Guard von St. Mary's wird es wie Patty Mills in die NBA schaffen. David Andersen spielt jetzt in Siena, Joe Ingles spielt bei Barca. Das ist eine gute Truppe. Und: Brett Brown ist ein Top-Coach und seit einer Ewigkeit Popovich-Assistent in San Antonio. Kein Wunder, dass die Aussies extrem von den Spurs geprägt sind.

Philipp Dornhegge: Nigeria wird nichts reißen - und zwar aus dem einfachen Grund: Die Gruppe A ist einfach zu stark besetzt. In der Quali haben die Afrikaner Griechenland rausgehauen und sich gegen Russland wacker geschlagen, das darf man jedoch nicht eins-zu-eins auf die Olympischen Spiele übertragen. Litauen, gegen das Nigeria ebenfalls gewonnen hat, wird in London anders auftreten, dazu kommen die USA, Argentinien und Frankreich, die allesamt mindestens eine Nummer zu groß sind. Ich mag Aminu und glaube, dass er sich in der NBA durchsetzen wird. Diogu ist für internationale Verhältnisse nicht schlecht. Das reicht in Gruppe A dennoch nie und nimmer für Platz vier. Ein Sieg gegen Tunesien würde Nigeria wohl kaum zur Überraschung des Turniers machen. Wenn es eine Überraschungsmannschaft gibt, kommt für mich nur Großbritannien in Frage. Diese Truppe hat international noch nichts gerissen, weiß aber den Heimvorteil hinter sich und mit Luol Deng einen NBA-Spieler in den Reihen, der schon bei der EM 2011 richtig groß aufspielte. Die Hälfte der Mannschaft spielt zudem in Topligen wie Spanien, Griechenland oder der Türkei. Joel Freeland wagt in der kommenden Saison den Sprung in die NBA, Pops Mensah-Bonsu ist nicht nur Publikumsliebling, sondern ein toller Arbeiter unter den Körben. Wenn die Briten halbwegs ordentliches Point-Guard-Play bekommen, haben sie in der leichteren Gruppe B eine Chance.

Dirk Bauermann: Ganz abschreiben würde ich die Nigerianer nicht. Ich habe sie zweimal vor Olympia gesehen: eine sehr unangenehm zu spielende, sehr athletische Mannschaft. Ob das fürs Viertelfinale reicht, wage ich allerdings auch zu bezweifeln. Ich bin am meisten auf Brasilien gespannt, obwohl es kein klassischer Geheimfavorit ist. Über Talent verfügten sie schon immer, mit Trainer Ruben Magnano kehrte jedoch die nötige Disziplin ein. Ich erinnere mich noch an die Olympia-Qualifikation 2008, als sich die Brasilianer unter anderem gegen uns selbst geschlagen haben mit schlecht vorbereiteten Würfen und schlechter Verteidigung. Jetzt treten sie kontrollierter und strukturierter auf und vernachlässigen nicht die Defense. Gleichzeitig besitzen sie nach wie vor die Kreativität. Das könnte sehr interessant werden. Auf den großen Positionen sind sie extrem tief mit Tiago Splitter, Nene und Anderson Varejao. Dazu Marcelinho Huertas: ein Point Guard, der vielen NBA-Teams gut zu Gesicht stehen würde und ein ähnliches Gefühl für das Spiel besitzt wie Steve Nash.

These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.

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These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

Florian Regelmann: Für mich gibt es ein Grundgesetz. Es kann nur jemand zum MVP gewählt werden, der Teil der Meister-Mannschaft ist, oder im Olympia-Fall Teil des Gold-Teams. Alles andere ist völliger Nonsens. Es kann auch grundsätzlich keiner Man of the Match werden, wenn sein Team das Spiel nicht gewinnt. Da ich die Russen für überschätzt halte und nicht mal eine Medaille sehe, scheidet Kirilenko schon mal komplett aus. MVP wird LeBron. Regular-Season-MVP, Finals-MVP, Olympia-MVP. Kobe wird sich zurückhalten und eventuell aufs Closen beschränken, Durant steckt vom Naturell her im Zweifel eher zurück gegen LeBron. James wird das ganz sicher an sich reißen und das auch so wollen.

Haruka Gruber: Naja, das ist eine zu strenge Definition. Um der MVP zu sein, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. A) Die Nationalmannschaft ist erfolgreich. Und B) Es gibt einen Spieler in der Nationalmannschaft, der hervorsticht. Wegen des zweiten Kriteriums fallen eine ganze Latte an Spielern raus: Die vom US-Team, weil es sich anders als bei der WM 2010 nicht alles auf Durant konzentrieren wird, genauso die sehr ausgeglichenen Spanier. Bleiben daher vier Kandidaten: Argentiniens Ginobili, Frankreichs Parker, Großbritanniens Luol Deng und Russlands Kirilenko. Und dann geht es nach dem Ausschlussprinzip: Argentinien wird enttäuschen, daher Ginobili raus. Frankreich spielt um die Medaillen mit, aber Parker wird nach der Verletzung nicht bei hundert Prozent sein, daher auch raus. Deng wird Monster-Zahlen auflegen, aber Großbritannien wird nicht weit kommen, daher auch raus. Bleibt Kirilenko: Bei der EM und in der abgelaufenen Euroleague-Saison spielte er phänomenal, dazu war er beim Olympia-Quali-Turnier unglaublich produktiv. Und: Trotz der Qualifikation wird er nicht allzu müde sein, weil er als Euroleague-Spieler weniger beansprucht wurde wie früher noch in der NBA.

Philipp Dornhegge: Wie Großbritannien hat Russland als einer der letzten Qualifikanten die Gruppe B erwischt - und sollte dort hinter Spanien Zweiter werden. Das Viertelfinale ist aus meiner Sicht Pflicht, was darüber hinaus kommt, hängt sicher vom Gegner ab. Kirilenko ist bei internationalen Turnieren immer ein MVP-Kandidat, weil er für seine Mannschaft alles macht: scoren, rebounden, passen, Würfe blocken und Steals sammeln. Er ist nicht so spektakulär wie die Amis, nicht so ästhetisch wie La Bomba Navarro, aber er ist ein Winner. Das allein macht die Russen zu einem gefährlichen Team. Ich glaube trotzdem nicht, dass sie mit dem Talent von Spanien und den USA mithalten können. Selbst gegen Argentinien und Frankreich wird es verdammt schwer. Ich vertrete in letzter Konsequenz die Meinung, dass nur derjenige der MVP werden kann, der seine Mannschaft zumindest ins Endspiel führt. Und deshalb kommen für mich nur Navarro, die Gasols, LeBron oder Durant in Frage.

Dirk Bauermann: Eine ziemlich spekulative These. Was man allerdings sagen kann: Ich verfolge Kirilenko schon seit langem, wir haben viele Sommer gegen ihn gespielt. Und mir fällt auf, dass er jetzt auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist. Sicher tat ihn das Jahr in Europa gut. Er gehört zu den besten Basketballern überhaupt bei Olympia. Und er wird auch einer der dominantesten Spieler des Turniers sein. Ob das für den MVP-Award ausreicht oder nicht, müssen wir sehen. Die Chancen stehen jedoch nicht schlecht: Die Russen besitzen um Kirilenko herum eine starke Mannschaft. Vielleicht sind sie neben Spanien sogar die gefährlichste europäische Mannschaft. Russland und Kirilenko ist einiges zuzutrauen.

These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.

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These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.

Dirk Bauermann: Die These impliziert ja, dass die deutsche Mannschaft unten liegt. Das stimmt nicht: Wir waren immer an der Weltspitze dran und fuhren in den letzten Jahren gute Ergebnisse ein. Der aktuellen Generation kommt es zugute, dass viele schon bei der EM 2009 dabei waren und jetzt bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig ist der europäische Basketball, wie in These 1 schon diskutiert, nicht mehr so stark wie noch vor fünf, sechs Jahren. Daher erwarte ich einiges für die nahe Zukunft, wenn sich die Deutschen in diesem Sommer mit einer guten Qualifikation das Ticket für die EM 2013 sichern und Selbstvertrauen tanken. Was mir besonders gefällt: Die U 20 ist ein starker Jahrgang und so tief besetzt, dass bei der Junioren-EM ein Bogdan Radosavljevic oder ein Maxi Kleber fehlen. Und was noch viel wichtiger ist: Die U 20 ist kein alleinstehender Leuchtturm und in den folgenden Jahrgängen wird es dunkel. Die U 18 besiegte in der EM-Vorbereitung unter anderem die Serben sowie die Russen und ist absolut wettbewerbsfähig, die U 16 steht vorzeitig im EM-Viertelfinale. Es ist nicht so wie nach der Nowitzki-Generation, als zehn Jahre nur wenig nachkam. Stattdessen haben sich die Strukturen so verbessert, dass Jahr für Jahr stabil für Nachwuchs gesorgt ist. Das ist eine tolle Basis für die nächsten zehn Jahre.

Philipp Dornhegge: Es wäre schön, daran glauben zu können. Nur sehe ich derzeit wenig Grund für diesen Optimismus. Schön ist natürlich, dass wir im europäischen Vergleich mit die besten Arenen haben, dass die Zuschauer kommen und die Liga auch dank der Bayern in einer ganz guten Verfassung ist. Das schlägt sich jedoch leider nicht in der Qualität der Nationalmannschaft wieder - zumindest noch nicht. Und der entscheidende Grund ist immer noch der, den nicht zuletzt Coach Bauermann regelmäßig anführt: Wir lassen in Deutschland weiterhin zu viele Ausländer spielen. Ohne Frage beleben einige Amerikaner und Osteuropäer unsere Liga, allerdings stehen in letzter Konsequenz die ganzen Mittelklasse-Ausländer der Entwicklung unserer Talente im Weg. So wie bei Daniel Theis in Braunschweig. Man kann nur hoffen, dass Lucca Staiger in Ludwigsburg endlich mal Minuten bekommt und noch ein oder zwei Schritte nach vorne macht. Oder dass Philipp Schwethelm in Ulm fit ist und einschlägt. Mit Tibor Pleiß' Entwicklung kann man glaube ich zufrieden sein. Ein großes Problem darf man dennoch nicht übersehen: Im internationalen Spitzenbasketball braucht man mehr als alles andere Playmaker. Steffen Hamann und Heiko Schaffartzik sind solide, aber sicher keine Teodosic', Jasikevicius' oder Calderons. Per Günther und Bastian Doreth sind talentiert, aber ob sie jemals echte Spitzenklasse verkörpern werden? Ich sehe im Moment keinen Point Guard, der unser Spiel für ein Jahrzehnt bei einer EM und WM wird prägen können.

Bauermann: Bei der U 18 haben wir Ismet Akpinar, bei dem wir hoffen müssen, dass er sich nicht für den türkischen Verband entscheidet. Es gibt noch Mauricio Marin, den ich zukünftig bei den Bayern trainiere, und natürlich Dennis Schröder von der U 20. Aber es stimmt, bei den Point Guards fehlt uns die Tiefe. Das hängt damit zusammen, dass wir in Deutschland schon bei den Zwölf-, 13-Jährigen den falschen Ansatz wählen. Statt aufs Talent zu schauen, lassen wir den Kleinsten in der Mannschaft Aufbau spielen. Die Jugoslawen machen uns seit gefühlten 100 Jahren vor, wie es geht: Wer das Gefühl als Point Guard mitbringt, bekommt den Ball. Wenn wir diese Einstellung in Deutschland haben würden, hätte Heidelbergs Paul Zipser zu einem 2 Meter großen Spielmacher europäischer Qualität werden können. Keine Frage, er kann mit dem Ball umgehen und wird zu den dominierenden Außenspielern Europas gehören. Allerdings ist es jetzt zu spät, um aus ihm einen reinen Point Guard zu machen.

Florian Regelmann: Ich wäre ja gerne optimistisch, um allerdings ehrlich zu sein: Ich weiß gerade nicht so wirklich, warum man das sein sollte. Zumindest noch nicht. Potenzial ist sicher da, keine Frage, dennoch bin ich wirklich skeptisch. Robin Benzing hatte ich mal den Sprung in die NBA am ehesten zugetraut, diese Vorstellung kommt mir heute völlig abstrus vor. Nach einer hoffnungsvollen EM so in der BBL abzutauchen, und in den Playoffs zum Totalausfall zu werden - das ist mehr als enttäuschend. Mir ist auch vollkommen egal, wie viele Ausländer in der BBL spielen. Wenn Benzing so gut ist, dann muss er sich einfach durchsetzen und dann erwarte ich, dass er zu den Topscorern der BBL gehört. Das ist mehr eine Mentalitätsfrage als eine Frage des Talents. Elias Harris' Entwicklung ist mindestens ebenso enttäuschend, Schwethelm soll jetzt in Ulm wieder zu sich finden. Und Pleiß muss sich jetzt erst mal in Spanien durchsetzen. Ob er dafür tough genug ist? Die Generation mit Theis, Patrick Heckmann, Philipp Neumann und Co. gibt Anlass zur Hoffnung, so eine Demolition von Griechenland bei der U-20-EM ist durchaus cool. Es ist trotzdem viel zu früh, um davon sprechen zu können, dass man auf dem Weg nach oben ist. Es gibt zu viele Fragezeichen und vor allem zu viele Jungs wie Benzing, die noch nichts bewiesen haben.

Bauermann: Ich habe täglich mit Robin zu tun und ich bin sehr zufrieden mit ihm. Er hat wie jeder junge Spieler das Recht, Erfahrungen zu sammeln und klüger zu werden. Nach seinen gesundheitlichen Problemen in der Vorsaison hat er sehr hart gearbeitet. Er versteht jetzt absolut, was es heißt, ein Profi zu sein. Und wie hart man dafür arbeiten muss. Ich bin absolut sicher, dass er mit der Nationalmannschaft einen guten Sommer erlebt und in der nächsten Saison einer der besten BBL-Spieler sein wird - nicht nur unter den Deutschen, sondern in der gesamten Liga. Ich glaube zu hundert Prozent an ihn.

Haruka Gruber: Ich bin nicht ganz so optimistisch wie der Coach, gleichzeitig nicht so skeptisch wie Philipp und Florian. Es spricht einiges dafür, dass die Deutschen ganz oben angreifen können: Viele Konkurrenten werden alt und nach dem Ende ihrer goldene Generationen werden Argentinien, Griechenland und Spanien nicht mehr so überragend sein wie in den letzten zehn Jahren. Außerdem schadet die ab der nächsten BBL-Saison geltende 6+6-Regelung zunächst die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesligisten - aber mittelfristig dürfte die Nationalmannschaft von den steigenden Einsatzzeiten für deutsche Spieler profitieren. Das Problem: Es wird etwas dauern. Dem aktuellen DBB-Team fehlt der gesunde Mittelbau an Spielern zwischen 25 und 30 Jahren. Dass 18 von 24 Spielern aus dem erweiterten DBB-Kader 23 Jahre oder jünger sind - vielversprechend und schön. Was hilft es jedoch, wenn Pleiß der Einzige ist, der bei einem europäischen Topteam unter Vertrag steht? Die meisten schaffen es nicht einmal in der BBL oder am College in die Rotation. Von daher: Es geht in die richtige Richtung, aber es wird mindestens drei bis vier Jahre dauern, bis man wieder zu den Topteams zählt. Außer Pleiß und zwei, drei andere aus seinem 1989er-Jahrgang entwickeln sich deutlich schneller als erwartet, was nicht ganz ausgeschlossen ist. Mit einem dann 36-jährigen Dirk Nowitzki wäre bei einer möglichen WM 2014 vielleicht, vielleicht, vielleicht eine Medaille drin.

These 1: Die Konkurrenz für die USA ist so schwach wie lange nicht.

These 2: Team USA soll gleichzeitig mit LeBron/Durant/Melo starten.

These 3: Nigeria wird das Olympia-Überraschungsteam.

These 4: Russlands Andrei Kirilenko wird der Olympia-MVP.

These 5: Das deutsche Team ist wieder auf dem Weg nach oben.