Bei 21,84 Meter schlug das Rundeisen im Rasen ein, sechs Zentimeter weiter als bei seinem Sensationssieg von Daegu vor einem Jahr. Doch damit nicht genug. Storl legte 21,86 Meter nach. Nur der Pole Tomasz Majewski ließ sich nicht schocken. Der Titelverteidiger konterte, und gewann wie schon vier Jahre zuvor in Peking Gold. Mit nur drei Zentimetern Vorsprung.
Die letzte deutsche Medaille bei Olympia hatte Ulf Timmermann vor 24 Jahren gewonnen. 1988 in Seoul wuchtete Storls großes Vorbild das Eisen auf den immer noch gültigen Olympischen Rekord von 22,47 Meter.
Storl nahm damit bei allen Großereignissen eine Medaille mit nach Hause. In seiner noch jungen Karriere hatte sich der 22 Jahre alte Sachse bereits Gold bei der WM 2011 und bei der EM 2012 sowie Silber bei der Hallen-WM in diesem Frühjahr gesichert. Nur in Istanbul unterm Dach stieß Storl mit 21,88 Metern jemals weiter.
"Ich bin nicht traurig, denn ich habe Silber gewonnen. Das ist ein Riesenerfolg", sagte Storl. Der 22-Jährige freut sich schon jetzt auf eine Revanche bei den Spielen 2016 in Rio. "Tomasz hat mir gleich nach dem Wettkampf gesagt, in vier Jahren sei ich dran." Das Duell mit dem Polen hat Storl nach eigener Aussage viel Spaß gemacht: "Ich mag es, wenn es so eng zugeht."
"Augen zugefallen"
Inspiriert vom Olympischen Feuer und Plüsch-Ente "Wilson" hatte Storl morgens mit dem ersten Versuch in der Qualifikation das Finale erreicht. Beim Frühstück um sieben Uhr seien ihm noch "die Augen zugefallen". Drei Stunden später war Storl dann aber ausgeschlafen genug, um mit der zweitbesten Weite in den Kampf der zwölf Besten um die Medaillen am späten Abend einzuziehen.
Storl war von seinem ersten Auftritt unter der Fahne mit den fünf Ringen beeindruckt: "Ich habe es noch nie erlebt, dass das Stadion bei einer Qualifikation ausverkauft war. Das war Wahnsinn." Auch die Flamme, die genau in der Stoßrichtung lodert, habe ihn begeistert. "Das Olympische Feuer zu sehen, hat mich sehr gefreut", sagte Storl, ehe er sich am Nachmittag im nicht weit entfernten Zimmer des Olympischen Dorfes eine Stunde aufs Ohr legte.
Schicksalsschlag vor den Spielen
Die Konzentration auf den wichtigsten Wettkampf seiner Karriere hatte in den vergangenen Tagen darunter gelitten, dass ihm eine Reizung der Patellasehne zu schaffen gemacht hatte und dass er den Tod seiner Oma Adelheid verarbeiten musste.
Zwei Tage vor der Eröffnungsfeier und seinem 22. Geburtstag war die Großmutter im Alter von nur 64 Jahren an einem Hirnschlag verstorben. Mit dem Wohnmobil hatte sie nach London kommen wollen, um dem Enkel bei dessen olympischer Feuertaufe die Daumen zu drücken.
Über die schweren Stunden hat Storl neben der Familie auch seine Freundin hinweggeholfen, die Kanutin Carolin Leonhardt. Die Weltmeisterin im Viererkajak, die in London ihre zweite Goldmedaille nach 2004 anstrebt, schenkte ihrem "Storli" zudem einen Talisman: Plüsch-Ente "Wilson", die an der Sporttasche baumelte, erwies sich als der erhoffte Glücksbringer, auch wenn es für den ganz großen Wurf nicht reichte.