Englischer Humor in Brasilien: 3,29 Morde und 250 Straßenraubüberfälle soll es in Rio pro Tag geben. Diese Zahlen befeuern natürlich das Unwohlsein, wenn man kurz vor einer Reise an die Copacabana steht. Ist man erstmal ein paar Tage in der Stadt, relativiert sich das ungute Gefühl. Zumindest wenn man wie ich - toi, toi, toi - bislang verschont geblieben ist.
Aber wie leben eigentlich die Einwohner Rios, die Carioca, mit der anscheinend ständigen Gefahr. Im Shuttle-Bus vom Olympiapark zu meinem Hotel bekomme ich endlich die Gelegenheit, eine im Pressezentrum angestellte Brasilianerin danach zu fragen.
Sie ist in Rio geboren und 35 Jahre alt, fünf Jahre davon hat sie in den USA verbracht. Verbleiben 30 Jahre am Zuckerhut, in denen sie fünf Mal ausgeraubt worden sei, wie sie mir berichtet. In meiner Gegenwart fühle sie sich aber sicher, sagt sie.
Ich gebe es zu: In mir steigt kurzzeitig das Gefühl empor, ein toller Hecht zu sein. Wahrscheinlich grinse ich auch noch entsprechend dämlich. Doch die Brasilianerin nimmt mir schnell den Wind aus den Segeln: "Nicht weil du groß oder stark wärst. Sondern weil du eine derart weiße Hautfarbe hast, dass dich wirklich jeder sofort als Gringo erkennt. Und die werden immer zuerst überfallen."
Der Polizist wünscht Glück: Mein Hotel liegt in einer ganz guten Gegend. Im näheren Umkreis kann man sich problemlos frei bewegen. Morgens fährt der Bus allerdings an einer ziemlich heruntergekommenen Straße ein paar hundert Meter entfernt ab. Hier ist mir anfangs etwas mulmig.
Entlang der Straße steht ein großer Metallzaun, der einen Bürokomplex sichert. Der bisher immer gleiche Polizist bewacht das Tor zur Straße. Ich wurde direkt am ersten Tag von einem Hotelangestellten angewiesen, so lange hinter dem Zaun zu warten, bis der Bus anhält und dann erst die ungefähr 200 Meter zurückzulegen.
Ich habe das am ersten Tag befolgt, am zweiten und dritten schon nicht mehr. Zumal auch ein paar spanische Journalisten die Vorsichtsmaßnahme für unnötig hielten. Am Montagmorgen - ich bin zehn Minuten zu früh dran, alleine und will im Moment das Tor zur Straße durchqueren - pfeift mich der Polizist zurück.
"Bleib hier, ist sicherer", sagt er: "Und nimm deine Akkreditierung ab. In die Tasche damit." Jetzt ist mir wirklich mulmig. Warum er mich heute warnt und dies zuvor nicht gemacht hat, will ich wissen. "Weil der Feiertag und das Wochenende vorbei sind. Heute ist es in diesem Chaos wesentlich gefährlicher. Glaub mir", antwortet er.
Was bleibt mir anderes übrig, als genau das zu tun? Als ein paar Minuten später der Bus angefahren kommt, verpasst mir der Polizist einen festen Händedruck, zeigt mir den nach oben gestreckten Daumen und sagt: "Viel Glück." Hat der mir jetzt wirklich für 200 Meter Fußweg Glück gewünscht?
Wenn der Schwabe ein Geschäft wittert: Schwobaseggl ist kein nettes Wort - ganz im Gegenteil. Vornehmlich benutzt es der gemeine "Gelbfüßler" aus Baden, um seinen Nachbarn aus Württemberg zu diskreditieren. Und ich - selbst Schwabe - würde es niemals in den Mund nehmen geschweige denn niederschreiben, wenn es in diesem Fall nicht so zutreffend wäre.
Die Geschichte geht so: Im Pressezentrum gibt es ein Buffet. Das Schild davor verkündet, dass 100 Gramm 10 Real und damit ungefähr 2,80 Euro kosten. Nun hat ein mir gut bekannter, aus Schwaben stammender Kollege das so interpretiert, dass ein Teller mit Essen für 10 Real zu haben wäre.
Der Schwabe wittert also ein verdammt gutes Geschäft und wird plötzlich großzügig. Er schaufelt immer mehr Essen drauf, mit einem berstend vollen Teller geht er zur Kasse. Er staunt nicht schlecht, als die Kassiererin den Teller nimmt und auf die Waage stellt.
Wer hätte auch gedacht, dass über 1000 Gramm auf so einen Teller passen? Die Rechnung: Gut 100 Real, also etwas mehr als 28 Euro. Respekt!