"Wir haben schmerzlich erfahren müssen, dass das Leben eines Turners eine Hure ist, die nur zu gern ihre Beine spreizt", schrieb der 27-Jährige auf seinem Facebook-Profil zu den Erfahrungen in Rio. Ja, er und seine Kollegen hatten in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele "Blut, Schweiß und Tränen" gelassen. Sie hatten auf "Freizeit, Freunde und Familie" verzichten müssen. Aber deshalb dieser Kommentar?
"Das muss jeder selbst wissen, was er da schreibt", sagte Teamkollege Marcel Nguyen zu Bretschneiders unüberlegter Veröffentlichung. Und obwohl der Autor selbst rasch das Ausmaß seiner Sätze begriff, sagte er von sich überzeugt: "So bin ich eben, ein Mann der klaren Worte." Was genau er mit seinem Post sagen wollte, blieb allerdings offen.
Um wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen, will Bretschneider am Mittwoch im Mehrkampffinale glänzen und die Turnwelt revolutionieren. Der Bretschneider II, eine Weiterentwicklung des selbst kreierten und mittlerweile anerkannten gehockten Doppelsaltos mit zwei Schrauben, soll endlich unter Wettkampfbedingungen gelingen. Nur dann werden ihn die Regelhüter in ihre Listen aufnehmen, erst dann wird das Element das schwierigste sein, das jemals auf der offiziellen Bühne geturnt wurde.
Nguyen: "Breti ist unser Lemming"
"Es ist ganz klar, was das Mehrkampffinale für mich bedeutet. Ich will Vollgas geben. Ich werde angreifen", sagte der Reck-Spezialist, der im Wettstreit um die Medaillen keine Chance haben wird. Deshalb kann er sein Element versuchen zu turnen, deshalb kann er das Risiko einer schmerzvollen Bauchlandung in Kauf nehmen.
Seine waghalsigen Manöver in dreieinhalb Metern Höhe haben Bretschneider mittlerweile einen ganz besonderen Spitznamen eingebrockt. "Breti ist unser Lemming", sagt Teamkollege Marcel Nguyen: "Weil Lemminge dafür bekannt sind, sich nach geraumer Zeit ohne Grund von der Klippe zu stürzen und umzubringen. Er versucht das seit Jahren in der Turnhalle, zum Glück ist es ihm noch nicht gelungen."
Motto: "No Risk, no Fun"
Bretschneider kann darüber zwar lachen. Dass er am Königsgerät allerdings immer wieder an die Grenzen geht und die Gefahr einer bösen Verletzung in Kauf nimmt, macht er nicht freiwillig. Sein Turnstil ist schlichtweg zu holprig, zu wenig elegant - und die Höchstschwierigkeit daher Voraussetzung für den Erfolg.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Bretschneider am Mittwoch den Holm wieder als Katapult nutzen, spektakulär durch die Luft fliegen und an der Stange vorbeigreifen wird, ist äußerst groß. Die "harmlose" Variante ging in der Qualifikation bereits schief, aber Bretschneiders Motto lautet eben: "No Risk, No Fun!"
Diese Einstellung hat ihm schon einige Schmerzen verursacht. Blaue Flecken gehören ebenso zum Alltag wie die Schulterprobleme. Einmal aber kam er so unglücklich auf, dass er mehrere Zähne verlor - der Bundestrainer musste eingreifen. "Ich habe ihm gesagt, dass er kein Stuntman ist", sagte Andreas Hirsch. Bretschneiders war es egal. Er tat es wieder.