Als um exakt 1.05 Uhr Ortszeit an der Copacabana die deutsche Nationalhymne erklang, stiegen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst noch einmal die Tränen in die Augen. Im Hintergrund konnte man im Dunkeln die brechenden Wellen des Atlantiks erkennen, die einem ohnehin schon atemberaubenden Augenblick den letzten Feinschliff verliehen.
Die beiden Hamburgerinnen hatten soeben Geschichte geschrieben und sich als erstes europäisches Frauen-Duo überhaupt eine Medaille bei Olympischen Spielen gesichert. Es war nach dem Coup von Julius Brink und Jonas Reckermann vor vier Jahren in London die nächste magische Nacht für den deutschen Beachvolleyball.
"Es ist einfach unwirklich, ich kann es noch nicht fassen", sagte Ludwig. Und Walkenhorst ergänzte: "Wir waren so fokussiert, ich kann es gar nicht glauben. Olympiasieger!" Dabei gewann das deutsche Duo das Finale gegen die Brasilianerinnen Agatha und Barbara auf eine Art und Weise, die einfach nur größten Respekt verdient.
Den Buhrufen zum Trotz
Ludwig und Walkenhorst waren bei heftigem Wind vor allem dank starker Aufschläge klar überlegen und siegten deshalb völlig verdient in nur 42 Minuten mit 21:18 und 21:14. Im ersten Durchgang hielten die Brasilianerinnen zwar noch gut mit und führten mit 13:12, ehe das deutsche Team mit vier Punkten in Folge davon zog und den ersten Satz holte.
Im zweiten Satz stand es schnell 6:1 für Ludwig und Walkenhorst. Es kam nicht einmal mehr ein Hauch eines Zweifels auf. Selbst die unter den 12.000 Zuschauern natürlich überwiegend brasilianischen Fans, die zu Beginn noch frenetisch waren und fast schon in gewohnt unfairer Manier jeden Aufschlag der Gegnerinnen mit Buhrufen begleiteten, wurden äußerst schweigsam.
"Das war hart. Aber wir wussten, dass es wahrscheinlich so werden würde und es sehr laut sein wird. Wir hatten im Vorfeld darüber gesprochen, dass es so kommen könnte. Wir haben uns einfach auf uns und unser Spiel konzentriert", meinte Ludwig.
"Sie haben sich diese Goldmedaille wirklich verdient. Sie haben ein exzellentes spiel abgeliefert", erwies sich anschließend Agatha als faire Verliererin.
Druck erzeugt Leistung
Ludwig und Walkenhorst brachten ganz einfach das in den Sand, was sie schon das ganze Turnier über ausgezeichnet hat - eine unglaubliche Konstanz, Souveränität und Präsenz. In der Vorrunde gewannen sie alle ihre drei Partien und gaben dabei nur einen Satz ab.
Das Achtelfinale, das Viertelfinale, das Halbfinale und schließlich auch das Finale brachten die beiden Sandwühlerinnen ohne einen einzigen Satzverlust nach Hause. So sieht Dominanz aus.
"Je mehr Druck wir hatten, umso besser haben wir gespielt", fasste Walkenhorst die Leistungen bei den Spielen am Zuckerhut zusammen.
Lob von Brink und Reckermann
"Sie waren das beste Team der Saison, das haben sie hier bestätigt. Hut ab, Kira und Laura", war auch Brink begeistert. Er war genauso in den Olympischen Beachvolleyball-Tempel gekommen wie sein Gold-Kollege Reckermann.
Reckermann erklärte, dass Ludwig und Walkenhorst einfach mehr Waffen als jedes andere Team gehabt hätten. "Sie waren physisch stark und psychisch beeindruckend. Vor allem Kira, die zum ersten Mal bei Olympia dabei war. Was sie hier geleistet hat, kann man nicht hoch genug bewerten", so der Weltmeister von 2009
Auch taktisch sei die Darbietung top gewesen, meinte Reckermann weiter. Das Duo habe immer einen Plan B und sogar C in der Tasche gehabt.
Goldschmied Wagner
Ähnliche Lobeshymnen stimmte Jürgen Wagner an. "Ich freue mich sehr, was die Mädchen umgesetzt haben. Dass sie diese drei Jahre Arbeit, die wir miteinander hatten, mit immer mehr Elementen auf den Punkt gebracht haben", sagte der Trainer.
Er ist so etwas wie der Goldschmied im deutschen Beachvolleyball. Unter den Fittichen des akribischen Analysten sind Brink und Reckermann zu Olympia-Champions gereift - und jetzt eben auch Walkenhorst und Ludwig.
Dass es die beiden tatsächlich so weit bringen würden, hätte vor zwei Jahren indes kein Mensch gedacht. Damals war bei Walkenhorst das Pfeiffersche Drüsenfieber diagnostiziert worden. Nach dem vorzeitigen Saisonende folgten beschwerliche Monate der Genesung, ehe sie auch noch eine Knieverletzung erlitt, die eine Operation nötig machte.
"Wir haben einfach immer weiter gemacht und hart gearbeitet", beschrieb Ludwig die Vorgehensweise: "Und deshalb verdienen wir diesen Sieg." Wer wollte nach dieser magischen Nacht an der Copacabana da schon widersprechen?