Ein Mann für gewisse Momente

Sidney Crosby (r.) gewann in Sotschi sein zweites Olympisches Gold
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Sidney Crosby erlebt mit Team Canada am letzten Tag der Olympischen Spiele in Sotschi ein kleines Deja-vu. Russland erobert endgültig die Weltherrschaft und Deutschland führt in einem Medaillenspiegel - kein Scherz!

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Eine Drehung. Ein verschmitztes Lächeln. Ein Schrei. Nur die Handschuhe, die behielt Sidney Crosby diesmal an. Ansonsten weckte die Szenerie kurz nach seinem Treffer zum 2:0 gegen die Schweden Erinnerungen an den Jubel nach seinem Overtime-Treffer von Vancouver 2010.

Team Canada sicherte sich wie vor vier Jahren die wichtigste Goldmedaille der Spiele - und der Superstar erlebte sein ganz eigenes Olympisches Deja-vu. Crosby spielte eigentlich erneut nur ein durchschnittliches Turnier. Wie in Vancouver. Er war sich nicht zu schade für die Drecksarbeit. Wie in Vancouver. Sein Gesicht steht trotzdem sinnbildlich für das Finale. Wie in Vancouver.

Auch wenn es bei weitem nicht so dramatisch wie bei den Heimspielen zuging, so sorgte Crosby mit seinem ersten Turniertor nach einem starken Sololauf dennoch für eine Art Vorentscheidung im Endspiel gegen die Tre Kronor. "Es war kein Drama wie damals. Wir haben einfach immer unsere Taktik durchgezogen und sind von Spiel zu Spiel besser geworden", so Sid the Kid, der das Scheinwerferlicht diesmal aber nicht allein beanspruchen kann.

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Der Schlüssel zum 3:0-Erfolg der Kanadier war vielmehr die überragende Defense. Die Ahornblätter kassierten in sechs Partien insgesamt nur drei Gegentreffer. Auch im Spiel um Gold stand die Verteidigung - insbesondere dank Goalie Carey Price, der bei seinem ersten großen Auftritt auf internationaler Bühne restlos überzeugte (24 Saves). Nicht ohne Grund wurde der Habs-Schlussmann sogar zum Goalie des Turniers gewählt.

Zudem wachte im Duell mit Schweden die im Vorfeld der Spiele hochgelobte Offense endlich auf und ließ die Kritiker verstummen - genau im richtigen Moment. Als der amtierende Weltmeister im ersten Drittel kurz davor war, die Kontrolle zu übernehmen, brachte Jonathan Toews den Titelverteidiger mit einem Treffer durch die Bühne von Henrik Lundqvist in Führung.

Es war der erste Stich ins schwedische Herz - für die weiteren beiden waren sie quasi selbst verantwortlich. Sowohl Crosbys 2:0 als auch dem letzten Tor durch Chris Kunitz gingen haarsträubende Leichtsinnsfehler in der neutralen Zone voraus, von denen sich die Tre Kronor nicht mehr erholte.

Während Kanada das neunte Olympische Gold (Rekord!) feierte, haderten die Schweden nicht nur mit der gezeigten Leistung. Vor allem die Dopingaffäre rund um Nicklas Bäckström stieß dem Silbermedaillengewinner böse auf und brachte ihn offenbar aus dem Konzept.

"Ich habe mit den Spielern und Trainern gesprochen. Wir sind alle sehr aufgebracht. Unsere Meinung ist, dass das IOC einen der größten Eishockeytage Schwedens ruiniert hat", sagte Sportdirektor Tommy Boustedt. Der Hintergrund: Das IOC kannte angeblich 36 Stunden vor dem Finale das Ergebnis der Probe, aber erst drei Stunden vor dem Spiel wurden die Schweden informiert.

Es war nicht der einzige positive Test, der einen dunklen Schatten auf den letzten Olympia-Tag legte. Bereits am Morgen wurde der Befund beim österreichischen Langläufer Johannes Dürr publik.

Trotz dieser schwarzen Schafe ließ sich Russland die Party nicht verderben. Das lag auch an einem wahren Medaillenregen am letzten Tag. Alexander Zubkov war im Viererbob nicht zu schlagen, im 50km-Marathon in der Loipe gab es sogar einen Dreifachtriumph für den Gastgeber. Platz eins im Medaillenspiegel (13x Gold, 11x Silber, 9x Bronze) war Russland damit nicht mehr zu nehmen, was Sportminister Witali Mutko an die Weltherrschaft denken ließ: "Platz eins in der Nationenwertung - jetzt sind wir die Besten der Welt."

Die Deutschen hatten mit den Medaillenentscheidungen an Tag 16 dagegen nichts mehr zu tun. Die Bobfahrer machten ihr ganz persönliches Debakel perfekt. Und bei den Langläufern stand vor allem der Abschied von Axel Teichmann im Mittelpunkt.

So beenden wir Olympia in Sotschi mit dem schlechtesten Ergebnis bei Winterspielen seit der Wiedervereinigung (8x Gold, 6x Silber, 5x Bronze). Kleiner Trost am Rande: Zumindest im ewigen Medaillenspiegel hat Deutschland (137-136-106) noch knapp die Nase gegenüber den Russen (137-103-102) vorne.

Die Entscheidungen des Tages:

WettbewerbEntscheidung
Langlauf/50 km Massenstart (Freistil), MännerDreifacherfolg für Russland
Bob/Vierer, MännerDeutsches Debakel perfekt
Eishockey/Finale, MännerKanada wiederholt Olympiasieg

Mann des Tages: Alexander Zubkov

Der Mann des Tages im letzten Olympia kompakt ist ein Eishockeyspieler. Das stand eigentlich schon vor den Spielen fest. Trotzdem steht hier kein Crosby, kein Price, kein Kunitz - sondern Alexander Zubkov. Der Bobfahrer, der einst Taxifahrer war, und nun Doppel-Olympiasieger ist.

Es gibt viele Geschichten über den 39-Jährigen, die zur Legendenbildung taugen. Wie er einst von früheren Olympischen Spiele Fleischkonserven nach Hause schickte. "Da war ich glücklich! Einst musste Sascha im Taxi Geld dazuverdienen", so seine Frau Tatjana. Oder wie er in den chaotischen 90er Jahren gerade einmal 50 US-Dollar vom Verband erhielt - als Sportförderung.

Nun ist Zubkov der König der Bobpiloten - auch dank Wladimir Putin. Es war schließlich der mächtigste Mann Russlands, der ihn einst zum Comeback überredete. Oder sollte man nicht besser sagen, er übte Druck auf Zubkov aus. So recht wird man das wohl nie wissen.

Frau des Tages: Maria Höfl-Riesch

Kein Damen-Wettbewerb und trotzdem eine Frau des Tages? Tja, wer kann, der kann. Außerdem wollen wir unsere Ski-Königin noch mal hochleben lassen, immerhin bleibt uns Maria Höfl-Riesch zum Glück noch ein wenig erhalten.

Offenbar will die Olympiasiegerin in der Super-Kombination ihre Skischuhe doch nicht an den Nagel hängen. Zumindest gibt es Tendenzen, eine weitere Saison im Ski-Zirkus dranzuhängen.

Zum Glück, denn ohne Höfl-Rieschs Gold- und Silbermedaille wäre die deutsche Alpin-Bilanz schon ein bisschen mager. Außerdem steht 2015 schon die nächste Weltmeisterschaft an. In Vail könnte es dann sogar wieder zum Duell mit US-Girl Vonn kommen. Ein letztes Mal Maria vs. Lindsey - es gibt schlechtere Aussichten.

Sprüche des Tages:

"Ich weiß, dass der Trainerjob ein Schleudersitz ist. Ich bin eigentlich Soldat." (Christoph Langen nach dem deutschen Bob-Debakel)

"Das ist Mist, das ist Kindergarten. Das ist Justizmord." (Schwedens Eishockey-Trainer Pär Marts richtete hinsichtlich des Dopingfalls von Nicklas Bäckström eindeutige Worte an das IOC)

"Wir haben uns hier alle nicht mit Ruhm bekleckert. Aber so ein Debakel wird uns in Zukunft nicht mehr passieren." (Bobfahrer Francesco Friedrich gelobt Besserung)

"Alles hat extrem gut funktioniert, vom Transportwesen über das Thema Sicherheit bis hin zu den Olympischen Dörfern, dem Essen - alles wirklich exzellent." (Thomas Bach geht in seiner Rolle als IOC-Präsident vollkommen auf)

"Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich bei allen zu entschuldigen, bei meiner Familie, bei meiner Frau." (Der geständige Dopingsünder Johannes Dürr)

"Ich habe gedacht: Meine Güte, Du könntest jetzt so schön im Bett liegen." (Biathlet Arnd Peiffer zu seinem Auftritt über 50 km im Langlauf)

"Besoffen bin ich noch oft genug im Leben. Die 50 bei Olympia laufe ich sicher nur einmal." (Peiffer, Teil 2 - diesmal über den Party-Verzicht)

Zahlen des Tages:

0 Medaillen räumte das deutsche Bob-Team in Sotschi ab. So schlecht war man zuletzt in Innsbruck 1964.

6 Dopingfälle gab es in Sotschi - oder doch nicht? Die Causa Nicklas Bäckström könnte sich noch zum Politikum entwickeln.

6,27 Millionen Zuschauer sahen am Samstag Felix Neureuthers Slalom-Drama. Geholfen hat's ja leider nicht.

9 Olympische Goldmedaillen haben die Kanadier im Eishockey nun auf dem Konto - eine mehr als die Sbornaja.

39. wurde Langläufer Axel Teichmann über 50 km. Es war das letzte Olympische Rennen des 34-Jährigen.

137 Olympiasiege weisen Deutschland und die Kombination UdSSR/GUS/Russland im ewigen Medaillenspiegel auf.

2022 finden die übernächsten Olympischen Winterspiele statt. Die Bewerber: Almaty (Kasachstan), Krakau (Polen), Lwiw (Ukraine), Oslo (Norwegen) und Peking (China).

517.500 Euro kassieren die niederländischen Eisschnellläufer für ihre Medaillen. Der nationale Olympische Sportbund NOCNSF wird sich freuen.

Name des Tages: Hiroshi Suzuki

Wir wollen mit einem Zitat des "ARD"-Kommentators beginnen: "Sein Name klingt nach Tempo." Nicht dass irgendjemand denkt, der Name des Tages ist nur auf unserem Mist gewachsen.

Leider hat der Autohersteller im Nachnamen unserem Hiroshi und seiner Bob-Crew nicht so viel geholfen. Nach drei Läufen war Schluss, aber wenigstens war man schneller als die südkoreanische Truppe Kim, Kim, Kim, Oh.

Bei Platz 26 muss man allerdings auch sein Alter berücksichtigen. Der werte Herr Suzuki hat mittlerweile satte 40 Jahre auf dem Buckel - da kann man schon mal ein wenig eingerostet sein. Egal ob als Mensch, Bob oder Auto...

Der Medaillenspiegel

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