Lange Zeit lief Tag 4 aus deutscher Sicht eher so mittel. Die erfolgsverwöhnten deutschen Biathletinnen lieferten das schlechteste Ergebnis in einem Einzelrennen in der Olympiageschichte. Klarer Fall von Tiefpunkt. "Ich verstehe nicht, woran das liegt, ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Da müssen wir jetzt mal drüber reden." Bundestrainer Gerald Hönig war sichtlich bedient.
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Im Eisschnelllauf kam Sprinterin Jenny Wolf nicht über Platz sechs heraus (O-Ton: "Aber so schlimm ist das nicht"), im Langlauf war Medaillenhoffnung Denise Herrman nach ihrem Halbfinal-Aus fassungslos und schüttelte den Kopf. Herrmann hatte in der ganzen Saison nie ein Sprint-Finale verpasst, bis jetzt Olympia kam.
Auch Slopestylerin Lisa Zimmermann erging es nicht besser. Einmal gestürzt, einmal die Landungen verpatzt - Aus! "Da kann man nichts machen", zog Zimmermann ein saloppes Fazit. Die Negativ-Stimmung ging schon soweit, dass der ehemalige Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle für die Zukunft des deutschen Wintersports schwarz sieht. "Andere Länder werden im Medaillenspiegel an Deutschland vorbeiziehen. Das werden wir jetzt in Sotschi schon das erste Mal sehen. Und in vier Jahren wird es noch krasser werden, da bin ich mir ganz sicher", sagte Behle der "ARD".
Abwarten, Herr Behle! Denn innerhalb von 76 Minuten ging an Tag 4 dann doch noch die Post ab. Zuerst kam die deutsche Rodel-Kunst wieder zum Einsatz. Natalie Geisenberger rodelte wie erwartet den Rest der Welt in Grund und Boden, Teamkollegin Tatjana Hüfner machte den Doppelsieg perfekt, sorgte aber später auf der Pressekonferenz für einen Eklat.
"Es gab viele Diskussionen im Verband, mir wurde vieles schwer gemacht und mir wurden viele Steine in den Weg gelegt. Ich habe den Eindruck, dass eine Natalie Geisenberger deutlich mehr Unterstützung bekommt." Rumms!
Nach dem Rodel-Triumph kam jedenfalls noch Carina Vogt. 22 Jahre. Skispringerin. Vogt, die zuvor noch nie einen Weltcup gewonnen hat, holte sensationell Gold. Die japanische Topfavoritin Sara Takanashi, die quasi jeden Weltcup gewinnt, wurde nur Vierte. So ist der Sport!
"Ich bin sprachlos und kann überhaupt nicht fassen, was hier passiert ist. Diesen Tag habe ich mir nicht vorstellen können. Die Sekunden, bis das Ergebnis kam, waren schrecklich. Ich glaube das alles nicht. Ich habe ja vorher noch kein einziges Mal gewonnen", sagte Vogt und kämpfte mit ihren Freudentränen.
Nach den Medaillen 3, 4 und 5 stehen die Chancen exzellent, dass es an Tag 5 (6.30 Uhr im LIVE-TICKER) überragend weitergeht. Maria Höfl-Riesch in der Abfahrt, Eric Frenzel in der Nordischen Kombination, der Bayern-Express Wendl/Arlt bei den Doppelsitzern und Savchenko/Szolkowy im Paarlauf - wie wär's mit 3-4 Mal Gold?! So unrealistisch ist das gar nicht...
Die Entscheidungen des Tages:
Wettbewerb | Entscheidung |
Freestyle/Slopestyle, Frauen | Schon wieder Gold für Kanada! |
Langlauf/ Sprint, Männer | Hattestad siegt bei Sturzfestival |
Langlauf/Sprint, Frauen | Herrmann im Halbfinale raus! |
Eisschnelllauf/500 m, Frauen | Wolf nur auf Rang sechs |
Rodeln/Einsitzer, Frauen | Geisenberger fährt souverän zu Gold |
Biathlon/Verfolgung, Frauen | Domracheva siegt vor Berger |
Skispringen/Normalschanze, Frauen | Sensation! Vogt triumphiert! |
Snowboard/Halpfpipe, Männer | Podladtchikov stürzt White vom Thorn |
Was sonst noch wichtig war:
Curling:
Die deutschen Curler machen einen wahnsinnig! Nachdem das Team um Skip John Jahr schon gegen Goldfavorit Kanada beim 8:11 stark mitgehalten hatte, sah es jetzt gegen den Medaillenkandidaten Großbritannien lange Zeit erneut verdammt gut aus. Das Ende vom Lied? Trotz Führung ging die Partie nach einem Krimi am Ende verloren. 6:7. Dabei schien ein Sieg im letzten End beim Stand von 6:6 möglich, doch Vize-Skip Felix Schulze verspielte mit den letzten beiden Steinen den Vorteil. Nicht rund läuft es auch bei Kanada. Der Rekordweltmeister unterlag den weiter ungeschlagenen Schweden 6:7 und hält bei einer 1-2-Bilanz.
Eishockey:
Die DEB-Mädels kassierten im zweiten Spiel die zweite Niederlage, das war es mit dem Viertelfinale. Gegen Schweden setzte es eine ernüchternde 0:4-Pleite, die die Missstände im deutschen Frauen-Eishockey brutal aufdeckte. Punkt 1: Deutschland schießt einfach keine Tore. Nur ein Treffer in 120 Sotschi-Minuten? Mager. Spielführerin Susann Götz nannte die fehlende Offense "ein Deutschland-Ding". Und Bundestrainer Peter Kathan meinte: "Unsere Spielerinnen müssen mehr trainiert werden."
Eiskunstlauf:
Das wird schwierig mit Gold. Aljona Savchenko und Robin Szolkowy liegen nach dem Kurzprogramm der Paare auf dem zweiten Platz. Mit ihrer kurzfristig neugestalteten Kurzkür (Pink Panther) schafften sie trotz kleiner Schwäche bei der Todesspirale einen neuen Saisonrekord (79,46 Punkte). Das Problem sind die Lokalmatadoren Tatiana Volosozhar/Maxim Trankov, die für ihren Maskeraden-Walzer stolze 85,17 Punkte kassierten.
Mann des Tages: Iouri Podladtchikov
Die Schweizer kommen aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Nach Stan Wawrinkas glorreichem Sieg bei den Aussie Open ging es in Sotschi mit Langlauf-Gold durch Dario Cologna schon gut los. Und jetzt setzte Iouri Podladtchikov in der Halfpipe noch einen drauf. IPod, übrigens in Moskau geboren, zeigte im Finale einen fulminanten zweiten Run. Der Höhepunkt folgte bei seinem letzten Sprung, dem stylischen Yolo-Flip. Dieser steht für: "You Only Live Once". Was für eine Show!
Podladtchikov war ganz mies in den Tag gekommen, die Quali überstand er nur mit Dusel. Wen interessiert's jetzt noch?! Während Superstar Shaun White als Vierter leer ausging, begeisterte neben dem Olympiasieger noch ein anderer: der Japaner Ayumu Hirano sichert sich Silber. Der Typ ist 15 Jahre alt! Unfassbar.
Frau des Tages: Judith Hesse
Wo es strahlende Gold-Heldinnen gibt, gibt es auch traurige Gesichter der Winterspiele. Judith Hesse ist so ein Fall. Die Eisschnellläuferin wollte am Dienstag über die 500 Meter antreten. WOLLTE. Denn bevor die deutsche Meisterin im ersten Lauf auch nur einen Schritt machen konnte, war sie nach zwei Fehlstarts schon disqualifiziert. Quasi der weibliche Jürgen Hingsen. Da quälst du dich vier Jahre lang, um bei Olympia dabei sein zu können. Und dann das? Wie besch... ist das denn?!
"Das ist mein großer Pech-Tag heute. Der erste Fehlstart war definitiv mein Fehler. Beim zweiten habe ich versucht, ruhig zu stehen. Das hat sehr lang gedauert. Dann habe ich wohl doch noch mit dem Bein gezuckt. Dabei waren die 500 Meter doch meine große Hoffnung." Hesse kämpfte mit den Tränen. Und eins wollen hier mal klar sagen: dieser norwegische Starter Trond Ratdal hatte ja auch einfach gar nichts drauf. Erst nicht schießen, dann die Trillerpfeife nehmen und dann doch schießen, so geht's nicht, mein Freund. Aber eine Aufmunterung gibt es zum Glück doch: Über die 1000-Meter-Strecke bekommt die Judith eine zweite Chance, Olympia-Wettkampfluft zu schnuppern.
Sprüche des Tages:
"Mein Herz ist gebrochen, dass ich nicht starten kann. Mein Höhepunkt, die olympische Abfahrt. Ich war bereit. So freakin ready..." (SPOX-Liebling Tina Weirather muss verletzungsbedingt ihren Start bei der Abfahrt absagen. Das SPOX-Herz ist auch gebrochen...)
"Nö, ich wollte nur Spaß haben und denke oben am Start genau nichts." (Ski-Freestylerin Lisa Zimmermann auf die Frage, ob sie nervös gewesen sei)
"Ich hab ziemlich schlechte Augen und fahre ohne Kontaktlinsen. Deswegen sehe ich eh nicht viel." (Zimmermann zu den Sichtbedingungen beim Slopestyle)
"Es waren die vor mir, die eigentlich hinter mir sein müssten." (Langläuferin Denise Herrmann nach der verpassten Sprint-Medaille)
"Ob es nun eine Hundertstel oder eine Tausendstel ist, raus ist raus. Ich war zu langsam - ganz einfach." (Langläufer Josef Wenzl bringt es nach seinem Quali-Aus im Sprint aber mal so was von auf den Punkt)
"Diese Medaille ist definitiv für Sarah. Sie hat so viel für diesen Sport getan, sie wollte immer, dass die Mädels so gut werden wie die Jungs." (Freestyle-Olympiasiegerin Dara Howell widmet ihren Triumph der 2012 verstorbenen Teamkollegin Sarah Burke. Gänsehaut.)
"Zwischendurch hatte ich mal eine Stunde Leerlauf, aber zum Duschen und Haarewaschen hat's nicht mehr gereicht. Deswegen lasse ich meine Mütze lieber auf." (Maria Höfl-Riesch bei ihrer Gold-Feier über den Stress einer Olympiasiegerin)
"Vielleicht veranstalten wir eine Lotterie, oder so etwas in der Art." (Finnlands Star-Goalie Tuukaa Rask auf die Frage, welcher der drei finnischen Torhüter im Tor stehen werden)
Zahlen des Tages:
1 Mal müssen wir noch schlafen, dann beginnt endlich das Eishockey-Turnier der Männer! Endlich! Team Canada trainierte übrigens zum zweiten Mal mit den gleichen Reihen-Kombinationen: Kunitz, Crosby, Carter. Sharp, Toews, Nash. Marleau, Getzlaf, Perry. Benn, Tavares, Bergeron.
1,139 Sekunden Vorsprung hatte Geisenberger vor Hüfner. Wahnsinn. Aber: Der größte Vorsprung in der Geschichte des olympischen Frauen-Rodelns war es nicht. Bei der Premiere 1964 fuhr DDR-Rodlerin Ortrun Enderlein 2,750 Sekunden heraus.
6. wurde die Kanadierin Yuki Tsubota im Slopestyle-Finale. Und lieferte einen weiteren Beweis, wie gefährlich die Sportart doch auch ist. Tsubota stürzte beim dritten Sprung auf der Kuppe des letzten Hügels schwer und musste mit Verdacht auf Kieferbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Gute Besserung!
27. wurde Evi Sachenbacher-Stehle und war damit in der Biathlon-Verfolgung beste Deutsche. Ein Trauerspiel.
30 Medaillen waren als deutsches Ziel ausgerufen worden. Fehlen ja schon noch ein paar...
32,93 Sekunden Rückstand hatte die türkische Langlauf-Queen Kelime Cetinkaya auf dem 67. und letzten Platz in der Sprint-Quali.
Name des Tages: Jackie Chamoun
Miriam Gössner hat es gut. Weil sie nach ihrer schweren Rückenverletzung ihre Olympia-Teilnahme absagen musste, nutzte sie die Zeit für ein Playboy-Fotoshooting. "Ich wollte eine andere, eine weibliche Seite von mir zeigen, und ich denke, das ist toll gelungen. Man kennt uns Sportlerinnen ja immer nur im Rennanzug und in Trainingsklamotten, da ist nicht viel mit Weiblichkeit."
Ihr Freund Felix Neureuther fand die Aufnahmen angeblich spitzenmäßig. Und auch sonst werden die Reaktionen sicherlich positiv ausfallen. Davon kann Jackie Chamoun nur träumen. Die libanesische Ski-Rennläuferin sorgte mit freizügigen Kalender-Fotos für Ausnahmezustand in ihrer Heimat. Chamoun musste sich via Facebook entschuldigen, aber der libanesische Jugend- und Sportminister Faisal Karami ordnete dennoch mal eine Untersuchung an, um den "Ruf des Landes zu schützen".
Ach ja, die wichtigste Info in diesem Teil haben wir noch vergessen: der Miri-Playboy ist ab Donnerstag im Handel.