Ein Jahr später kam in Deutschland ein Mann mit großen Ambitionen an die Macht. Adolf Hitler machte den Sport zu einem Instrument der Machtdemonstration. Deutschlands Athleten sollten die Welt beherrschen, so wie Hitler es auch politisch anstrebte. Königspersonalie des NS-Plans war freilich Weltstar Max Schmeling.
Was nicht passte waren Schmelings Manager, der Jude, und seine Frau, die halbe Tschechin."Die Rassengesetze müssen befolgt werden, auch von ihnen", informierte man Schmeling. Der blieb standhaft und dachte gar nicht daran Jacobs oder gar Ondra fallen zu lassen. Er bat um Audienz bei Hitler. "Ich brauche ihn", sagte Schmeling im Kaminzimmer des Führers, "ich verdanke ihm meinen ganzen Erfolg in Amerika."
Hitler reagierte verärgert, duldete das Verhalten seines Vorzeige-Ariers aber. Mehr noch: Mit Ondra, die Schmeling auf führerliche Anweisung hin hatte mitbringen müssen, scherzte er fröhlich und war hin und weg vom Charme des Zelluloidstars, der ihn mit ihrer Vorliebe für Guglhupf bezirzte.
"Sie kommen zum Führer, aber Sie verkehren mit Juden"
Jacobs blieb Manager, Ondra Ehefrau - einige Nazis kochten ob des Sonderrechts. 1935 wollte man Jacobs in einem Hamburger Hotel kein Zimmer geben. Schmeling wütete. Erst drohte er, den Führer persönlich kommen zu lassen, dann drohte er dem Hotelier einen Haken an. Der gab nach, die Aussicht sich mit Deutschlands bestem Boxer zu messen, war dann doch wenig reizvoll. 1935 wurde die Luft dann dünn, Jacobs hatte in Hamburg vor 25.000 Zuschauern den Hitlergruß gezeigt - und damit sowohl in den USA als auch in Deutschland für Wut gesorgt.
Die Anti-Nazi-Liga ächtete ihn und die US-Presse schrieb "When Yussel went nazi". In Deutschland sah man es als unverschämte Respektlosigkeit an, dass ein Jude der anwesenden Führungsetage den Gruß gezeigt hatte. Zumal er seine Zigarre in der Hand hielt. "Sie kümmern sich nicht um Gesetze. Sie kommen zum Führer, Sie kommen zu mir, aber Sie verkehren mit Juden", machte Goebbels seine Wut deutlich.
"I have seen something"
Gerade, als Schmelings Sonderstatus auseinanderzufallen drohte, kam der Kampf, der ihn zur Legende werden ließ - und der ihm fortan jedes Sonderrecht gab, das er wollte. Vor 70.000 Zuschauern im Yankee Stadium kämpfte er gegen Joe Louis, der alle seiner 27 Kämpfe bisher gewonnen hatte, 24 davon durch K.o. Der "Braune Bomber" galt als unbesiegbar. Schmeling studierte Videos des sieben Jahre jüngeren Kontrahenten und fand eine Schwachstelle, die ihm später den Sieg einbrachte: Louis ließ nach einem linken Haken den Arm etwas fallen, wodurch eine Lücke in seiner Deckung entstand.
"I have seen something", sagte Schmeling in einem Interview - noch heute ist dieser Satz legendär. Die Presse war sich dennoch einig: Der Ex-Weltmeister ist chancenlos. Als der Kampf wegen Regen verschoben wurde, schrieb die Times: "Die Hinrichtung des Maximilian Siegfried Otto Adolf Schmeling findet einen Tag später statt."
Schmeling schlug Louis in der zwölften Runde K.o. - das Boxen hatte einen Jahrhundertkampf erlebt und in Deutschland verfolgten Tausende den Kampf nachts vor ihren Radios. Schmeling war eine Legende. 1200 Glückwunschtelegramme trafen im Hotel "Plaza" ein, von Marlene Dietrich bis zum Führer - sie alle gratulierten dem Helden. In Deutschland wurde er triumphal mit dem Luftschiff Hindenburg eingeflogen. "Wir flogen sehr niedrig", erzählte Schmeling später, "und aus der Gondel beobachteten wir, wie Wilhelm II. im Garten stand und seinen Hut mit weitausholenden Armbewegungen zu uns heraufschwenkte."
Kooperation ja, Nazi nein
1936 überredete Schmeling auf Anordnung Hitlers die USA von einem Boykott der Olympischen Spiele in Berlin abzusehen. Die Staaten kamen und später bezeichnete Schmeling seine Fürsprache als "grenzenlose Naivität". Schmeling hatte engen Kontakt mit dem Führer, er nutzte die Vorteile, die die Stilisierung zur NS-Ikone mit sich brachte, ein Nazi war er aber nicht. Der Boxer hatte viele jüdische Freunde, die zwei Söhne von einem engen Bekannten versteckte er 1938 in seinem Hotelzimmer, als in der Kristallnacht die Synagogen brannten.
1939 zog er sich aus dem Boxsport zurück und kaufte ein Gut in Pommern. Dort lebte er zurückgezogen mit seiner Frau und genoss die "Ruhe und die wirklich wichtigen Dinge im Leben". Die Idylle währte jedoch nur kurz, in Europa war Krieg. 1940 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und war Teil der Fallschirmjäger, die 1941 über Kreta absprangen. Bei der Landung verletzte er sich, er kam in ein Athener Lazarett. 1943 wurde er zum Wachdienst in einem Kriegsgefangenenlager eingesetzt, 1945 war der Krieg, den er immer abgelehnt hatte, vorbei und Schmeling floh mit seiner Frau nach Hamburg, wo er wegen falscher Angaben drei Monate ins Gefängnis musste. Eine weitere Strafe bekam er im Zuge der Entnazifizierung nicht, zugute kam ihm die Beziehung zu Manager Jacobs.
Vom Schicksal getroffen
Wegen finanzieller Not gab Schmeling 1947 sein Comeback, trat aber ein Jahr später endgültig zurück. Mit seiner Frau betrieb er auf dem acht Hektar großen Anwesen einen überregionalen Getränkevertrieb, eine Hühnerfarm und eine Nerzzucht und lebte so ein ruhiges Leben. Durch Schicksalsschläge hatte er gelernt, dass "die Familie und das Wohlbefinden wichtiger ist als alles andere."
Und das Schicksal hatte ihn oft hart getroffen. Bei einem Unfall mit seiner Harley 1927 saß seine 14-jährige Schwester Edith im Beiwagen und starb dabei. Seine Frau und er hatten sich immer Kinder gewünscht, Ondra verlor das Ungeborene bei einem Autounfall. 1987 starb seine Frau und mit ihr "der Sinn des Lebens". Die Sportlegende erreichte ihr letztes Ziel nicht ganz. "Ich möchte 100 Jahre alt werden", sagte er. Sieben Monate vor seinem 100. Geburtstag starb er an einer schweren Erkältung.Sportler, Idol, Wohltäter
Max Schmeling war einer der ganz Großen. Seine rechte Gerade in New York machte ihn zur Legende. Er wurde offiziell zum siebtbesten Schwergewichts-Boxer aller Zeiten gewählt. Trotz seiner Erfolge war für ihn Moral und Menschlichkeit immer am Wichtigsten.
Deshalb war er auch froh über die Niederlage im Rückkampf gegen Louis, der ihn schon in Runde eins K.o. schlug. "Der Verrückte hätte mich kommen lassen", schrieb er in seiner Biografie "Mein Leben - meine Kämpfe", "dann hätte es ein dickes Bonbon an die Brust gegeben, und geendet wäre ich in Nürnberg."
Stattdessen endete er auf dem Friedhof neben seiner geliebten Frau, so wie er es sich gewünscht hatte. Und als Legende, die trotz ihres Wirkens in der Nazi-Zeit keine Kratzer im Ansehen davon trug.
Im Gegenteil: Auf einer Gedenktafel in Benneckenstein steht: "Sportler, Idol, Wohltäter", so wird der legendäre Gladiator allen im Gedächtnis bleiben. Und das, trotz einiger Fehler und der Kooperation mit dem Nazi-Regime, auch völlig zurecht.
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