Es gab Zeiten, da fragten die Fans der Minnesota Vikings nicht nach den Siegchancen gegen die verhassten Green Bay Packers, sondern nur "Wie hoch?". Wie hoch würde die nächste Pleite gegen den scheinbar übermächtigen Rivalen vom Lake Michigan.
Wie hoch würde die Schmach ausfallen, die Superstar-Quarterback Aaron Rodgers den Vikings zufügen würde? Nur vier Siege aus 19 Partien schnappten sich die Franchise aus den Twin Cities Minneapolis und St. Paul, seitdem der amtierende MVP bei den "Cheeseheads", wie die Vikings-Anhänger die Packers nennen, die Snaps empfängt.
Dementsprechend mutig erschien dann die Aktion von Coach Mike Zimmer am Montag. Während des Trainings verteilte der 59-Jährige "Beat Green Bay"-Shirts an seine Spieler und unterstrich damit, dass die Gastgeber im TFC Bank Stadium nicht bereits sind, sich am Sonntag die nächste Klatsche abzuholen.
Das Selbstvertrauen ist zurück in Minnesota. Durch die unerwartete Niederlage der Packers am vergangenen Sonntag gegen die Detroit Lions und den gleichzeitigen Sieg der Vikings in Oakland grüßen die Twin Cities mit einer Bilanz von 7-2 von der Spitze der NFC North - und wollen diesen mit einem Sieg am Wochenende gegen die Packers manifestieren.
Rodgers-Experte Zimmer
Dabei hat Zimmer durchaus das Recht, vor dem Hassduell gegen die Packers Selbstbewusstsein auszustrahlen. Denn der Sohn eines ehemaligen Wrestling-Trainers schaffte es in seiner Zeit als Defensive Coordinator bei den Cincinnati Bengals, Rodgers in den insgesamt zwei Duellen beide Male als Verlier vom Feld zu schicken.
Das QB-Rating des amtierenden MVP's in diesen beiden Spielen im Schnitt: 73,9. Nur die Buffalo Bills hielten Rodgers seit dem Beginn seiner Ära am Lake Michigan bei noch weniger Produktivität. Nur zwei Touchdown-Pässe warf der Packers-QB überhaupt in den zwei Duellen 2009 und 2013 mit den Bengals - und leistete sich allerdings noch zwei Interceptions.
Vor allem Zimmers Defense-Konzept brachte Rodgers bei den Aufeinandertreffen mit Cincinnati ins Schwitzen. Der 59-Jährige beorderte seine beiden Safeties weit ins Backfield, um die Wide Receiver der Packers auf ihren Routes auf Schritt und Tritt zu verfolgen. So hatte Rodgers zwar viel Platz im Pocket, hatte aber nahezu keine Möglichkeit, den Football auf eine lange Reise zu schicken.
Ein Trend, der sich auch in Zimmers ersten beiden Meetings mit Green Bay als Vikings-Coach fortsetzte. Zwar verlor Minnesota beide Aufeinandertreffen in der abgelaufenen Saison gegen die Packers, Adrian Peterson war zu diesem Zeitpunkt aber noch suspendiert und Teddy Bridgewater ein Rookie-QB, der mitten in der Saison ins kalte Wasser geschmissen wurde.
"Wie als ist der Typ? 50?"
Trotzdem stellten die Vikings die "Cheeseheads" im zweiten Aufeinandertreffen in Week 12 vor eine ernsthafte Herausforderung. Rodgers, der mit Zimmer auf der Gegenseite noch keine 300 Passing Yards sammelte, brachte nur vier seiner elf Pässe über zehn Yards an den Mann, ein langer Wurf auf Randall Cobb für 29 Yards blieb sein einziger Versuch über 20 Yards.
Ein ähnliches Defensiv-Schema wird Zimmer, der Defensive Coordinator George Edwards das Playcalling abnimmt, daher wohl auch am Sonntag auf seinem Klemmbrett stehen haben. Wobei er eventuell auch nur einen Safety ins Backfield beordert, legt man die aktuellen Probleme im Passing Game der Packers zu Grunde, die bei den Passing Yards pro Spiel nur Platz 22 belegen.
"Würde mich wundern, wenn Minnesota das anders macht"
"Bei unseren letzten drei Niederlagen haben unsere Gegner immer mit einem hohen Safety gespielt. Es würde mich wundern, wenn Minnesota das anders macht", erklärte Packers-Coach Mike McCarthy unter der Woche.
Selbst wenn McCarthy die Taktik der Vikings durchschaut haben sollte, schlagen müssen seine Spieler die giftige Vikings-Defense am Sonntag trotzdem erstmals - angesichts der aktuellen Form der Gastgeber eine echte Mammutaufgabe. Auf den ersten Blick wirken die Vikings aber für die gegnerische Offense nicht gerade furchteinflößend. Bei den Sacks, Interceptions und Forced Fumbles sind die Twin-Cities-Defender nur Durchschnitt bis unteres Mittelmaß. Wo liegen also die Stärken von Zimmers Defense?
Zum einen wäre da die Front Seven der Vikings. Everton Griffen gehört zu den Top Rushern der Liga und setzt den gegnerischen Quarterback bei fast jedem Snape unter Druck, auch Rookie Danielle Hunter und Brian Robison machen das Pocket zu keiner Komfortzone für den gegnerischen Game Manager. Dabei sind die drei Linemen noch der harmlosere Teil der Defense.
Linval Joseph blüht auf
Nose Tackle Linval Joseph blüht nach seinem Wechsel von den New York Giants ins kalte Minnesota auf, Eric Kendricks und Anthony Barr walzen in bester Bulldozer-Manier die Center der Liga um und sind schnell beim gegnerischen QB. Da Zimmer zudem häufig einen Blitz spielen lässt, hat der Quarterback enorm wenig Zeit, sich für ein Play zu entscheiden.
Minnesota liegt dementsprechend bei den zugelassenen Yards pro Spiel in den Top 10 (336,6 Yds/G) und lässt zudem mit 17,1 Punkten die zweitwenigsten Zähler in der Liga zu. Hinzu kommt, dass die gegnerische Offense nur 32,2 Prozent ihrer Third Downs erfolgreich abschließt (ligaweit Platz drei). In der Red Zone gelingt es den Vikings-Defendern zudem, nur in 45,8 Prozent der Fälle einen Touchdown zuzulassen.
Das liegt abgesehen von der starken Front Seven auch an der guten Secondary - allen voran Terrence Newman. Der Cornerback schnappte sich am vergangenen Sonntag gegen die Raiders als überhaupt erst zweiter CB nach Deion Sanders im Alter von 37 Jahren zwei Interceptions und terrorisiert die gegen Wideouts in jeder Sekunde. Rookie-Hoffnung Amari Cooper gelang gegen den Veteranen, der gemeinsam mit dem diesjährigen First-Round-Pick Trae Wilson auf CB agiert, kein einziger Catch.
"Wie als ist der Typ? 50?", fragte Elliot Harrison von "NFL Network" am Montag in seinem wöchentlichen Powerranking. Auch Safety Harrison Smith gehört zur absoluten NFL-Elite und lässt selten mal einen Receiver entkommen. "Ich habe großes Vertrauen in meine Jungs. Ich hoffe, dass wir jetzt öfter schlechtes Wetter haben und wir wie in einem Sumpf spielen. Denn das beschreibt perfekt zu unserer Spielweise«, erklärt Zimmer.