Ruth, Gehrig, Jeter?
Derek Jeter als Lichtgestalt ist eine Kombination aus diesen unvergesslichen Momenten einerseits und seiner fast schon unheimlichen Konstanz andererseits. Von 1996 bis 2012 ist er immer für rund 200 Hits, 10-20 Homeruns, 30 Doubles und einen Average über .300 zu haben. Für einen MVP-Titel reicht es nicht, aber gleich achtmal für die Top Ten.
Dazu kommt, dass die Vorzeichen kaum besser sein könnten: Im Baseball-Mekka - und Medienzentrum! - New York wartet man verzweifelt auf einen Helden in der Tradition von Babe Ruth, Lou Gehrig oder Mickey Mantle.
Die Geschichte des Baseball: Von 1845 bis heute
Und natürlich auf den ersten Championship Ring seit 1978. Jeter ist seit seiner Kindheit Yankee-Fan, wird 1992 an sechster Stelle gedraftet und durchläuft das eigene Minor System. Er spielt gut, arbeitet hart, sieht gut aus - Jeter wird zum Gesicht der neuen Bronx-Bombers-Dynastie. Schon im Jahr 2000 ist seine Legende eigentlich geschrieben.
Doch es sind nicht nur die Yankees und deren Fans überall in den USA. Das ganze Land ist nach den Steroid-Skandalen um Mark McGwire, Sammy Sosa und Barry Bonds auf der Suche nach neuen Helden. "Chicks dig the long ball" gilt nicht mehr. Jeter dagegen ist skandalfrei, sympathisch, spielt das Spiel "the right way". Keine Moonshots, sondern harte Arbeit. Die Yankees werden geliebt oder gehasst, doch Jeter wird immer respektiert. Und irgendwann bewundert.
Zurückgezogener Herzensbrecher
Seine Partyjahre fallen darüber hinaus in eine Zeit, in der noch nicht jeder Fan mit Kamera und Twitter-Account ausgestattet ist. Als die sozialen Medien Fahrt aufnehmen, schottet er sich ab, verbringt die Zeit lieber auf seinem monströsen Anwesen in Florida als in den Clubs des Big Apple. Wenn er Interviews gibt, sind sie kalkuliert und vorsichtig formuliert. Nie bieten sie Munition für eine saftige Schlagzeile.
Und die Frauen? Über die Jahre geben sich in "St. Jetersburg" Supermodels und Schauspielerinnen die Klinke in die Hand. Jessica Alba, Jessica Biel, Adriana Lima, Scarlett Johansson, Minka Kelly, Mariah Carey, und wie sie alle heißen.
Kurzzeitige Bettgeschichten sollen Gerüchten zufolge mit einem Geschenkkorb voller Memorabilien abgespeist werden - aber kompromittierende Fotos oder gar schmutzige Wäsche? Fehlanzeige. So nimmt sein Legendenstatus keinen Schaden, ganz im Gegenteil.
Die Lücke ist groß
Wen stört es da, dass Jeters Defensivspiel fast durchgängig schlechter war als sein Ruf. Dass eine vergleichbare Karriere im Baseball-Niemandsland, also etwa in Kansas City oder Houston, ihren Weg in die Schlagzeilen sehr viel seltener gefunden hätte.
Oder dass sein stures Beharren darauf, bis zum bitteren Ende Shortstop zu spielen, für den Erfolg des Teams in den letzten Jahren vielleicht nicht immer förderlich war.
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Die Liga ganz bestimmt nicht - die hat genug Probleme: Die Spiele sind zu lang und bieten zu wenig Action, weshalb gerade die Jugend immer stärker das Interesse verliert.
Regional sind die Teams beliebt und die TV-Verträge robust, doch die landesweit übertragenen Duelle locken kaum noch jemanden an die Bildschirme. Seit Jahren werden die Playoffs im Oktober von der alles zermalmenden NFL in den Schatten gestellt, Ikonen wie LeBron James oder Peyton Manning hat der Sport nicht zu bieten.
Abschied gegen die Red Sox
Oder besser: Bald nicht mehr. So wird der letzte verbliebene Superstar zum Ausklang seiner Karriere durch die Nation gekarrt und den Fans ein letztes Mal präsentiert, selbst wenn ihn Manager Joe Girardi aufgrund seines schwachen Spiels (.249 AVG, nur drei Homeruns in 136 Spielen) hin und wieder auf der Bank lässt.
Jeter selbst trägt es mit Fassung, wie immer ganz Profi. Mittlerweile taut er sogar hin und wieder auf und lässt seine menschliche Seite durchblitzen - er hat seinen Frieden gemacht, auch mit der Tatsache, dass es mit einer letzten Postseason nichts werden wird.
Zehn Spiele bleiben. Ein Schwung hier, ein Hit da, vielleicht sogar noch ein Homerun. Ein letzter Curtain Call am 28. September gegen die Boston Red Sox. Und dann?
Ritterschlag von MJ
Die Hall of Fame ist ihm sicher. Jeter gehört zu den besten Shortstops aller Zeiten, zumindest offensiv. Seinen Platz unter den Yankee-Legenden wird ihm niemand nehmen, für einige ist er sogar der größte Yankee ever. Als das Team am 7. September - in der laufenden Saison - den "Derek Jeter Day" ausruft und den Captain ehrt, ist sogar Michael Jordan unter den Laudatoren.
MJ, der bisher noch mit jedem einen Streit vom Zaun brechen konnte, ist voll des Lobes. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand etwas Schlechtes über Derek Jeter sagen könnte."
Der Klub wird seine Lücke füllen, zumindest auf dem Diamond. Das Geld war schließlich noch nie ein Problem für die Steinbrenner-Familie. Und vielleicht ist es ja kein Abschied für immer: Sein Traum sei es, einmal eine Franchise zu besitzen, verriet die Pinstripes-Ikone einst. Da kommt eigentlich nur ein Team infrage.
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