SPOX: Die Basketball-Fans in Deutschland trauern über die WM-Absage von Dirk Nowitzki und Chris Kaman. Sie hingegen müssten froh sein, oder?
Tibor Pleiß: Richtig glücklich bin ich darüber auch nicht. Es ist sehr schade, mit den beiden wäre bei der WM einiges drin gewesen. Aber ich weiß, worauf die Frage abzielt: Durch das Fehlen der beiden haben wir jungen Spieler die große Chance, uns vor einem Welt-Publikum zu bewähren und viele Spielminuten zu bekommen. Auf so einem hohen Niveau ist das nur wenigen Talenten vergönnt. Zumal ich das Team ohne Dirk und Kaman als nicht so chancenlos einschätze wie vielleicht einige in der Öffentlichkeit. Wir sind unerfahren, verfügen jedoch über ein riesiges Potenzial. Uns sollte keiner unterschätzen.
SPOX: Die Vorbereitung verläuft ordentlich, drei Siege stehen drei Niederlagen gegenüber. Wie gut ist die Nationalmannschaft in Form?
Pleiß: Der Trend spricht eindeutig für uns. Beim Vorbereitungsturnier auf Zypern bekamen wir anfangs von Griechenland richtig auf die Eier und verloren mit 28 Punkten, danach hielten wir die Partie gegen Kroatien lange offen und gewannen zum Abschluss gegen Russland. Ich spüre regelrecht, wie wir von Minute zu Minute besser zusammenfinden. Jetzt gilt es, beim topbesetzen Supercup in Bamberg die Entwicklung fortzusetzen, dann fahre ich sehr zuversichtlich zur WM. Das Achtelfinale ist unser Ziel - aber dabei muss es nicht bleiben.
SPOX: Sie sind erst 20 Jahre alt und schon gesetzt in der Starting Five. Wie verläuft für Sie persönlich die Vorbereitung?
Pleiß: Letztes Jahr bin ich ja quasi nur zur EM mitgereist und saß hauptsächlich auf der Bank. Jetzt ist vieles komplett anders. Ich habe in den letzten Wochen unglaublich viel gelernt. Basketballerisch, gleichzeitig auch mental. Wie gehe ich mit den Reisestrapazen um? Wie bereite ich mich im Kopf auf die nächste Partie vor? Wie gehe ich damit um, in fast jedem Spiel lange auf dem Parkett zu stehen?
SPOX: Gegen Griechenland wurden Ihnen jedoch die Grenzen aufgezeigt. Sie lieferten in 20 Minuten lediglich 2 Punkte und 4 Rebounds, Ihrem Gegenüber Ioannis Bourousis, Weltklasse-Center von Olympiakos Piräus, gelangen in 18 Minuten 17 Punkte sowie 8 Rebounds.
Pleiß: Man darf solche Spiele andererseits nicht überdramatisieren. Wir haben insgesamt nicht gut als Team harmoniert, weswegen die niedrige Punkteausbeute nicht überraschend ist. Außerdem benötige ich immer eine gewisse Akklimatisierungsphase, um mich auf einem solch hohen Niveau wohl zu fühlen. Das Griechenland-Testspiel war immerhin das allererste gegen ein absolutes Spitzenteam. Gegen Kroatien und gegen Russland lief es im Anschluss wesentlich besser.
SPOX: Bei der WM treffen Sie im ersten Vorrundenspiel gegen Argentinien auf das NBA-Frontcourt-Duo Fabricio Oberto/Luis Scola. In der zweiten Partie wartet Serbiens Nenad Krstic, ebenfalls seit vielen Jahren in der NBA. Wie bereiten Sie sich auf solch große Aufgaben vor?
Pleiß: Ehrlich gesagt: gar nicht. Ich bekomme natürlich vom Coachingstaff die Scoutingberichte, ob jemand gerne von außen schießt oder Linkshänder ist. Aber generell interessiere ich mich nicht besonders für den internationalen Basketball oder die NBA, von daher sagen mir die meisten Namen gar nichts. Zum Beispiel habe ich Krstic erst gekannt, als ich letztes Jahr bei einem EM-Vorbereitungsspiel direkt gegen ihn aufgelaufen bin. Meine Unwissenheit klingt vielleicht komisch für Außenstehende, jedoch hat es den Vorteil, dass ich unbefangen in eine Partie gehe und jeden Gegenspieler gleich ernst nehme.
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SPOX: Sie gelten als abgeklärter Typ. Ist Ihnen aber bewusst, dass Sie bei der WM um Ihre Zukunft in der NBA spielen werden?
Pleiß: Selbstverständlich. Die Oklahoma City Thunder werden genau beobachten, ob ich den Schritt nach vorne mache, den sie erwarten. Aber nicht nur sie. Seit der letzten Saison in Bamberg und dem Draft sind sehr viele Klubs auf mich aufmerksam geworden, und ich merke, wie detailliert meine Leistungen inspiziert werden.
SPOX: Sie wurden von den New Jersey Nets an Platz 31 gedraftet und sofort nach Oklahoma weitergetradet. Waren die Thunder die einzige Option?
Pleiß: Es gab einige Anfragen. Ich war im Sommer in den USA und habe unter anderem an einem Workout in New York teilgenommen, bei dem acht oder neun Teams Interesse an mir gezeigt haben. Darunter waren die Knicks, auch die Los Angeles Lakers wollten mich unbedingt haben. Sie waren extrem begeistert von mir, und ich wäre gerne vom amtierenden Meister gedraftet worden. Das Problem war nur, dass die Lakers wie auch die Knicks keine hohen Picks zur Verfügung hatten.
SPOX: Dann sind die Thunder nur ein Trostpflaster?
Pleiß: Überhaupt nicht, Oklahoma City hat mich ebenfalls sehr umworben. Das hat sich darin gezeigt, dass sie sogar nach Bamberg gekommen sind, um sich mit mir zu unterhalten und meinen Weg genau zu verfolgen. Dass Sie den 31. Pick für mich eingetauscht haben, zeigt doch nur die hohe Wertschätzung. Spätestens seit meinen zwei Gesprächen mit General Manager Sam Presti habe ich ein sehr gutes Gefühl mit den Thunder.
SPOX: Wie genau verlief der Draft-Abend vor zwei Monaten? War es aufregend, mit kommenden Superstars wie John Wall zusammen zu sitzen?
Pleiß: Wegen all den College-Spielern war ich überhaupt nicht aufgeregt - und das aus einfachem Grund: Ich kannte keinen Einzigen von ihnen, auch von diesem Wall habe ich vorher noch nie etwas gehört. Der Einzige, mit dem ich ein paar Worte gewechselt hatte, war der Franzose Kevin Seraphin, der an 17 gezogen wurde und nächste Saison in Washington spielt. Nervös war ich nur wegen des ganzen Drumherums. Zu wissen, dass Millionen von Zuschauern am Fernseher sitzen und mich beobachten würden, wenn ich beispielsweise auf dem Weg zur Empore stolpere. Außerdem war es extrem kalt und ich habe gefroren. So richtig wohl gefühlt habe ich mich nicht im Madison Square Garden. (lacht)
SPOX: Wie sicher waren Sie, tatsächlich gedraftet zu werden?
Pleiß: Man konnte davon ausgehen, dass ich gedraftet werde, aber auf welcher Position, war völlig offen. Mir wurde nur gesagt, dass ich ab der Nummer 15 aufpassen soll. Als sich dann die Nets an 31 für mich entschieden, wurde mir schnell klar, dass die Thunder dahinter steckten. Kurios war nur, dass ich mir gleich danach ein New-Jersey-Cappy aufsetzen musste und in den Interviews nur danach gefragt wurde, was ich von den Nets halten und wie toll ich den Klub doch finden würde. Dabei wusste ich, dass sie kein großes Interesse an mir hatten und dass ich am Ende ohnehin in Oklahoma lande.
SPOX: Wie interessiert waren die Dallas Mavericks?
Pleiß: Ich wusste, dass Mavs-Präsident Donnie Nelson in den BBL-Playoffs bei einem unserer Spiele in Bonn zugeschaut hat, aber ich wurde nie von Dallas angesprochen. Von daher waren die Mavs kein Thema.
SPOX: Obwohl Oklahoma City große Stücke auf Sie hält, spielen Sie mindestens ein weiteres Jahr in Bamberg. Warum?
Pleiß: Wenn mich Oklahoma City gerufen hätte, wäre ich sofort in die USA geflogen und hätte mich auf die NBA vorbereitet. Eigentlich bin ich aber froh, dass wir alle die Meinung vertreten, dass es besser für mich sei, mich ein weiteres Jahr vorzubereiten. Und in Bamberg finde ich perfekte Voraussetzungen dafür. Ich bekomme hier Spielminuten, Coach Chris Fleming setzt auf mich, das Umfeld ist mir vertraut, außerdem kann ich mich kommende Saison in der Euroleague beweisen. In der zweitbesten Liga der Welt zu spielen, macht viel mehr Sinn, als in der NBA nur auf der Bank zu sitzen oder in der Development League auszuhelfen.
SPOX: War die Euroleague-Qualifikation das entscheidende Kriterium, um in Bamberg zu bleiben und nicht den Verlockungen aus Südeuropa zu erliegen?
Pleiß: Nicht das entscheidende, aber ein wichtiges Kriterium. Ich hatte einige Angebote, vor allem mit Real Madrid und Virtus Rom waren die Gespräche weit fortgeschritten. Dennoch habe ich mich entschlossen, in Bamberg zu bleiben. Dem Klub gelang es, die komplette Starting Five weiter zu verpflichten, was nach einem solchen Erfolg wie dem Doublegewinn keine Selbstverständlichkeit ist. So bleibt aber unsere verschworene Einheit zusammen - und von daher spricht auch nichts gegen einen Verbleib.