1992, vor genau 20 Jahren, revolutionierte Magic Johnson die Basketball-Welt. Mit dem Dream Team, das Gold bei den Olympischen Spielen in Barcelona gewann. Und mit dem legendärsten All-Star-Game aller Zeiten. Zum Jubiläum findet am Wochenende erneut in Orlando das Stelldichein der Superstars statt. Ausgewählte Journalisten durften Magic Johnson zu diesem Anlass interviewen. Der 52-jährige "ESPN"-Experte über seine Erinnerungen und die Rückbesinnung der NBA.
Frage: 1992 ereignete sich in Orlando Historisches. Das All-Star-Game entwickelte sich zu einer Huldigung eines einzigen Basketballers: Magic Johnson. Nur drei Monate, nachdem Sie Ihre HIV-Erkrankung publik gemacht haben und zurückgetreten sind, standen Sie in der Starting Five der Western Conference, erzielten 25 Punkte und wurden zum MVP gewählt. Woran werden Sie sich als erstes erinnern, wenn am Sonntag nach 20 Jahren wieder in Orlando ein All-Star-Game stattfindet?
Magic Johnson: Ich hatte vier großartige Momente: Zunächst der Empfang durch die Fans. Dann im Spiel der erfolgreiche Hook Shot über Dennis Rodman sowie die drei Dreier im vierten Viertel. Und nach dem Spiel die Umarmungen der Mitspieler und Gegner, die ohne Scheu auf mich zukamen.
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Frage: Was hat das All-Star-Game 1992 bewirkt?
Johnson: Nach allem, was passiert ist, hatte es einen großen Einfluss auf der ganzen Welt. Es fing schon damit an, dass mich die Fans in der Starting Five wollten und mir Commissioner David Stern die Erlaubnis zur Teilnahme erteilte. Ich muss auch Tim Hardaway danken, der mir seinen Platz in der ersten Fünf überließ. Dennoch wusste ich vor dem Spiel nicht, was mich erwartet. Sind gewisse Spieler wegen der HIV-Erkrankung gegen mich? Denken die Fans, dass ich nicht mehr fähig bin zum Basketball? Was wird passieren? Und dann erfolgte der Tipoff - und wir spielten einfach nur Basketball. All die Unsicherheiten waren verschwunden und wir hatten unseren Spaß. Dennis Rodman hat mich hart verteidigt, um den Leuten draußen zu zeigen, dass ich keine Rücksicht brauche. Das zu beobachten hat viele beruhigt.
Frage: Es folgte der Höhepunkt: Nach ihrem letzten Dreier wurde das All-Star-Game sogar vorzeitig beendet, obwohl noch einige Sekunden zu spielen waren.
Johnson: Nach den drei Dreiern im letzten Viertel wussten die Leute: Magic ist okay, Magic kann noch spielen. Sie wurden aufgeklärt, was HIV und AIDS bedeutet. Aber es war für die Menschen mit HIV oder einer anderen Erkrankung genauso wichtig: Sie erkannten, dass man weiterleben und ein produktives Mitglied der Gesellschaft sein kann. Durch das All-Star-Game hat die Welt dazugelernt. Und für mich war es die perfekte Therapie.
Frage: Was haben Sie sich durch die Veröffentlichung der HIV-Erkrankung erhofft?
Johnson: Ich war immer eine starke Persönlichkeit. Gott hat mich mit einer inneren Stärke gesegnet. Vermutlich habe ich das von meinem Vater, das Lächeln wiederum erbte ich von meiner Mutter. Als ich die Diagnose bekam und mir klar wurde, dass ich es öffentlich machen muss, wusste ich eines: Ich wollte der gleiche Magic bleiben. Ich wollte der gleiche Führungsspieler bleiben, der positiv vorweg geht. Ich wollte, dass diese Botschaft bei meinen Teamkollegen, bei Lakers-Besitzer Dr. Buss, bei den Fans und bei den HIV-Infizierten ankommt.
Frage: Im Sommer 1992 folgten die Olympischen Spiele in Barcelona - mit Ihnen als Teil des ersten Dream Teams.
Johnson: Das Dream Team hat die Welt geöffnet für den Basketball - und umgekehrt die NBA für die Welt. Bei den Olympischen Spielen erkannte die Welt die Faszination der Sportart, was dazu führte, dass immer mehr internationale Spieler in die NBA wollten. So wurde aus Basketball eine globale Sportart. Die NBA wiederum profitierte davon, weil sich durch die internationalen Spieler das Niveau verbesserte.
Frage: Eine theoretische Frage: Wer würde gewinnen, wenn das Dream Team von 1992 gegen das Dream Team von 2012 mit LeBron James, Kobe Bryant und Dwight Howard antreten würde?
Johnson: Wir würden 2012 zerstören. Wir sollten nicht vergessen: 1992 waren so viele dabei, die bereits die Championship gewonnen hatten: Michael Jordan, Scottie Pippen, Larry Bird, ich. Dazu David Robinson, Karl Malone, Patrick Ewing, Chris Mullin, Clyde Drexler, John Stockton und Charles Barkley, der dominierte. Wir wussten alle, wie man zusammenspielt. Es war ein fantastisches Team, eine fantastische Zeit, und wir haben fantastische Dinge erreicht. 2012 wird überragend, ich freue mich auf das Team. Aber es gab vorher und es wird danach nie wieder ein Dream Team geben wie das von 1992.
Frage: Sie sind der beste Point Guard aller Zeiten. Wie entwickelte sich die Aufbau-Position in den letzten 20 Jahren?
Johnson: Die heutige Point-Guard-Generation verändert den Basketball von Grund auf. Zu meiner Zeit hatten wir John Stockton, Isaiah Thomas, Maurice Cheeks, Kevin Johnson, Mark Jackson. Sie prägten eine Ära, in der Ball Movement und das Scoren als Team wichtig war. Jetzt kehren wir zu dieser Ära zurück.
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Frage: Wer gefällt Ihnen?
Johnson: Es gibt mittlerweile sehr viele. Deron Williams beeindruckt mich, weil er trotz seiner Enttäuschung über die Leistungen der New Jersey Nets weiter professionell arbeitet. Chris Paul natürlich. Rajon Rondo, der Boston zum Titel und einem weiteren Finale führte. Derrick Rose, der amtierende MVP, ist unglaublich. So einen Point Guard hat die NBA noch nicht gesehen: Er kann mit seiner Schnelligkeit und seiner Athletik trotz Kontakts mit dem Gegner am Korb abschließen - und gleichzeitig von draußen den Wurf treffen. Russell Westbrook ist die Nummer eins bei der Athletik: Er ist so groß und so stark und kann dich auf verschiedenste Weise schlagen. Und es hört nicht auf. Jetzt kommen Kyrie Irving und Ricky Rubio nach, die sicherstellen, dass die Point Guards weiter die Highlights der NBA sind. In den Jahren zuvor hat es nicht gut getan, dass die Point Guards vor allem ans Scoren dachten. Stattdessen braucht der Basketball "Pass first, shoot second"-Point-Guards.
spoxFrage: Viele sehen in Minnesotas Point-Guard-Sensation Rubio den nächsten Magic. Und Sie?
Johnson: Er ist wie ein Spiegel meines Spiels. Er hält den Kopf immer hoch und scannt unablässig den Court. Er kann jede Variante des Passes spielen, so wie ich damals. Er versucht, immer für seine Mitspieler Würfe zu kreieren. Wenn ein Spielzug mal nicht klappt, weiß er genau, wie er dennoch andere einsetzt. Und er schafft es, dass sich nicht nur sein Gegenspieler, sondern auch der Gegenspieler eines Teamkollegen auf ihn konzentriert, so dass jemand zwangsläufig freistehen muss. Ich bin sehr froh, ihm zuzusehen, weil er so einen Spaß versprüht. Ich bin froh, dass er doch noch in die NBA gekommen ist.
Frage: Wer soll den Rookie-of-the-Year-Award gewinnen: Rubio oder Clevelands Irving?
Johnson: Irving. Kyrie kann alles und ist so explosiv. Der große Unterschied zwischen beiden: Egal, welchen Gameplan der Gegner für Kyrie konzipiert, er stellt sich darauf ein. Bei Rubio ist es hingegen so, dass die Gegner für Kevin Love einen Gameplan entwickeln. Daher sollte Kyrie als Rookie of the Year ausgezeichnet werden.
Frage: Was halten Sie von den beiden alten Männern auf der Eins, von Steve Nash und Jason Kidd?
Johnson: Die beiden haben den Jungen gezeigt, wie man als Point Guard zu spielen hat. Dafür muss ich ihnen Respekt zollen. Die beiden leben vor, warum Point Guards sehr gesund sind für die NBA. Außerdem stellen sie sicher, dass das Passen als Kunstform nicht vergessen wird. Sie wissen, wie man beim Passen auf die verschiedensten Winkel achten soll. Jeremy Lin hat sich daran ein Vorbild genommen und versteht es ebenfalls.
Frage: Sind Sie Passagier des Lin-Bandwagons?
Johnson: Jeremy Lin ist noch nicht auf dem Niveau der zuvor erwähnten Point Guards. Er macht es jedoch wieder aufregend für die Knicks. Die Fans haben wieder ihren Spaß, weil die Mannschaft besser zusammenspielt. Dank Lin versuchen es die Knicks nicht mehr nur im Eins-gegen-eins.
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Frage: In einer Sinnkrise steckt ebenfalls Ihr Team, die Los Angeles Lakers. Wie bewerten Sie Kobe Bryants Kritik am Front Office, weil es sich nicht entscheiden kann, Pau Gasol zu traden oder nicht?
Johnson: Kobe unterstützt als Leader seine Mitspieler, was ich klasse finde. Ich bin stolz auf ihn, dass er sich als guter Mitspieler und guter Leader erwiesen und sich zu Wort gemeldet hat. Er möchte vermutlich vor allem eines: informiert werden. Als zukünftiger Hall of Famer, als fünfmaliger NBA-Champion, möchte er eine bessere Kommunikation, so wie es wohl unter Phil Jackson und Mitch Kupchak lief.
Frage: Bryant schien mit General Manager Kupchak eine gute Beziehung aufgebaut zu haben. Davon ist nun wenig zu spüren. Was ist das Problem?
Johnson: Wir sollten nicht vergessen: Mitch ist nicht derjenige, der die Entscheidungen trifft. Die Entscheidungen trifft Jim Buss, von daher muss Mitch dessen Anweisungen befolgen. Mitch ist aus meiner Sicht nicht das Problem, weil er nur seinen Job erledigt.
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Frage: Wie soll es mit Bryant und Team Executive Jim Buss, dem Sohn von Ihrem Mentor und Lakers-Besitzer Dr. Jerry Buss, funktionieren?
Johnson: Kobe und Jim sollten sich zusammensetzen und so vorgehen wie früher Dr. Buss. Er war ein Meister darin, jemanden zum Lunch oder Dinner zu nehmen und über alles zu sprechen, was von Belang war. Wenn Kobe, Jim und Mitch das verinnerlichen und an einem Strang ziehen, wird es okay werden.
Frage: Reicht das für die Championship?
Johnson: Nein, die Lakers sind zu unbeständig. Solange sie nicht konstanter werden und einen Trade durchziehen, wird es nichts. Alleine im Westen sehe ich Oklahoma City vor den Lakers, auch San Antonio ist gerade besser. Vor allem auf der Point-Guard-Position haben die Lakers Verstärkung nötig.
Frage: Die Lakers zögern mit dem Umbruch. Warum?
Johnson: Weil es eine schwere Entscheidung ist. Du hast Leute in der Mannschaft, die dir geholfen haben, Titel zu gewinnen und die Lakers zurück in eine Championship-Franchise zu verwandeln - und dann sollst du genau diese Leute wegschicken? Man weiß, dass es den Fans nicht gefallen wird, egal wie man es anpackt. Man weiß, dass es hässlich wird. Dennoch ist so ein Schnitt manchmal nötig. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es offensichtlich ist, dass die Spieler nicht mehr das bringen können, was man von ihnen gewohnt ist.
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