SPOX: Am 19. November 2011 wurden Sie von der Vergangenheit eingeholt: Nur wenige Minuten, nachdem der Selbstmord-Versuch des Bundesliga-Schiedsrichters Babak Rafati veröffentlich wurde, mussten Sie die Konferenz-Sendung bei "LIGA total!" moderieren. Was ging in Ihnen vor?
Buschmann: Für mich ist es die höchste Anerkennung für meine Arbeit, dass niemand aus dem Redaktionsteam und kein Zuschauer gemerkt hat, was für ein schwieriger Moment es für mich war. Ich wusste, dass ich aus der Nummer nicht mehr herauskomme, weil so schnell kein Ersatz-Moderator zu finden gewesen wäre. Daher zog ich das durch - obwohl es zu dem mit Abstand schwierigsten Augenblick meiner beruflichen Karriere wurde. Die Erinnerungen an meinen Vater kamen unweigerlich hoch. Das hatte geflasht. Deswegen lehnte ich Talkshow-Einladungen ab, in denen ich als Sport-Journalist über Robert Enke und seinen Suizid reden sollte.
SPOX: Ihre Wahrnehmung hat sich in der Medienszene gewandelt: Früher waren Sie der Rabauke aus dem Nischenfernsehen, mittlerweile werden Sie für den prestigereichen Grimme-Preis nominiert und selbst das lange skeptische Feuilleton scheint Sie langsam zu mögen. Wie gehen Sie mit der veränderten Wahrnehmung um?
Buschmann: Im Grunde ist es mir egal: Mein Entschluss steht, dass ich mir nicht von der Fachpresse oder dem Feuilleton vorschreiben lassen will, wie ich zu sein habe. Das gilt im Schlechten wie im Guten. Wenn es nach der "Süddeutschen" geht, wäre ich längst zu einem distanzierten Berichterstatter geworden, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt. Ich muss mir immer treu bleiben. Das ist die Basis von allem. Das soll jedoch nicht heißen, dass ich kritikresistent bin.
SPOX: Wegen Ihrer Art kam es bisher nie in Frage, dass Sie für die auf Konsens bedachten Öffentlich-Rechtlichen berichten können. Was kaum jemand weiß: Sie arbeiteten zu Beginn Ihrer Laufbahn schon einmal beim "WDR". Ist ein Wechsel irgendwann denkbar? Ihr alter Kollege Matthias Opdenhövel übernahm die Sportschau.
Buschmann: Ich will nichts ausschließen, aber eigentlich ist es Quatsch. Die Öffentlich-Rechtlichen haben Ihre Vorstellung, und da passe ich mit der eher privatgeprägten Berichterstattung nicht rein. Und der "WDR"-Job damals war nichts Großes. Ich fing Anfang der 90er Jahre bei Radio Hagen an und machte mir in NRW schnell einen Namen als der Typ, der sich im Basketball ganz gut auskennt. Deswegen übernahm ich für den "WDR" als Freier ein paar Basketball-Reportagen, das war's.
SPOX: Relativ schnell gingen Sie vom Radio zu TV. Wie kam das?
Buschmann: Wegen Barcelona 1992. Ich bin damals als freier Radiojournalist auf eigenes finanzielles Risiko und ohne eine Akkreditierung zu den Olympischen Spielen gefahren. Dank meiner Beziehungen lief es dort prächtig, ich führte Interviews mit den Superstars, an die kein akkreditierter Kollege rankam. Ich kannte aus meiner aktiven Zeit in Hagen den Litauer Rimas Kurtinaitis, der mich seinem Landsmann Sarunas Marciulionis vorstellte. Der wiederum nahm über Chris Mullin, seinen Mitspieler bei Golden State, Kontakt zu den ganzen Dream-Team-Stars auf. So kam ich an exklusive Interviews, die ich den großen Radiostationen in Deutschland anbot. Die erste Reaktion war ein: "Der hat eine Macke!" - und das Telefon wurde aufgelegt. Irgendwann machte es dann doch die Runde, dass ein Typ ohne Akkreditierung jeden vors Mikro bekommt. Und kurz nach Olympia erhielt ich das erste Angebot vom Fernsehen.
SPOX: In den 90er Jahren prägten Sie wie kein anderer die Basketball-Berichterstattung. Nur: So innovativ und liebevoll viele Sendungen inszeniert waren, Ihre Frisur und Ihre Outfits sind nur schwer zu entschuldigen. Oder ist das ein zu hartes Urteil?
Buschmann: (lacht laut) Ach, das geht jedem so, der über 40 ist. Jeder bekommt einen Kreislaufkollaps, wenn er Bilder von sich aus den 90ern sieht. Ich amüsiere mich prächtig, wenn ich die alten Schinken sehe. Entschuldigend muss ich anführen: Das war der damalige Zeitgeist, bescheuert herumzulaufen. Ich halt im ganz besonderen Maße. Aber lieber so, als in der heutigen Zeit dieses Glattgebügelte. Ich habe das Gefühl, dass jeder nur noch mainstream-hübsch sein möchte. Wie soll jemand besonders sein, wenn er sich so gibt wie jeder andere?
SPOX: Etwas klischeehaft wirkt hingegen Ihr Werdegang als Basketballer: Ein großes Talent, das nicht über die 2. Liga hinauskam, weil ihm die richtige Einstellung fehlte. Dabei sollen Ihnen aus der Bundesliga mehrere Angebote vorgelegen haben. Warum traute sich der selbstbewusste Buschmann den großen Sprung nicht zu?
Buschmann: Ich hatte in der Tat Angebote. Bei BG Hagen war ich ein guter Zweitliga-Spieler und ich hätte zum SSV oder TSV Hagen gehen können, die beide parallel in der Bundesliga waren. Was für Zeiten! Oldenburg und Langen meldeten sich ebenfalls. Dennoch, die Bundesliga war nie eine Option, weil ich nie Lust darauf hatte, für 8 Minuten pro Spiel als Füllmasse reinzukommen. In der 2. Liga wusste ich wenigstens, dass die gegnerischen Fans sich Gedanken machten, ob dieser Buschmann 30 Punkte einschenkt. Das war ein geiles Gefühl.
SPOX: Wenn man in der 2. Liga 30 Punkte erzielen kann, sollte es für die Bundesliga zumindest zu einem ordentlichen Rotationsplatz reichen.
Buschmann: Mit dem Basketball-Verstand von heute hätte es vielleicht wirklich funktioniert. Ich hatte Talent, ich hatte Athletik - aber ich hatte nicht den Kopf. Ich war viel zu egoistisch. Meine Mitspieler verzweifelten an mir und nannten mich nur noch das Schwarze Loch: Ein Pass zu Buschi - und du siehst den Ball nie wieder.
SPOX: Buschmann, der Egozocker?
Buschmann: Ich war als Shooting Guard ein Ballerkopf: schießen, schießen, schießen Außerdem hatte ich ordentliche Sprungfedern, was sich heute kaum jemand vorstellen kann: An der Baseline entlang, hoch zum Dunk - und dann hat es ordentlich gescheppert im Gebälk. Stephan Baeck kann es bezeugen. Mit meinen 1,86 Metern hätte ich auf der Zwei in der Bundesliga jedoch kaum Land gesehen. Und für die Point-Guard-Position war ich zu faul, an meiner linken Hand zu arbeiten. Wenn mir jemand die rechte Hand zugemacht hat, gab es massig Turnover. Es lag nicht immer an den anderen. Es lag an mir, dass es nichts wurde mit der großen Basketballer-Karriere.
SPOX: Jeder Basketballer hat seine Sternstunden: Kobe Bryant bei seinem 81-Punkte-Match, Dirk Nowitzki beim 7. Spiel der Playoffs 2006 in San Antonio. Hatten Sie diesen einen besonderen Tag?
Buschmann: Ich kann mich nicht mehr ans Datum erinnern. Wir spielten mit BG Hagen eine miserable Saison und durften am letzten Spieltag bei TuS Neukölln nicht verlieren, sonst wären wir aus der 2. Liga abgestiegen. Und dann nahm ich drei Sekunden vor der Schlusssirene den Dreier - und sichere uns damit den Klassenerhalt. Ich weiß noch, wie mir mein damaliger Trainer fast die Rippen brach, weil er mich so umarmte.
SPOX: Hilft es, ein guter Basketballer gewesen zu sein, um als guter Basketball-Journalist zu arbeiten?
Buschmann: Es ist nicht zwangsläufig nötig: Es gibt viele gute Reporter, bei denen ich mir nur schwer vorstellen kann, dass Sie irgendeine Sportart jemals gut ausgeübt haben, und trotzdem exzellent in Ihrem Job sind. Wenn man über Jahre am Ball bleibt, sich reinschuftet und vor Ort Präsenz zeigt, kann man sich Glaubwürdigkeit erarbeiten. Andererseits ist es vor allem am Anfang hilfreich, eine gewisse Vita mitzubringen, um im Inner Circle sofort akzeptiert zu werden. Svetislav Pesic kannte mich von früher und sagte immer zu mir: "Du bist ein fauler Hund! Du hättest schaffen müssen für Bundesliga!"
SPOX: Sie und Pesic verbindet ohnehin etwas Besonders. Er fügte Ihnen eine der bittersten Niederlagen zu.
Buschmann: Damals hatten wir bei "Inside NBA" eine Serie, in der ich gegen viele Nationalspieler zum Freiwurf-Wettschießen antrat. Die meisten habe ich besiegt, nur der alte Pesic hat mich so vollgelabert, dass ich gegen ihn die einzig klare Niederlage kassiert habe. Normalerweise ist das Quatschen meine Stärke, aber Pesic ist eben ein Fuchs und ein Trash Talker der alten Schule. So frech ich sonst auftrat, Pesic gehörte für mich zu den totalen Autoritätspersonen. Das wusste er natürlich und textete mich zu. Ich gebe zu: Ich war eingeschüchtert.