SPOX: In der Vorsaison verpflichteten Sie für Artland mit Ryan Gomes einen gestandenen NBA-Profi. Anfangs als Coup gefeiert, enttäuschte er und verließ Quakenbrück nach wenigen Wochen schon wieder. Jetzt könnten Sie ihn bei den NBA-Streams kommentieren: Gomes gehört zum Kader von Titelkandidat Oklahoma City Thunder. Wie seltsam ist es?
Koch: So seltsam finde ich es gar nicht. Wir müssen uns klarmachen: Der Unterschied zwischen der NBA und der BBL ist nicht mehr so groß wie noch vor 10, 20 Jahren. Das ist Fakt. Gomes ist ein Beispiel, noch viel deutlicher wird es bei P.J. Tucker und Brian Roberts. Beide waren Leistungsträger in Bamberg, gingen zurück in die USA und bekamen wichtige Rollen in der NBA, Tucker ist mittlerweile sogar Starter in Phoenix. Daher verwundert es mich nicht, dass es Gomes mit seiner Erfahrung in einen Roster geschafft hat.
SPOX: Wie stehen Sie zum Glaubenskrieg NBA-Basketball vs. FIBA-Basketball?
Koch: In der NBA spielen die besten Basketballer der Welt, Punkt. Der Stil bleibt eine Geschmacksfrage. Beides hat seinen Reiz. In der NBA geht es darum, Mismatches zu finden und diese im Eins-gegen-Eins auszunutzen. Dazu gibt es Regeln wie die defensiven 3 Sekunden, die diese Art des Basketballs bevorteilen. Wie anders europäische Teams spielen, erklärte mir kürzlich wieder Ettore Messina, mit dem ich gut befreundet bin.
SPOX: Messina ist eine Trainer-Legende, der 2011/12 als Berater im Stab der Los Angeles Lakers arbeitete und seitdem Euroleague-Mitfavorit ZSKA Moskau verantwortet.
Koch: Ettore war mit ZSKA in der Preseason auf US-Tour und spielte auf Augenhöhe gegen einige NBA-Teams. Seine Erklärung: Europäische Mannschaften sind es gewohnt, auf einem kleineren Feld gegen Mannschaften anzutreten, die im Verbund kompakter verteidigen. Das macht das europäische Spiel an sich defensivorientierter und weniger spektakulär. Aber bei den Partien gegen die NBA-Teams, wo das Feld größer ist, konnte ZSKA den Ball besser bewegen, um zum offenen Wurf zu kommen. NBA-Teams positionieren sich anders in der Verteidigung, weil sie eine andere offensive Spielstruktur gewohnt sind.
SPOX: Ist es umso spannender, dass Sie im NBA-Stream die Spurs und die Knicks kommentieren? Beide Teams verfolgen den europäischen Ansatz.
Koch: Da möchte ich einschränken. Auf San Antonio trifft es hundert Prozent zu. Die Spurs besitzen eine europäische Identität, nicht umsonst stehen Tony Parker, Boris Diaw, Nando De Colo und Marco Belinelli unter Vertrag. Manu Ginobili und Tiago Splitter spielten vor dem Wechsel in die NBA ebenfalls lange in Europa. Die Knicks müssen differenzierter betrachtet werden: Carmelo Anthony als gelernter Small Forward spielt beispielsweise als Stretch Four, daher ist der Positionsgedanke schon europäisch. Aber die Spielstruktur ist amerikanisch geprägt mit Basketballern wie Melo oder J.R. Smith, die den Mismatch-Gedanken sehr kultivieren.
SPOX: Sie waren vor einiger Zeit als Scout für die Grizzlies tätig. Gibt es noch Verbindungen?
Koch: Nein, nein. Das war zur Anfangszeit der Franchise, als die Grizzlies noch in Vancouver gespielt haben. Meine Tätigkeit sollte man allerdings nicht überbewerten: Ich stellte für das Management Listen zusammen mit möglichen Draft-Kandidaten aus Europa. Wobei die Grizzlies damals bevorzugt amerikanisch drafteten, weswegen mein Einfluss begrenzt war.
SPOX: Mitte der 90er Jahre ließen Sie sich auf ein noch größeres Abenteuer ein: Sie wechselten für eine kurze Zeit von Deutschland in die Ukraine und trainierten Bipa Moda Odessa. War es so wild, wie es klingt?
Koch: Absolut! Mein damaliger Verein BG Bramsche/Osnabrück ging nach sechs Spielen pleite und es hieß, dass die beiden Amerikaner ihr Gehalt weiter bezahlt bekommen würden, die Trainer und die deutschen Spieler hingegen auf die Hälfte verzichten sollen. Das machte ich nicht mit, daher unterschrieb ich kurzentschlossen in Odessa. Das war ein Abenteuer, nur wenige Jahre nach dem Ende der Sowjetunion. Ich könnte unzählige Anekdoten erzählen. Einmal ging es für ein Playoff-Spiel nach Donezk. Nach der Partie fuhren wir zurück zum Flughafen - und merkten, dass gar kein Personal mehr dort war. Deswegen schmissen wir unsere Taschen über den Zaun und kletterten selbst darüber, liefen zu unserer Maschine und flogen einfach los. Es war wild!
SPOX: Sie verfügen ohnehin über eine bewegte Vergangenheit. Einen Einschnitt erlebten Sie bereits mit elf Jahren. Ein tragischer Unfall, ohne den Sie aber nie der geworden wären, der Sie sind.
Koch: Das stimmt. Ich spielte wie mein Bruder Michael nur Fußball. Als ich elf Jahre alt war, erlitt ich eine sehr schwere Verletzung. Ein superkomplizierter Beinbruch mit einem komplett durchbrochenen Schienbein und einem angebrochenen Wadenbein. Es war ein offener Bruch, der zu eitern anfing. Wenn es einen Tag länger geeitert hätte, wäre mein Bein amputiert worden. Ich konnte im Anschluss fünf Monate nicht zur Schule gehen, weil ich mit dem Gips nur liegen durfte. Nach diesem Erlebnis verbot unsere Mutter mir und Michael das Fußballspielen. So kamen wir erst zum Basketball.
SPOX: Ihr eineinhalb Jahre jüngerer Bruder Mike Koch wurde auf diesem Weg zu einem der erfolgreichsten deutschen Basketballer überhaupt. Er gewann 1993 EM-Gold und 2000 mit Panathinaikos den Europapokal der Landesmeister. Nach seiner Karriere übernahm er den Trainerposten in Bonn, den er bis Sommer 2013 innehatte.
Koch: Ich hatte vor der Verletzung eine gute Schnelligkeit und Sprungkraft. Aber selbst wenn ich fit geblieben wäre, hätte ich wohl keine große Karriere hingelegt, dass muss man klar zugeben. Mein Bruder hatte mehr Talent und ich fing so oder so zu spät mit dem Basketball an. Ich stieg schlussendlich erst im zweiten B-Jugendjahr ein. Daher interessierte mich früh das Coaching. Die Referees werden es nicht gerne lesen, doch es ist so: Wer es als Spieler nicht schafft, versucht es als Trainer. Wer es als Trainer nicht schafft, wird Schiedsrichter. Zum Glück bin ich kein Schiedsrichter geworden. (lacht)