SPOX: Nach einem zweiwöchigen Zwischenspiel beim Farmteam Bakersfield steht Dennis Schröder seit einem Monat wieder fest im Kader der Atlanta Hawks. Hat das Intermezzo etwas gebracht?
Ademola Okuiaja: Dass er nach Bakersfield ging, klang für viele in Deutschland zunächst natürlich negativ. Aber man muss die Umstände kennen. In der BBL gibt es ein Spiel pro Woche, in der restlichen Zeit ist Training möglich. Wenn ein Team an der Euroleague teilnimmt, kommt man auf maximal zwei Spiele pro Woche. Dennoch klagen viele Trainer über zu wenig Zeit fürs Trainieren. Im Vergleich die NBA: Dort sind es vier oder teils fünf Spiele pro Woche! Vom 30-minütigen Shootaround vor dem Tipoff abgesehen ist im Grunde nichts möglich. Daher ist es besonders für einen Rookie-Point-Guard schwierig, das richtige Gefühl zu entwickeln. Deswegen machte Bakersfield für alle Sinn. Dort werden Eins-zu-eins die gleichen Plays gelaufen, so dass Dennis unter identischen Bedingungen seinen Rhythmus finden konnte. Als kurzer Vergleich: Die Cavaliers wollen jetzt sogar ihren Nr.1-Pick Anthony Bennett in die D-League schicken. Das ist fast schon Standard im ersten Jahr.
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SPOX: Was auffällt: Die Resonanz des Hawks-Managements und der Mitspieler auf Schröder blieb trotz der Versetzung ausgesprochen positiv.
Okulaja: Die beste Bestätigung kommt von jemandem wie Elton Brand. Ein Veteran, der genau weiß, worauf es ankommt, um in der NBA über ein Jahrzehnt auf hohem Niveau zu spielen. Und so jemand lobt nicht einen Rookie nur aus Höflichkeit. Als die Hawks in London spielten, unterhielten wir uns über Dennis. Elton und ich kennen uns seit der College-Zeit, als er bei Duke und ich bei North Carolina war. Und Elton bestätigte mir, wie gut sich Dennis macht. Das macht einen stolz. Ganz klar: Dennis ist auf einem harten, steinigen und kurvenreichen Weg. Nur bei den wenigsten geht es stetig und ohne Probleme geraderaus. Entscheidend ist, dass bei ihm alles in die richtige Richtung zeigt.
SPOX: Was ist mit Schröders Turnover-Anfälligkeit und der durchwachsenen Dreierquote?
Okulaja: Die Turnover gefallen ihm auch nicht, aber die Anzahl ist für einen jungen Point Guard akzeptabel. Zumal er als Rookie auch nicht die Pfiffe bekommt wie ein Star. Doch das sollte keine Entschuldigung sein. Jeder Rookie muss da durch. Die Dreierquote wiederum hängt zum Teil mit der taktischen Rolle zusammen. Coach Mike Budenholzer sagt, dass Dennis mit seiner Penetration der Mannschaft am meisten hilft. Daher soll er erstmal immer zum Korb ziehen und dann den freien Mann suchen. Erst im zweiten Schritt soll er daran denken, aus der Distanz zu werfen.
SPOX: Stimmt es, dass prominente Mentoren Hilfe anbieten?
Okulaja: Wegen den Regularien darf ich nicht darüber sprechen. Es gab einige Gespräche mit namhaften Ex-NBA-Stars, die unbedingt mit Dennis arbeiten wollten.
SPOX: Aus der deutschen Basketball-Szene hingegen ist eine gewisse Schadenfreude zu vernehmen, dass Schröder nicht sofort zum NBA-Star wurde.
Okulaja: Aber wer kann sich in Deutschland nur ansatzweise in seine Situation hineinversetzen? Es ist so viel auf ihn eingeprasselt: Der Schicksalsschlag mit dem Tod seines Vater und wie er ihm versprach, in die NBA zu kommen. Dann wurde er tatsächlich innerhalb eines Jahres von einem Insider-Tipp zu einem NBA-Profi. Im Sommer folgte der Umzug raus aus der Heimat - und nicht wie es andere Gleichaltrige machen in eine andere deutsche Stadt nur zum Studieren, sondern in ein komplett neues kulturelles Umfeld. Und das alles musste er aufarbeiten und gleichzeitig vom Jungen zum Mann werden. Ich überleg mir immer, wie ich es wohl verkraftet hätte. Im gleichen Alter bin ich damals von Alba Berlin ans College gewechselt und war schon geflasht, in North Carolina vor 20.000 Zuschauern zu spielen. Dennis spielt auch vor 20.000 Zuschauern - aber dazu kommt das Leben als Profi und nicht als Collegestudent, drei bis fünf Nächte die Woche in Hotels schlafen und eine viel größere Erwartungshaltung.
SPOX: Hat sich die Beziehung zwischen Ihnen und Schröder verändert?
Okulaja: Es ist nach wie vor eine Mischung aus Agent-Profi- und Vater-Sohn-Verhältnis. Ich halte zu ihm, wie auch zu allen meinen Spielern wie Daniel Theis und Niklas Kiel, sehr engen Kontakt. Im Gegensatz zu vielen Beratern, die 200 Basketballer betreuen und sich nur für das Finanzielle interessieren, möchte ich das Persönliche bewahren. Dennoch mussten wir bei Dennis eine neue Lösung finden, weil ich wegen der Zeitumstellung und der Entfernung nicht das komplette Tagesgeschäft erledigen kann. Deswegen fanden wir mit "Octagon" einen Partner vor Ort, der sich um Dennis' Belange kümmert und über Jahrzehnte mit den besten Spielern der NBA arbeitet.
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SPOX: Was passiert nach der Saison? DBB-Präsident Ingo Weiss versprach öffentlich der FIBA, dass Schröder neben Dirk Nowitzki und Chris Kaman bei der WM 2014 in Spanien mitspielt, sollte Deutschland eine Wild Card erhalten.
Okulaja: Ich habe davon noch nichts gehört, daher kann ich nicht dazu sagen. Ich weiß nur, dass Dennis sehr gerne für die Nationalmannschaft spielen möchte und sich bereits darauf freut.
SPOX: Sollte das DBB-Team die Wild Card nicht erhalten, nimmt es im nächsten Sommer an der Qualifikation zur EM 2015 teil. Auf jeden Fall wird Schröders enger Freund Daniel Theis, den Sie ebenfalls betreuen, in der Nationalmannschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Wie geht es dem Ulmer nach der langen Pause?
Okulaja: Er musste nach der letzten Saison vier Monate kürzertreten und die Schulter komplett schonen, was vor allem einem Spieler wie Daniel besonders schwer fällt, der sehr von der Kraft und der Athletik lebt. Mittlerweile ist er aber in der Saison voll angekommen, was die 20 Punkte, 8 Rebounds und 4 Blocks im Eurocup gegen Cantu beweisen. Jetzt geht es darum, sich zu stabilisieren und weiter konstant zu performen.
SPOX: Wie sieht Theis' Vertragsstatus aus?
Okulaja: 2012 unterschrieb er in Ulm einen 2+1-Vertrag, so dass er nach dieser Saison beiderseitig kündbar ist. Wir werden uns zeitnah zusammensetzen und überlegen, wie der nächste Schritt aussehen soll.
SPOX: Was ist mit der NBA?
Okulaja: Wir beließen Daniel 2013 im Draft und er wurde nicht gezogen, daher ist er mit dem Thema durch. Das heißt: Als Free Agent kann er von jedem Team, das ihn mag, angesprochen und eingeladen werden. Schauen wir mal.
SPOX: Nach Schröder und Theis entschied sich mit Niklas Kiel das nächste Toptalent dafür, von Ihnen repräsentiert zu werden. Wie gut wird der 16-jährige Paderborner?
Okulaja: In erster Linie ist Niklas ein super Typ. Man merkt von Woche zu Woche, wie er basketballerisch und vor allem menschlich wächst. Was mich beeindruckt ist sein Fleiß. Damit sich die gleichaltrigen SPOX-Leser vorstellen können, was Niklas mit 16 alles macht: Er geht zum Beispiel vor der ersten Unterrichtsstunde mehrmals die Woche freiwillig in die Turnsporthalle und nimmt um 6.30 Uhr früh alleine seine hundert Würfe.
SPOX: In einem SPOX-Porträt verglich ihn sein Nachwuchstrainer Stefan Schettke als eine Mischung aus Danilo Gallinari und Kevin McHale. Sehen Sie ebenfalls Ähnlichkeiten?
Okulaja: Einerseits kann Niklas gut dribbeln und super werfen, so dass er als Small Forward oder Stretch-Four spielen wird. Andererseits liebe ich an Niklas die "tenacity", seine Zähigkeit. Ich möchte Gallo nicht zu nahetreten. Ich spielte mit ihm in Treviso unter Ettore Messina und ich bewundere ihn. Aber Niklas definiert sich nicht ganz so sehr über den Wurf, deswegen ist eine Portion McHale mit dabei. Niklas besitzt nicht das allerbreiteste Kreuz, dafür aber ein super Timing für den Rebound und die Opferbereitschaft, dorthin zu gehen, wo es schmerzt.