"KD steht ganz oben auf MVP-Liste"

Dirk Sing
30. Januar 201417:38
Derek Fisher (l.) gehört bei Oklahoma City zu den Führungsspielern im Teamgetty
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Mit den Oklahoma City Thunder ist Derek Fisher erneut auf Championship-Kurs. Im Aufeinandertreffen mit den Miami Heat zeigte der Point Guard gerade erst eine seiner stärksten Saisonleistungen (5/5 Dreier). SPOX sprach mit dem Veteranen über die Titelchancen der Thunder, seine Rolle im Team und die MVP-Aussichten von Kevin Durant.

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SPOX: Herr Fisher, wenn Sie in die American Airlines Arena in Miami zurückkehren: Werden bei Ihnen immer noch Erinnrungen an die Finals-Serie 2012 gegen die Heat wach, als man mit 1-4 unterlag?

Derek Fisher: Oh ja, definitiv! Für mich ist es ja ohnehin das erste Mal, dass ich seit der Final-Niederlage nach Miami zurückkomme. Als die Thunder in der vergangenen Saison bei den Heat gespielt haben, war ich noch nicht im Team. Auch wenn es mittlerweile schon eine ganze Zeit her ist, so sind diese Augenblicke für mich immer noch so frisch, als wären sie erst gestern gewesen.

SPOX: Was ist dabei besonders in ihrem Gedächtnis hängen geblieben?

Fisher: Als ich aus dem Bus ausgestiegen und in die Arena gegangen bin, sind diese drei Finals-Partien, die wir hier verloren haben, nochmals wie ein Kurzfilm in mir abgelaufen. Natürlich auch der bittere Moment nach Spiel fünf, als wir frustriert und still in unserer Kabine gesessen sind, während draußen die Heat ihre Meisterschaft gefeiert haben. Natürlich denkt man auch darüber nach, was man möglicherweise anders hätte machen können beziehungsweise heute anders machen würde. Aber das ist Vergangenheit.

SPOX: Wenn Sie die Mannschaft der Oklahoma City Thunder aus den Finals 2012 und heute miteinander vergleichen: Worin liegen die Hauptunterschiede?

Fisher: Ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt in dieser Liga ist sicherlich die Erfahrung. Jetzt, rund eineinhalb Spielzeiten später, ist jeder Akteur in dieser Hinsicht sicherlich weiter als damals. Hinzu kommt, dass wir schon 2012 etliche junge Spieler in Führungsrollen in unserem Team hatten, die sich auch individuell weiterentwickelt haben. Und um beim Thema "Junge Spieler" zu bleiben: Auch jetzt haben wir hinter Durant, Westbrook, Kendrick Perkins oder Serge Ibaka richtig talentierte Jungs, die sich Tag für Tag verbessern - wie ein Reggie Jackson, Jeremy Lamb oder Steven Adams. Zudem gibt es noch einen weiteren Punkt, der diese Mannschaft auszeichnet.

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SPOX: Und der wäre?

Fisher: Der Zusammenhalt innerhalb der Truppe. Sowohl vonseiten der Franchise als auch dem Team selbst wird sehr viel für dieses Gemeinschaftsgefühl getan. Hier neidet keiner dem anderen den Erfolg oder dessen Spielzeit. Alle ordnen sich dem Mannschaftserfolg unter. Und das ist gerade im Profisport alles andere als selbstverständlich.

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SPOX: Lassen Sie uns auf die vergangene Saison zurückblicken, als die Thunder zwar in der Regular Season mit einem großartigen Record (60-22) aufwarten konnten, jedoch im Conference Semifinal gegen die Memphis Grizzlies - ohne den verletzten Russell Westbrook - mit 1-4 unterlagen. Etliche Experten sprachen danach sogar von einem ersten "Rückschritt" in der Entwicklung des Teams. Würden Sie diese Behauptung unterschreiben?

Fisher: Grundsätzlich würde ich schon sagen, dass es insgesamt eine gute Saison von uns war. 60 Partien in der Regular Season zu gewinnen, ist in dieser Liga verdammt schwer - aber wir haben es geschafft! Eigentlich ist es uns dann auch gelungen, diese gute Form in die Playoffs mitzunehmen. Aber wie Sie schon gesagt haben, mussten wir hier mit Russell Westbrook auf einen immens wichtigen Spieler verletzungsbedingt verzichten, der gerade in solchen Begegnungen oftmals den Unterschied ausmacht. Aber das soll keine Entschuldigung sein. Memphis war in dieser Serie schlichtweg die bessere Mannschaft und ist daher auch verdient in die Conference Finals eingezogen. Von einem Rückschritt würde ich aber nicht unbedingt sprechen. Im Gegenteil: Wir sollten auch daraus unsere Lehren und die richtigen Schlüsse ziehen, um es in diesem Jahr besser zu machen und solche Serien für uns zu entscheiden.

SPOX: Auch in dieser Saison müssen die Thunder seit einigen Wochen aufgrund einer Knieverletzung auf Westbrook verzichten. Wie würden Sie den OKC-Stil auf dem Court mit und ohne Westbrook beschreiben?

Fisher: Der einzige Vorteil - wenn man es überhaupt so nennen mag - von Russells Fehlen in den vergangenen Playoffs war die Tatsache, dass wir bereits damals praktisch gezwungen waren, verschiedene Stile und Formationen auf den Court zu bringen beziehungsweise zu testen, um möglichst auch ohne Russell erfolgreich zu sein. Diese Erfahrung hilft uns in der jetzigen Phase sicherlich enorm. Aber klar, ist er nicht dabei, sind wir letztlich ein ganz anderes Team. Natürlich sind wir - rein statistisch betrachtet - durchaus in der Lage, auch ohne ihn Punkte aufs Scoreboard zu bringen. Doch als Person und Führungsspieler ist er mit seiner Leidenschaft, Aggressivität, Schnelligkeit und individuellen Fähigkeiten absolut nicht zu ersetzen. Trotzdem macht das ganze Team einen tollen Job. Jeder übernimmt in seiner Abwesenheit noch mehr Verantwortung und entwickelt sich auch weiter.

SPOX: Stichwort Weiterentwicklung: Neben Jeremy Lamb trifft dies bislang sicherlich am besten auf Reggie Jackson zu. Vor allem seit Westbrooks Ausfall erhält der 23-Jährige auf der Point Guard-Position von Coach Scott Brooks viel Einsatzzeit und Verantwortung übertragen, was dieser auch in beeindruckender Art und Weise rechtfertigt. Hat Sie persönlich Jacksons "Leistungsexplosion" überrascht?

Fisher: (überlegt) Eigentlich nicht so sehr. Ich denke, dass Reggie eben jetzt auch von den Erfahrungen aus den letztjährigen Playoffs, als er ja plötzlich quasi als Ersatz für Russell auf dem Court stand, profitiert und er deshalb auch weiß, was er zu tun hat, um gemeinsam mit dem Team erfolgreich zu sein. Für Reggie und seine Entwicklung ist natürlich auch die jetzige Situation enorm wichtig. Er verfügt über ein großes Potenzial und wird auch sicher bald in der Lage sein, eine Führungsrolle in dieser Mannschaft zu übenehmen. Auch wenn Russell wieder fit ist, brauchen wir Reggie und seine Fähigkeiten, um unsere weiteren Ziele zu erreichen.

Seite 2: Fisher über Kevin Durant und die Titelchancen der Thunder

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SPOX: Im Team der Oklahoma City Thunder stehen ohnehin zahlreiche junge Akteure - und eben auch ein 39-jähriger Routinier namens Derek Fisher, der in seiner Karriere schon alles erlebt hat. Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle in der Mannschaft: Als Mentor für die Youngster? Oder auch als "spielender Assistenztrainer" auf dem Court?

Fisher: Diese beiden Bezeichnungen klingen schon mal gar nicht schlecht (lacht). Grundsätzlich versuche ich jeden Tag das zu tun, was nötig ist und von mir auch verlangt wird, um die Jungs zu unterstützen und die Truppe somit besser zu machen. Das sind aber alles Dinge, die ich schon immer - egal bei welchem Verein ich gerade gespielt habe - getan habe und die eigentlich auch unabhängig vom Alter oder der Erfahrung sind. Selbst als Kind waren das schon meine Grundsätze. Ich will ganz einfach ein guter Teamkollege für meine Mitspieler sein, meine Führungsausgaben bestmöglich übernehmen sowie mit hohem Einsatz und guten Leistungen sowohl im Training als auch in den Spielen vorangehen. Das ist für mich das Wichtigste.

SPOX: Wenn man einmal auf Ihre bisherige Laufbahn blickt: Sie haben mit den Los Angeles Lakers insgesamt fünf Meisterschaften gewonnen! Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, Spieler mit "Championship-Erfahrung" in einem Team zu haben - sowohl in Sachen Erfahrung als auch zusätzliche Motivation für die Teamkollegen?

Fisher: Ich denke schon, dass das nicht ganz unwichtig ist. Es hilft mit Sicherheit in einigen bestimmten Situationen - gerade wenn es darauf ankommt, was du als Gruppe tun musst, um erfolgreich zu sein. Dann ist es definitiv eine gute Sache, wenn du Leute in der Mannschaft hast, die solche Momente bereits kennen und selbst mitgemacht haben. Ich hoffe, dass wir alle aus unseren Erfahrungen der vergangenen Jahre die richtigen Schlüsse ziehen, damit wir uns am Saisonende unseren großen Traum erfüllen können: die Meisterschaft!

SPOX: Mit fünf Meisterringen am Finger weiß man definitiv, was nötig ist, um einen Titel zu gewinnen. Wenn Sie die aktuelle Thunder-Mannschaft betrachten: Hat die oftmals zitierte und dafür benötigte "Championship-Mentalität", wie Sie auch während Ihrer Zeit bei den Lakers immer wieder beschworen wurde, im OKC-Team schon Einzug gehalten?

Fisher: Das Wichtigste ist, dass wir an uns und das, was wir können und wozu wir in der Lage sind, glauben und vertrauen! Wir verbringen nahezu jeden Tag viele Stunden mit dem, was wir machen - und sind davon rundum überzeugt! Das gibt einem ein sehr gutes Gefühl und natürlich auch viel Selbstvertrauen. Entscheidend ist aber letztlich, dass wir das - vor allem dann in den Playoffs - regelmäßig auf dem Court zeigen. Als Mannschaft sind wir enorm hungrig, uns stetig zu verbessern und auch die Früchte der Arbeit zu holen. Das alles werte ich als erstklassige Vorzeichen und stimmt mich diesbezüglich sehr optimistisch.

SPOX: Einer Ihrer Teamkollegen scheint derzeit in der Liga überhaupt nicht zu stoppen: Kevin Durant, der einen Gala-Auftritt nach dem anderen auf das Parkett zaubert! Sehen wir momentan den besten KD aller Zeiten?

Fisher: Kevin ist nicht nur ein großartiger Spieler, sondern auch ein toller Mannschaftskamerad. Gerade nach der Verletzung von Russell versucht er sowohl auf als auch neben dem Feld noch mehr Verantwortung zu übernehmen und als Leader voranzugehen. Trotz seiner vorhandenen individuellen Klasse steht für ihn - und das betont er ja auch selbst immer wieder - der Teamgedanke absolut im Vordergrund. Mit seinen Leistungen möchte er die Mannschaft in eine Position bringen, die es ihr ermöglicht, die Meisterschaft zu gewinnen. Das beeindruckende Ergebnis sieht man Spiel für Spiel auf dem Court.

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SPOX: Viele Experten sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Meinung, dass der MVP in dieser Spielzeit eigentlich nur Kevin Durant heißen kann. Stimmen Sie mit dieser Meinung überein?

Fisher: Ich habe ja leider bei der MVP-Wahl keine offizielle Stimme (lacht). Aber klar, KD spielt bislang eine herausragende Saison, was ja auch seine Statistiken eindeutig beweisen. Er trägt unser Team Abend für Abend und sorgt dafür, dass wir in nahezu jedem Match die Chance haben, dieses zu gewinnen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass es allen Kandidaten gegenüber unfair wäre, schon jetzt diesen Titel vorab zu verteilen. Wir haben erst Ende Januar und noch sehr viel Basketball in der Regular Season zu absolvieren. Es gibt einige Akteure, die letztlich für den MVP-Titel in Frage kommen - und Kevin steht dabei sicherlich ganz oben auf der Liste!

SPOX: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie waren von 2006 bis 2013 Präsident der NBA-Spielergewerkschaft. In dieser Funktion hatten Sie regelmäßig mit NBA-Commissioner David Stern, der am 31. Januar in den Ruhestand tritt, zu tun. Wir würden Sie die Zusammenarbeit mit ihm in diesem Zeitraum beschreiben?

Fisher: Ich glaube, es ist besser, dass er wirklich im Ruhestand ist, bevor ich mich ausführlicher dazu äußere (lacht). Aber im Ernst: Für mich ist es selbstverständlich, dass ich jeder Person, mit der ich zu tun habe, den gleichen Respekt entgegenbringe. Was die Liga betrifft, hat er während seiner Amtszeit sicherlich einen sehr guten Job gemacht. Dass es jetzt einen Wechsel an der Spitze gibt, bringt die Zeit mit sich. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Die Oklahoma City Thunder im Überblick