SPOX: Herr Fisher, wenn Sie in die American Airlines Arena in Miami zurückkehren: Werden bei Ihnen immer noch Erinnrungen an die Finals-Serie 2012 gegen die Heat wach, als man mit 1-4 unterlag?
Derek Fisher: Oh ja, definitiv! Für mich ist es ja ohnehin das erste Mal, dass ich seit der Final-Niederlage nach Miami zurückkomme. Als die Thunder in der vergangenen Saison bei den Heat gespielt haben, war ich noch nicht im Team. Auch wenn es mittlerweile schon eine ganze Zeit her ist, so sind diese Augenblicke für mich immer noch so frisch, als wären sie erst gestern gewesen.
SPOX: Was ist dabei besonders in ihrem Gedächtnis hängen geblieben?
Fisher: Als ich aus dem Bus ausgestiegen und in die Arena gegangen bin, sind diese drei Finals-Partien, die wir hier verloren haben, nochmals wie ein Kurzfilm in mir abgelaufen. Natürlich auch der bittere Moment nach Spiel fünf, als wir frustriert und still in unserer Kabine gesessen sind, während draußen die Heat ihre Meisterschaft gefeiert haben. Natürlich denkt man auch darüber nach, was man möglicherweise anders hätte machen können beziehungsweise heute anders machen würde. Aber das ist Vergangenheit.
SPOX: Wenn Sie die Mannschaft der Oklahoma City Thunder aus den Finals 2012 und heute miteinander vergleichen: Worin liegen die Hauptunterschiede?
Fisher: Ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt in dieser Liga ist sicherlich die Erfahrung. Jetzt, rund eineinhalb Spielzeiten später, ist jeder Akteur in dieser Hinsicht sicherlich weiter als damals. Hinzu kommt, dass wir schon 2012 etliche junge Spieler in Führungsrollen in unserem Team hatten, die sich auch individuell weiterentwickelt haben. Und um beim Thema "Junge Spieler" zu bleiben: Auch jetzt haben wir hinter Durant, Westbrook, Kendrick Perkins oder Serge Ibaka richtig talentierte Jungs, die sich Tag für Tag verbessern - wie ein Reggie Jackson, Jeremy Lamb oder Steven Adams. Zudem gibt es noch einen weiteren Punkt, der diese Mannschaft auszeichnet.
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SPOX: Und der wäre?
Fisher: Der Zusammenhalt innerhalb der Truppe. Sowohl vonseiten der Franchise als auch dem Team selbst wird sehr viel für dieses Gemeinschaftsgefühl getan. Hier neidet keiner dem anderen den Erfolg oder dessen Spielzeit. Alle ordnen sich dem Mannschaftserfolg unter. Und das ist gerade im Profisport alles andere als selbstverständlich.
SPOX: Lassen Sie uns auf die vergangene Saison zurückblicken, als die Thunder zwar in der Regular Season mit einem großartigen Record (60-22) aufwarten konnten, jedoch im Conference Semifinal gegen die Memphis Grizzlies - ohne den verletzten Russell Westbrook - mit 1-4 unterlagen. Etliche Experten sprachen danach sogar von einem ersten "Rückschritt" in der Entwicklung des Teams. Würden Sie diese Behauptung unterschreiben?
Fisher: Grundsätzlich würde ich schon sagen, dass es insgesamt eine gute Saison von uns war. 60 Partien in der Regular Season zu gewinnen, ist in dieser Liga verdammt schwer - aber wir haben es geschafft! Eigentlich ist es uns dann auch gelungen, diese gute Form in die Playoffs mitzunehmen. Aber wie Sie schon gesagt haben, mussten wir hier mit Russell Westbrook auf einen immens wichtigen Spieler verletzungsbedingt verzichten, der gerade in solchen Begegnungen oftmals den Unterschied ausmacht. Aber das soll keine Entschuldigung sein. Memphis war in dieser Serie schlichtweg die bessere Mannschaft und ist daher auch verdient in die Conference Finals eingezogen. Von einem Rückschritt würde ich aber nicht unbedingt sprechen. Im Gegenteil: Wir sollten auch daraus unsere Lehren und die richtigen Schlüsse ziehen, um es in diesem Jahr besser zu machen und solche Serien für uns zu entscheiden.
SPOX: Auch in dieser Saison müssen die Thunder seit einigen Wochen aufgrund einer Knieverletzung auf Westbrook verzichten. Wie würden Sie den OKC-Stil auf dem Court mit und ohne Westbrook beschreiben?
Fisher: Der einzige Vorteil - wenn man es überhaupt so nennen mag - von Russells Fehlen in den vergangenen Playoffs war die Tatsache, dass wir bereits damals praktisch gezwungen waren, verschiedene Stile und Formationen auf den Court zu bringen beziehungsweise zu testen, um möglichst auch ohne Russell erfolgreich zu sein. Diese Erfahrung hilft uns in der jetzigen Phase sicherlich enorm. Aber klar, ist er nicht dabei, sind wir letztlich ein ganz anderes Team. Natürlich sind wir - rein statistisch betrachtet - durchaus in der Lage, auch ohne ihn Punkte aufs Scoreboard zu bringen. Doch als Person und Führungsspieler ist er mit seiner Leidenschaft, Aggressivität, Schnelligkeit und individuellen Fähigkeiten absolut nicht zu ersetzen. Trotzdem macht das ganze Team einen tollen Job. Jeder übernimmt in seiner Abwesenheit noch mehr Verantwortung und entwickelt sich auch weiter.
SPOX: Stichwort Weiterentwicklung: Neben Jeremy Lamb trifft dies bislang sicherlich am besten auf Reggie Jackson zu. Vor allem seit Westbrooks Ausfall erhält der 23-Jährige auf der Point Guard-Position von Coach Scott Brooks viel Einsatzzeit und Verantwortung übertragen, was dieser auch in beeindruckender Art und Weise rechtfertigt. Hat Sie persönlich Jacksons "Leistungsexplosion" überrascht?
Fisher: (überlegt) Eigentlich nicht so sehr. Ich denke, dass Reggie eben jetzt auch von den Erfahrungen aus den letztjährigen Playoffs, als er ja plötzlich quasi als Ersatz für Russell auf dem Court stand, profitiert und er deshalb auch weiß, was er zu tun hat, um gemeinsam mit dem Team erfolgreich zu sein. Für Reggie und seine Entwicklung ist natürlich auch die jetzige Situation enorm wichtig. Er verfügt über ein großes Potenzial und wird auch sicher bald in der Lage sein, eine Führungsrolle in dieser Mannschaft zu übenehmen. Auch wenn Russell wieder fit ist, brauchen wir Reggie und seine Fähigkeiten, um unsere weiteren Ziele zu erreichen.
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