Legenden-Serie: Alex English - Just Smooth

Jan Zesewitz
05. Januar 201813:06
Alex English erzielte ins einer Karriere über 25.000 Punkte getty
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Wer an die 80er-Jahre in der NBA denkt, denkt an Magic Johnson, Larry Bird und die Anfänge von Michael Jordan. Die meisten Punkte in diesem Jahrzehnt erzielte allerdings ein anderer: Alex English. Seine Karriere fand fernab des Rampenlichts, versteckt in den Rocky Mountains bei den Denver Nuggets statt. Dennoch verdient der zurückhaltende Scorer weit mehr Beachtung als ihm selbst lieb ist - zumindest an seinem 64. Geburtstag.

In den 80er Jahren entwickelte sich die NBA sich zu der Liga, die wir heute kennen. Die Liga wurde immer populärer, ein gewisser David Stern wurde Commissioner und krempelte die Liga zu einer Unterhaltungsmaschinerie um, Entertainment wurde großgeschrieben.

Dabei half es natürlich, dass so viele Stars in der Liga spielten wie nie zuvor. Die Rivalität zwischen Magic Johnson und Larry Bird bestimmte die Zeit, hunderte Geschichten wurden in den Finals zwischen den Celtics und den Lakers nur über dieses Duell geschrieben. Die Zuschauer konnten Dominique Wilkins und Julius Erving bestaunen, wie sie die Gesetze der Schwerkraft scheinbar außer Kraft setzten. Und 1984 kam ein Junge von der University of North Carolina in die Liga, wurde von den Chicago Bulls gedraftet und veränderte die Liga für immer: Michael Jordan.

Als ebendieser Jordan in die Liga kam, war Alex English schon lange da. Fernab vom Rampenlicht, indem sich die eben genannten Stars befanden, machte English Korb um Korb. Als der gefeierte Draft-Jahrgang 1984 die Bühne betrat, war der Denver Nugget der beste Punktesammler der Liga. Sein Punkteschnitt zwischen 1981 und 1989 betrug knapp 28 Punkte. Dennoch erinnern sich heute wenige außerhalb Colorados an ihn. Aber warum nicht?

Alex English erzielte ins einer Karriere über 25.000 Punkte getty

Alex English: Von South Carolina in die NBA

English ist tief verbunden mit South Carolina. Er wurde in Columbia geboren, besuchte das College an der USC und zog nach dem Ende seiner aktiven Karriere dorthin zurück. Für USC legte er in vier Jahren beeindruckende Zahlen auf, in seiner Senior-Saison gelangen ihm 22 Punkte und 10 Rebounds im Schnitt. Genug, um All-American zu werden und noch immer einige Bestenlisten der Uni zu schmücken.

Die Milwaukee Bucks wurden auf ihn aufmerksam und zogen ihn an 23. Stelle im Draft 1976. "Es bedeutet eine Menge, bemerkt zu werden", sagt English zum Draft. "Es gab vorher keine Garantie, dass ich es in die NBA schaffen würde. Ich war 2,05 Meter groß und wog gerade mal 85 Kilo. Darum habe ich umso härter gearbeitet. Ich wusste, dass ich nicht scheitern würde."

Der Beginn seiner Karriere bei den Bucks verlief wenig erfolgreich. Milwaukee gewann nur 30 Spiele und Headcoach Don Nelson, der in der Mitte der Saison für Larry Costello übernahm, war damals schon nicht bekannt dafür, seinen Rookies viel Spielzeit zu geben. Es wurde erst nach zwei Jahren und einem Tapetenwechsel besser für English. Vor der Saison 1978/79 sicherten sich die Indiana Pacers seine Dienste. English gab den Scorer von der Bank und erzielte 16 Punkte im Schnitt - die Pacers allerdings verpassten die Playoffs.

English: Ein Zuhause in Denver

Mitte der nächsten Saison fand er endlich seine basketballerische Heimat. Durch einen Trade landete er bei den Denver Nuggets und wurde sofort der wichtigste Scorer im Team. An der Seite von Big Man Dan Issel und Shooting Guard David Thompson bildete er den Kern der Nuggets der frühen 80er Jahre. Die entscheidende Veränderung kam jedoch erst in der nächsten Saison.

Nach 31 Spielen standen die Nuggets nur bei einer Bilanz von 11-20 - Coach Donnie Walsh musste gehen. Ersetzt wurde er durch Doug Moe. Der schaute sich seinen Kader an und entschied sich zu einem radikalen Schritt: Die Nuggets sollen auf Teufel komm raus versuchen, mehr Punkte als der Gegner zu machen, unerheblich dabei, wie viele sie kassieren.

Die Folge - eine Bilanz von 37-45 am Ende, die Playoffs knapp verpasst. Die "Passing Game Offense" allerdings funktionierte. 121.8 Punkte erzielte Denver im Schnitt, Platz eins in der Liga. Die Kehrseite waren die 122.3 Punkte, die sie dabei kassierten. Die Nuggets rannten um ihr Leben und Alex English machte in der ersten Saison 24 Punkte im Schnitt und holte sich acht Rebounds - 3.4 davon am offensiven Brett. Ein Vorgeschmack.

In den neun Jahren danach erzielte English immer mindestens 25 Punkte pro Spiel, wurde 1983 mit 28.4 Punkten Topscorer der Liga. Coach Moe blieb Denver über diesen Zeitraum erhalten und das Team führte die NBA alljährlich in allen offensiven Statistiken an.

Reif für den Titel?

1985 erreichten die Nuggets ihren spielerischen Höhepunkt. Dan Issel bestritt seine letzten Saison als Profi, der vielversprechende Flügel Kiki Vanderweghe wurde getradet, dafür kam mit Fat Lever ein neuer Point Guard in die Mile High City. Mit Calvin Natt wurde Englsih zudem ein starker Scorer an die Seite gestellt. 52 Spiele gewannen die Nuggets in dieser Saison, in den Playoffs wurden die Spurs und Jazz geschlagen.

In den Western Conference Finals warteten die Lakers. Byron Scott, James Worthy, Kareem Abdul-Jabbar und Magic Johnson - die Showtime-Lakers eben. Sie waren zu stark für die Nuggets. Im letzten Spiel kassierte Denver 153 Punkte, es war eine Demontage. English musste diese tatenlos von der Bank aus anschauen. In Spiel vier brach er sich im Kampf um den Rebound mit Abdul-Jabbar den Daumen.

Näher kam English nie an einen NBA-Titel heran, wohl auch ein Grund für die stiefmütterliche Behandlung durch die Medien. Doch Erfolglosigkeit kann nicht der einzige Grund sein. Charles Barkley gewann auch nie einen Ring und ist bis heute ein Medien-Star. Doch sein Spiel war spektakulär, Barkley war ein Kampfschwein, das trotz geringer Größe Unmengen an Rebounds sammelte, kraftvoll dunkte und vor allem nie um einen Spruch verlegen war.

English war genau das Gegenteil von Barkley. Sein Spiel war elegant, "smooth" und fand eher in der Mitteldistanz statt als über Ringniveau. "Ich bin nicht so auffällig, nicht so ungestüm. Ich bin zurückhaltend", sagt er selbst. "Mein Job ist es, meinen Job zu machen. Es gibt Leute, die sehen das nicht. Aber die passen nur nicht auf."

Unzählige Male flog sein Sprungwurf butterweich durchs Netz. Seine Spezialität war kein Dunk, sondern ein Runner. English dribbelte in der Mitte Richtung Zone und ließ den Ball am höchsten Punkt Richtung Korb fliegen. So konnte er auch über größere Verteidiger werfen und oft genug treffen. Unaufgeregt, smooth. Wie eine scharfe Rasierklinge, daher der Spitzname "The Blade".

Dazu war er mit einem hohen Basketball-IQ ausgestattet. Als Small Forward kommt er in acht Saisons auf mindestens vier Assists pro Spiel. Einen Distanzwurf brauchte es in seinem Spiel nicht, in seiner gesamten Karriere versuchte er nur 83 - bei über 20.000 Würfen insgesamt.

Diese Spielweise sorgt nicht dafür, dass man über Jahrzehnte bekannt bleibt. Scout Marty Blake sagte über English: "Was seinen Status untergräbt, ist, dass er nicht so auffällig ist wie die anderen großartigen Spieler. Sein Problem ist, dass er nicht viel Anerkennung erhält. Ich persönlich hatte mit 18 Hall of Famern zu tun und ich denke, dass Alex einer der ganz Großen ist."

An den Erfolg von 1985 konnten die Nuggets trotz English, der immer noch alljährlich zu den Topscorern der Liga zählte, und ihrer offensiven Spielweise nicht anknüpfen. Jedes Jahr ging es in die Playoffs und jedes Jahr war in einer der ersten beiden Runden Schluss.

English: Goodbye bei den Mavs und in Italien

1990 zeigte English mit 36 Jahren erste Alterserscheinungen. Die Verantwortlichen in Denver nahmen den Rückgang auf 18 Punkte pro Partie zum Anlass, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Eine Kränkung für den achtmaligen All-Star. "Ich dachte, ich könnte so abtreten wie Dan Issel und Julius Erving. Ich dachte, ich könnte noch einmal durch die Liga ziehen und "Goodbye" zu allen Menschen in den verschiedenen Städten sagen", sagte er damals enttäuscht. "Leider können nicht viele Spieler selbst entscheiden, wie ihre Karriere zu Ende geht."

Seine Abschluss-Tour durch die Hallen der Liga machte er also mit den Dallas Mavericks, sportlich leider seine größte Enttäuschung. Die Mavs gewannen nur 28 Spiele, dabei dachte English, dass er mit Rolando Blackman und Co. um den NBA-Titel mitspielen könnte. Nach einem Jahr in Italien hängte er die Sneaker an den Nagel. Passend, dass seine letzte Station Europa war, fernab des Rampenlichts der USA.

Im Moment seines Rücktritts war English der siebtbeste Scorer der NBA-Geschichte, einer von Wenigen, die über 25 000 Punkte in ihrer Karriere erzielten. Er verpasste nie mehr als vier Spiele in einer Saison und war Bestandteil eines der stärksten Offensiv-Teams in den 80er-Jahren.

Die Nuggets revanchierten sich kurz darauf. Mit einer großen Entschuldigung wurde sein Trikot mit der Rückennummer 2 unter die Hallendecke gehängt. Trotz seiner Zurückhaltung wurde das Regenbogentrikot mit seinem Namen in den 90ern zu einem der Verkaufsschlager der Retro-Jerseys.

"Damals war es härter"

1997 folgte die Aufnahme in die Hall of Fame. Und English blieb der Liga treu. Er wurde Präsident eines neu formierten Segments der Spieler-Entwicklung und war als Assistant Coach bei den Raptors und Kings tätig. Mit Blick auf 35 Jahre in der NBA kann er auch Vergleiche zwischen damals und heute ziehen: "Es ist eine andere Liga. Die Spieler heutzutage sind sicher talentiert, aber als ich aktiv war, war es härter. Heutzutage ist Handchecking verboten. Ich würde gerne von mir denken, dass ich jeden vor große Probleme gestellt habe, aber das ist nicht wahr. Es gab damals einige richtig gute Verteidiger."

Auch diese Gedanken verpackt er in einen sanften, unaufgeregten Tonfall - ganz smooth eben, wie auch sein Spiel. Das Rampenlicht, die Highlights und auch die großen Erfolge überließ er den anderen Großen seiner Zeit, Magic, Nique, MJ, Dr. J, Bird...English warf einfach nur den Ball in den Korb und zwischen 1981 und 1989 war niemand darin erfolgreicher als er.