"Wäre früher heiße Ware gewesen"

Max Marbeiter
28. Januar 201516:10
Kendall Marshall wurde vor der Saison von den Milwaukee Bucks verpflichtetgetty
Werbung

Das Global Game in London beendete Kendall Marshalls Saison vorzeitig. Der Point Guard der Milwaukee Bucks riss sich das Kreuzband. Zuvor sprach SPOX mit Marshall über mögliche Enttäuschungen nach der Entlassung durch die Lakers, die aktuelle Point-Guard-Generation und Schwierigkeiten beim Übergang vom College in die NBA. Außerdem: Die Kunst des Playmakings und was wäre, wenn...

SPOX

SPOX:Kendall Marshall, kennen Sie das Zitat von Magic Johnson, in dem er zugibt, den Assist zu lieben, "da er gleich zwei glücklich macht"? Ist das etwas, womit Sie sich ebenfalls identifizieren können?

Kendall Marshall: Ohne Frage. Fünf Assists machen mich deutlich glücklicher als zehn Punkte. Das ist fast schon Teil meiner DNA. Ich versuche lieber, jemand anderem zu seinem Rhythmus zu verhelfen, und denke auch, dass das unserem Team deutlich mehr hilft.

SPOX: Sollte es denn auch die Hauptaufgabe eines Point Guards sein, die Teamkollegen einzusetzen?

Marshall: Bei mir persönlich geht es zum Teil auch darum, gemäß meiner Stärken zu spielen. Ich bin einfach ein deutlich bessere Passer als Scorer (lacht). Zudem schätzen dich deine Teamkollegen dann einfach mehr. Wenn sie wissen, dass du ihnen den Ball passt, geben sie noch mehr Gas. Sie verteidigen härter, rebounden härter, da sie wissen, dass sie in der Offense dann einen Wurf bekommen werden. Und wenn all das passiert, ist es gut für unser Team.

SPOX: Es geht also um die Chemie...

Marshall: Ohne Frage.

SPOX: Aber sind all die Dinge wie Übersicht, Gespür für die Situation und Court Vision Dinge, die zu erlernen sind, oder muss man es einfach mitbringen?

Marshall: Ganz ehrlich: Ich habe noch nie daran gearbeitet. Für mich war es immer natürlich. Ich weiß aber, dass es auch Jungs gibt, die an diesen Dingen gearbeitet, sich viel Videomaterial angesehen haben und so bessere Passgeber geworden sind.

SPOX: Wie muss man sich das vorstellen, wenn Sie einen Spielzug eröffnen? Wie sehen Sie die Dinge? Sehen Sie Plays, noch bevor sie überhaupt gelaufen werden? Oder wissen Sie ganz genau, was passieren soll, in welche Position Sie die Defense manövrieren wollen?

Marshall: Es geht sehr stark um Tendenzen. Du musst die Tendenzen deiner Mitspieler kennen, aber eben auch jene der Defender. Wenn du beispielsweise zum Korb ziehst: Steht dort ein Big Man, der versucht, deinen Wurf zu blocken, oder einer, der lieber das Offensivfoul annimmt? Wenn du über solche Dinge nachdenkst, weißt du, welche Art von Pass du spielen kannst.

SPOX: Andererseits hat sich das Playmaking in den letzten Jahren sehr stark verändert. Heute spielen unglaublich viele athletische Jungs auf der Eins, die zum Teil das Scoring bevorzugen. Wie schwer ist es da, sich als weniger athletischer Point Guard einen Namen zu machen?

Marshall: Es ist ungemein wichtig, in der richtigen Situation zu sein. Es gibt immer noch Coaches, die gerne einen Point Guard wie mich im Team haben und schätzen, was ich einbringen kann. Aber wie Sie sagen, wir erleben ein goldenes Zeitalter der Point Guards. Die Point Guards sind mittlerweile so dynamisch, dass du sie nicht einfach in ein Gerüst zwängen und ihnen sagen kannst, dass sie nur passen sollen. Dafür scoren sie einfach viel zu gut. Das ist großartig für die Liga, gleichzeitig besteht aber immer noch eine Wertschätzung für meinen Spielertyp.

SPOX: Wünschen Sie sich manchmal dennoch, vielleicht 20 Jahre früher in die Liga gekommen zu sein?

Marshall: Ich denke sogar jeden Tag darüber nach (lacht). Vor 20 Jahren wäre ich richtig heiße Ware gewesen (lacht). Trotzdem bin ich in einer absolut positiven Situation. Auch heute. Ich liebe, wie sich das Spiel entwickelt hat. Es ist großartig zu spielen und gleichzeitig schön, anzusehen.

SPOX: Anders als Ihr Passing wird Ihr Wurf häufig kritisiert. Statistisch haben Sie sich in dieser Saison allerdings verbessert. Nahm der Wurf eine zentrale Rolle im Training über den Sommer ein?

Marshall: Absolut, einen sehr zentrale Rolle. Ich habe mir unglaublich viel Videomaterial angesehen, um zu sehen, wie ich meine Würfe bekomme. So habe ich neue Wege gefunden, meinen Körper zu nutzen, um einfachere Würfe zu bekommen. Ich habe definitiv einiges an Arbeit investiert.

SPOX: Auch in einen schnelleren Release?

Marshall: Das weniger. Mir ging es hauptsächlich darum, eine höhere Flugkurve zu bekommen. Ich werde immer ein Set-Shooter sein, fest stehen und dann hoch gehen.

SPOX: Haben Sie denn mittlerweile herausgefunden, wie Sie bei 2k mit sich selbst werfen?

Marshall: Um ehrlich zu sein, spiele ich 2k überhaupt nicht mehr. Während meiner Rookie-Saison habe ich es noch gespielt, war dann aber so schlecht, dass ich gesagt habe: "Weißt du was, das war's mit diesem Spiel" (lacht).

SPOX: Auf Twitter antworteten Sie auf Fragen einiger Fans, wie die bei 2k denn mit Ihnen werfen könnten, dennoch, dass Sie es selbst noch nicht herausgefunden hätten. Ist Humor eine Art, mit all dem Druck, der Aufmerksamkeit und negativen Dingen des Geschäfts umzugehen?

Marshall: Definitiv. Twitter oder Instagram sind eine großartige Möglichkeit, den Menschen zu zeigen, was für eine Person man wirklich ist. Ich mache einfach gern Witze. Ein wenig über sich selbst zu lachen, nimmt den Leuten ja auch etwas den Wind aus den Segeln.

Seite 1: Marshall über die Kunst des Playmakings und die goldene PG-Gerenation

Seite 2: Marshall über die Lakers, Frust und Schwächen beim College-System

SPOX

SPOX: Trotz allem hatten Sie nicht den einfachsten Start in Ihre NBA-Karriere, wurden getradet und sogar gewaivt. Natürlich gehört all das zum Business, aber vermisst man nicht dennoch manchmal die menschliche Seite?

Marshall: Ohne Frage. Andererseits gilt das für jedes Business. Wenn du eine großes Unternehmen hast, geht es nun mal nicht darum, sich Freunde zu machen, sondern darum, das Unternehmen am Laufen zu halten. Da musst du hin und wieder harte Entscheidungen treffen. Im Profisport ist es das gleiche. Wenn ein Teambesitzer das Gefühl hat, dass eine gewisse Richtung die richtige ist, um sein Team besser zu machen, muss er in diese Richtung gehen - und ich muss das respektieren. Klar wirst du es vielleicht hassen und auf eine gewisse Art über ein Team denken, gleichzeitig musst du aber verstehen, dass es einfach Teil des Geschäfts ist.

SPOX: Sie nehmen den Lakers also nichts übel?

Marshall: Naja, unterbewusst denkst du natürlich schon darüber nach, wenn du gegen sie spielst (lacht). Es gibt dir einen Extraschub, aber ich nehme den Lakers nichts übel.

SPOX: Nagen Entscheidungen, wie ihre Entlassung nach einer eigentlich guten Saison in L.A., dennoch an einem? Hat man darauf manchmal keine Lust mehr?

Marshall: Am Ende gibt es viele Dinge, die mir nicht gefallen, aber du kannst dir nicht über Dinge Sorgen machen, die du nicht selbst kontrollieren kannst. Du machst dich ja verrückt, wenn du ständig darüber sprechen würdest, was dir nicht gefällt oder was du nicht ändern kannst. Denn am Ende des Tages liegen gewisse Dinge einfach nicht in deiner Macht.

SPOX: Vor ihrem schwierigen Start in der NBA waren Sie am College ein Star, waren bester Assistgeber des Landes. Jimmer Fredette hatte als einer der einst besten Scorer des Landes ähnliche Probleme, seinen Platz in der Liga zu finden. Wo liegt die größte Schwierigkeit beim Übergang vom College zur NBA?

Marshall: Es ist einfach ein völlig anderes Spiel. Natürlich ist es noch Basketball, aber die Art und Weise, wie gespielt wird, die Pace, das Spacing, der Stil - all das unterscheidet sich komplett. Deshalb wünschte ich auch, dass College-Basketball ganz anders vermittelt würde, um die die Spieler auf die NBA vorzubereiten. Selbst nach drei Jahren in der Liga lerne ich immer noch Dinge, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie mir bereits vor fünf Jahren hätten beigebracht werden sollen. Der Schritt ist einfach riesig.

SPOX: Was genau sollte anders vermittelt werden?

Marshall: Kleine Dinge wie beispielsweise das Spacing. Im College gibt es beispielsweise keine Dreisekundenregel für die Defense. Du kannst es dir den ganzen Tag in der Zone bequem machen. Offensiv ist alles überladen. Es gibt Bewegung, aber eben hektische Bewegung. Das sind die wichtigsten Dinge, an denen für mich persönlich am College gearbeitet werden sollte. Spacing, Drive-and-Kicks und derartige Dinge.

SPOX: Wäre es hilfreich, wenn die Regeln angeglichen würden, wenn die Dreierlinie dieselbe Entfernung hätte, die Shotclock gleich lang wäre?

Marshall: Definitiv. Am College sind 35 Sekunden auf der Shotclock. Das ist eine Ewigkeit (lacht). Würden diese Dinge angeglichen, würde es definitiv einen Unterschied ausmachen. Man müsste anpassen, wie das Spiel in jungen Jahren gelehrt wird. Geschickte Änderungen im College-System wären großartig.

SPOX: Wie ist es mental, wenn man so schnell vom großen Star am College zu einem wird, der konstant nach seiner Rolle in der NBA sucht?

Marshall: Du musst lernen und herausfinden, welche Art von Spieler du bist, was von dir erwartet wird. Am College habe ich dominiert, ohne zu scoren. Ich habe gepasst und getan, was von mir erwartet wurde. Das muss ich in der NBA neu herausfinden, von vorne anfangen. Das hat seine Zeit gedauert. Gleichzeitig bin ich aber immer besser geworden, begreife das Spiel immer besser. Langsam fange ich an, zu verstehen, was von mir verlangt wird und was ich als Teamkollege einbringen kann.

SPOX: Frust kam also nicht auf?

Marshall: Doch, während meines Rookie-Jahres war ich definitiv frustriert. Wenn du nicht spielst, dazu noch bei einem schlechten Team bist - ich war seit der Middle School nicht mehr bei einem schlechten Team - ist das schon fremd. Es war frustrierend, wenn du das Gefühl hast, einen Beitrag leisten zu können. Aber ich bin glücklich, dass ich da durchgegangen bin. Ich habe ja auch zu Beginn dieser Saison nicht gespielt. Da hat es mir geholfen, an meine Anfangszeit zurückzudenken.

Seite 1: Marshall über die Kunst des Playmakings und die goldene PG-Gerenation

Seite 2: Marshall über die Lakers, Frust und Schwächen beim College-System

Kendall Marshall im Steckbrief