SPOX: Trotz allem hatten Sie nicht den einfachsten Start in Ihre NBA-Karriere, wurden getradet und sogar gewaivt. Natürlich gehört all das zum Business, aber vermisst man nicht dennoch manchmal die menschliche Seite?
Marshall: Ohne Frage. Andererseits gilt das für jedes Business. Wenn du eine großes Unternehmen hast, geht es nun mal nicht darum, sich Freunde zu machen, sondern darum, das Unternehmen am Laufen zu halten. Da musst du hin und wieder harte Entscheidungen treffen. Im Profisport ist es das gleiche. Wenn ein Teambesitzer das Gefühl hat, dass eine gewisse Richtung die richtige ist, um sein Team besser zu machen, muss er in diese Richtung gehen - und ich muss das respektieren. Klar wirst du es vielleicht hassen und auf eine gewisse Art über ein Team denken, gleichzeitig musst du aber verstehen, dass es einfach Teil des Geschäfts ist.
SPOX: Sie nehmen den Lakers also nichts übel?
Marshall: Naja, unterbewusst denkst du natürlich schon darüber nach, wenn du gegen sie spielst (lacht). Es gibt dir einen Extraschub, aber ich nehme den Lakers nichts übel.
SPOX: Nagen Entscheidungen, wie ihre Entlassung nach einer eigentlich guten Saison in L.A., dennoch an einem? Hat man darauf manchmal keine Lust mehr?
Marshall: Am Ende gibt es viele Dinge, die mir nicht gefallen, aber du kannst dir nicht über Dinge Sorgen machen, die du nicht selbst kontrollieren kannst. Du machst dich ja verrückt, wenn du ständig darüber sprechen würdest, was dir nicht gefällt oder was du nicht ändern kannst. Denn am Ende des Tages liegen gewisse Dinge einfach nicht in deiner Macht.
SPOX: Vor ihrem schwierigen Start in der NBA waren Sie am College ein Star, waren bester Assistgeber des Landes. Jimmer Fredette hatte als einer der einst besten Scorer des Landes ähnliche Probleme, seinen Platz in der Liga zu finden. Wo liegt die größte Schwierigkeit beim Übergang vom College zur NBA?
Marshall: Es ist einfach ein völlig anderes Spiel. Natürlich ist es noch Basketball, aber die Art und Weise, wie gespielt wird, die Pace, das Spacing, der Stil - all das unterscheidet sich komplett. Deshalb wünschte ich auch, dass College-Basketball ganz anders vermittelt würde, um die die Spieler auf die NBA vorzubereiten. Selbst nach drei Jahren in der Liga lerne ich immer noch Dinge, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie mir bereits vor fünf Jahren hätten beigebracht werden sollen. Der Schritt ist einfach riesig.
SPOX: Was genau sollte anders vermittelt werden?
Marshall: Kleine Dinge wie beispielsweise das Spacing. Im College gibt es beispielsweise keine Dreisekundenregel für die Defense. Du kannst es dir den ganzen Tag in der Zone bequem machen. Offensiv ist alles überladen. Es gibt Bewegung, aber eben hektische Bewegung. Das sind die wichtigsten Dinge, an denen für mich persönlich am College gearbeitet werden sollte. Spacing, Drive-and-Kicks und derartige Dinge.
SPOX: Wäre es hilfreich, wenn die Regeln angeglichen würden, wenn die Dreierlinie dieselbe Entfernung hätte, die Shotclock gleich lang wäre?
Marshall: Definitiv. Am College sind 35 Sekunden auf der Shotclock. Das ist eine Ewigkeit (lacht). Würden diese Dinge angeglichen, würde es definitiv einen Unterschied ausmachen. Man müsste anpassen, wie das Spiel in jungen Jahren gelehrt wird. Geschickte Änderungen im College-System wären großartig.
SPOX: Wie ist es mental, wenn man so schnell vom großen Star am College zu einem wird, der konstant nach seiner Rolle in der NBA sucht?
Marshall: Du musst lernen und herausfinden, welche Art von Spieler du bist, was von dir erwartet wird. Am College habe ich dominiert, ohne zu scoren. Ich habe gepasst und getan, was von mir erwartet wurde. Das muss ich in der NBA neu herausfinden, von vorne anfangen. Das hat seine Zeit gedauert. Gleichzeitig bin ich aber immer besser geworden, begreife das Spiel immer besser. Langsam fange ich an, zu verstehen, was von mir verlangt wird und was ich als Teamkollege einbringen kann.
SPOX: Frust kam also nicht auf?
Marshall: Doch, während meines Rookie-Jahres war ich definitiv frustriert. Wenn du nicht spielst, dazu noch bei einem schlechten Team bist - ich war seit der Middle School nicht mehr bei einem schlechten Team - ist das schon fremd. Es war frustrierend, wenn du das Gefühl hast, einen Beitrag leisten zu können. Aber ich bin glücklich, dass ich da durchgegangen bin. Ich habe ja auch zu Beginn dieser Saison nicht gespielt. Da hat es mir geholfen, an meine Anfangszeit zurückzudenken.
Seite 1: Marshall über die Kunst des Playmakings und die goldene PG-Gerenation
Seite 2: Marshall über die Lakers, Frust und Schwächen beim College-System