Meister der Effizienz

Max Marbeiter
25. Februar 201509:20
Klay Thompsons (l.) 37-Punkte-Viertel war eine Feiertag für alle Warriorsgetty
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Die Golden State Warriors sind das derzeit beste Team der NBA. Niemand hat häufiger gewonnen, niemand seltener verloren. Doch was macht die Warriors so stark? Mit Hilfe der Advanced Stats führt SPOX drei Gründe auf.

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Die Defense

Es ist nicht allzu lange her, da hatten die Begriffe Golden State und Defense in etwa so viel gemeinsam wie DeAndre Jordan und schlafwandlerische Sicherheit von der Freiwurflinie. Jahrelang galten die Warriors als eines der schwächsten Teams der Association, wenn es darum ging, gegnerisches Scoring dauerhaft effektiv zu unterbinden.

Nun war sicherlich kein Basketball-Diplom vonnöten, um zu diesem Schluss zu kommen. Vielmehr war ein neuer Coach nötig, um neue Fakten zu schaffen, um den Warriors irgendwie das Verteidigen beizubringen. Selbigen Coach verpflichtete Golden State dann auch. Nur eben nicht erst vor dieser Saison, es geschah bereits 2011.

Beyond the Boxscore: So funktionieren die Advanced Stats

Damals übernahm Mark Jackson für Keith Smart und machte es sich zur Aufgabe, aus Defensiv-Allergikern Defensiv-Fanatiker zu formen. Eine Umkehr der Philosophie sollte in Gang gesetzt werden. Und sie wurde in Gang gesetzt. Zwar schlossen die Warriors Jahr eins unter Jackson in Sachen defensiver Effizienz ebenso auf Rang 26 ab wie in der Spielzeit zuvor unter Smart, im Anschluss steigerte sich Golden States Defensiv jedoch sukzessive, bis man vergangene Saison schließlich die dritteffizienteste Verteidigung der Liga stellte.

Gehen musste Jackson dennoch. Offensichtlich gab es Differenzen. Mit Nachfolger Steve Kerr ist man in der Bay Area bislang dagegen höchst zufrieden. Weshalb auch nicht. Immerhin spielen die Warriors mit den besten Basketball der Association, stellen die beste Bilanz - und die effektivste Defense.

97,6 Punkte lassen die Dubs pro 100 gegnerische Angriffe zu, 1,3 weniger als die Bucks auf Rang zwei. Durchaus akzeptable Werte. Zumal Golden State einem Defensivkonzept vertraut, das enorm fehleranfällig ist. Die Warriors switchen. Regelmäßig. Doch sie switchen nicht spontan, aus der Not heraus. Der Switch ist für Golden States Defense, was der Afrokamm für Questlove ist. Er ist essentiell. Und die Warriors beherrschen ihn gefährlich nahe der Perfektion.

Für Zach Lowe von "Grantland" erwecken die simultanen Bewegungen der verteidigenden Warriors den Anschein, als besäßen ein kollektives Gedächtnis. Sie spielen "fließenden Basketball", schreibt Lowe. Um die Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen, bediente sich Coach Kerr einer eigentlich aus der Not geborenen Maßnahme. Kerr beorderte Draymond Green in die erste Fünf. Wie es Mark Jackson bereits in den Playoffs gegen die Clippers tat, als ihm die Kombination aus Matchup- und Verletzungsproblemen keine andere Wahl ließ.

Nur ist Green mittlerweile viel mehr als nur Lückenfüller, als Teilzeitretter in der Not. Green ist essentiell für Golden States Defense und gilt in den USA mitunter sogar als Kandidat für den Award des Defensive Player of the Year. Und das nicht völlig grundlos. Denn erstens verteidigt er verschiedene Positionen und zweitens legt er den fünftbesten Defensive Real-Plus-Minus-Wert der gesamten Liga auf (4,34 Punkte pro 100 Defensiv-Possessions).

Nummer eins in dieser Kategorie ist übrigens Andrew Bogut. Damit ist der Australier sicherlich nicht weniger wichtig für Golden States Defensiv-Konzept. Ein Konzept, dessen Erfolg auf Vielseitigkeit basiert. In der Praxis bedeutet dies, dass die Warriors ihren klassischen Startern Steph Curry (Point Guard) und Bogut (Center) drei vielseitig einsetzbare, ähnlich große Spieler (Green, Klay Thompson, Harrison Barnes) zur Seite stellen.

Dies ermöglicht es den Warriors, gerade auf dem Flügel immer wieder zu switchen, ohne einem völlig anderen Matchup ausgesetzt zu sein. "Wenn einige Teams switchen, entstehen Lücken", erklärt Green das Rezept. "Wir haben keine Lücken." Und die Statistiken untermauern Greens These. Die erste Fünf gestattet der gegnerischen Offense nur 41,3 Prozent aus dem Feld. Ihr Defensive Rating liegt bei starken 94,1 Punkten. Damit gestatten Golden States Starter deutlich weniger Punkte als sie am anderen Ende selbst erzielen (Net Rating: 20,8). SPOX

Nun ließe sich jedoch nur schwer ein stringentes Konzept erkennen, erstreckten sich gewisse Tendenzen lediglich auf die erste Fünf. Auch das ist bei den Warriors nicht der Falls. So sind Golden States vier Lineups, die in dieser Saison mindestens 100 Minuten gemeinsam auf dem Court standen, nach demselben Schema zusammengesetzt: Curry plus Big Man plus drei vielseitige Flügel.

All diese Aufstellungen lassen pro 100 Ballbesitze maximal 98,1 Punkte zu, ein Lineup aus Curry, Thompson, Iguodala, Green und Bogut sogar nur 86,8. Nun liegt all dies allerdings nicht nur an latentem Hang zum Switchen. Vielmehr entscheiden die Warriors situativ, wann was nötig ist. Gegen die Grizzlies wird beispielsweise seltener der Gegenspieler gewechselt. Zudem passiert der Switch meist erst gegen Ende der Shot Clock, da sich die Gefahr eines Balanceverlusts dort zusehends mindert.

Weshalb all das möglich ist? "Wir haben sehr intelligente Spieler", sagt Coach Kerr - und scheint durchaus Recht zu haben.

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Effizienz dank Selbstlosigkeit

Dreier? Drin! Alley-oop mit Steph Curry? Kein Problem! Pull-up-Dreier aus dem Fast-Break? Komm schon. Rund ein Monat ist vergangenen, seit Klay Thompson gegen die Kings diesen ganz speziellen Moment erlebte. Er konnte einfach nicht vorbeiwerfen. Klay Thompson legte in einem Viertel 37 Punkte auf. Zwölf Minuten für die Geschichtsbücher.

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Gleichzeitig unterstrich Thompson, dass er seinen Platz in der (Geld-)Elite definitiv verdient hat. Doch es war nicht die einzige Theorie-Beweis-Kette des Abends. Ein Blick auf die Warriors-Bank zeigte völlig durchdrehende Teamkollegen. Die Dubs feierten Thompson. Ob nun Rollenspieler wie Marreese Speights oder Franchise-Player Steph Curry - die Warriors jubelten im Kollektiv. Ohne Neid. Ohne aufgesetzte Freude.

Der verletzte Andre Iguodala zückte sogar sein Smartphone, um es in 30 Jahren erneut herausholen und seinen Enkeln stolz vor Augen führen zu können, dass er damals dabei war, als Klay Thompson Geschichte schrieb. Es passt einfach bei den Warriors. In Golden State hat sich eine Gruppe gefunden, deren einzelne Mitglieder sich verstehen, sich mögen.

Und das spiegelt sich auf dem Parkett wider. Natürlich besitzen die Warriors mit Curry einen der beeindruckendsten Offensivspieler unserer Zeit, natürlich zählt Thompson zu den besten Shootern der Association - eine effektive Offense ist deshalb allerdings noch lange nicht garantiert. Eine solche nennen die Dubs jedoch ihr Eigen. Die zweiteffektivste, um ganz genau zu sein.

Golden States Offensive Rating (109,6) wird lediglich von den Clippers übertroffen (110,4). Einerseits liegt dies selbstverständlich am hervorragenden Shooting. Die True Shooting Percentage, also der Wert, der auch Dreier und Freiwürfe nach Wertigkeit in die Quote miteinbezieht, ist die beste gesamten Liga (57,2 Prozent).

Zudem schließen die Warriors 31,2 Prozent ihrer Angriffe von jenseits des Perimeter ab und treffen gleichzeitig 38,6 Prozent ihrer Dreier (Ligahöchstwert). Heißt: Die Warriors kennen ihre Stärke und orientieren sich daran. Irgendwo selbstverständlich, am Ende aber nicht immer so einfach umzusetzen.

Dass dazu lediglich sieben Teams seltener aus der Mitteldistanz abschließen als die Warriors, rundet das Bild ab. Offensichtlich weiß man auch in der Bay Area um das Credo modernen Basketballs, das den ineffizientesten Wurf - also jenen aus der Mitteldistanz - am liebsten gänzlich aus dem Offensivarsenal verbannt sähe.

Doch zurück zum Teamgedanken. Denn effizientes Shooting ist das eine, eine funktionierende Einheit das andere. Und in Oakland verschmelzen diese beiden Komponenten nun mal zu einem beeindruckend Gesamtkunstwerk aus Shooting und Passing.

Letzteres ist quasi basketballerischer Beleg für die gute Atmosphäre innerhalb des Teams. Hier gibt Draymond Green einen offenen Dreier her, nur um den freien Marreese Speights am Ellbow zu bedienen. Dort spielt Harrison Barnes den Extrapass. Kurz: Bei den Warriors ist sich niemand zu schade, einen guten eigenen Wurf zugunsten eines sehr guten für den Teamkollegen zu opfern. Persönliche Eitelkeiten stehen hintenan. SPOX

So nehmen Curry und Thompson beispielsweise lediglich rund 17 Würfe pro Spiel, bei Quoten von 48,1, respektive 46,8 Prozent. Trotz eines True Shootings von 62,1, beziehungsweise 59,7 Prozent. Die Warriors tun das, wofür die Hawks regelmäßig (zurecht) gelobt werden. Sie spielen selbstlosen Basketball.

So verteilen die Dubs pro 100 eigene Angriffe 19,6 Assists und teilen sich damit gemeinsam mit Atlanta den Bestwert der Association. Erfolgreichen Würfen gehen zudem in 65,1 Prozent der Fälle ein Assist voraus - häufiger als bei den Spurs.

Bedenkt man nun noch den Fakt, dass lediglich die Clippers ein positiveres Verhältnis zwischen Assists und Ballverlusten, eine bessere Assist-Turnover Ratio, aufweisen als die Warriors, wird relativ schnell deutlich, weshalb Golden State Offense derart schwer zu stoppen ist. Sie ist variabel, fußt auf dem Teamgedanken und kommt am Ende unglaublich effektiv daher.

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Steph Curry

Most Valuable Player. Der wertvollste Spieler. Fans rufen es ihren Lieblingen gerne entgegen, wenn diese in eigener Halle Richtung Freiwurf marschieren. Spieler nehmen die Trophäe, die gemeinhin den besten der Saison krönen soll, liebend gern in Empfang. Und selbstverständlich sind im Saisonverlauf die verschiedensten Namen in der Verlosung. Immer abhängig davon, wer individuell, aber auch mit dem Team gerade den besten Lauf hat.

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Derzeit legen sich viele auf James Harden fest. Erstens spiele der "Bearded One" eine herausragende Saison und zweitens müsste Houston ohne ihn wohl ernsthaft um die Playoffs zittern. Also ist Harden extrem wertvoll. Very valuable. Vielleicht sogar most valuable.

Andererseits gibt es nicht wenige, die auch Steph Curry am Saisonende gern eine rührselige Rede auf Familie, Fans und Mitspieler halten sehen würden. Und die Curry-Fraktion hat durchaus Argumente auf ihrer Seite. Denn obwohl die Warriors ein hervorragendes Team stellen, ist ihr Playmaker derjenige, mit dem alles beginnt und endet.

Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Golden States Defense ist auf Curry angewiesen. Richtig, Wardell Stephen Curry nimmt in Sachen Verteidigungsarbeit eine essentielle Rolle ein. Jener Wardell Stephen Curry, der gemeinhin als nicht allzu fähiger Verteidiger gilt.

Nun möchte sicherlich niemand Curry direkt zum Elite-Defender machen, dennoch hat er im System der Warriors eine fixe Aufgabe. Der Playmaker ist derjenige, der den gegnerischen Aufbau früh aufnimmt, um Druck aufzubauen und so einen schnellen Angriff zu verhindern. So nehmen die Warriors Zeit von der Uhr, um gegen Ende der Shot Clock wieder genüsslich switchen zu können.

Und Curry füllt seine Aufgabe aus. So liegt Golden States Defensive Rating mit dem Point Guard unterhalb jenem ohne ihn (96,5 Punkte pro 100 Possessions gegenüber 100 Punkten). Dazu verteidigt Curry den Dreier durchaus effektiv, erlaubt seinem Gegenpart im direkten Duell von Downtown lediglich Quoten von 31,3 Prozent. Des Gegners Quoten aus dem Feld drückt Steph im Vergleich zum Saisonschnitt insgesamt um 4,4 Prozent. Zum Vergleich: Chris Pauls Gegner treffen mit 36,4 prozentiger Sicherheit und verlieren "nur" 2,8 Prozent ihrer Effizienz.

Alles in allem ist Curry also sicherlich immer noch kein herausragender Verteidiger, aber im System der Warriors immerhin sehr brauchbar. Ein wenig überrascht es schon. Jedenfalls deutlich mehr als die Tatsache, dass Golden States Offense wesentlich besser funktioniert, sobald der Playmaker auf dem Court steht. Um 13,3 Punkte besser, um ganz genau zu sein. So sehr sackt das Offensive Rating ab, wenn Coach Kerr seinem Point Guard eine Pause gönnt. SPOX

100,4 Punkte bringen die Warriors in 100 Angriffen ohne Curry zustande - und damit weniger als die Nets auf Rang 25. Natürlich sind derartige Zahlen immer in Relation zu sehen, schließlich erhalten die Starter oft gemeinsam eine Pause, dennoch unterstreichen sie Currys Wert. Zumal auch das Spacing ohne einen der besten Schützen der Liga leidet, was wiederum keinerlei Erklärung bedarf.

Ob nun True Shooting (59,1 Prozent vs. 53,1 Prozent), Pace (102,79 vs. 97,38) oder Effective Field Goal Percentage (59 Prozent vs. 49 Prozent) - im Endeffekt kommt Golden States Offense ohne ihren Playmaker in vielen Kategorien wesentlich durchschnittlicher daher als mit Curry. Das Net Rating, also die Differenz aus Offensive- und Defensive Rating, liegt sogar nur noch bei 0,4 Punkten. Klingt nach ziemlich valuable. Vielleicht sogar most valuable.

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