SPOX: Herr Silver, Sie traten vor fast genau einem Jahr offiziell die Stelle des NBA-Commissioners an und folgten David Stern. Wie sehr haben Sie sich persönlich in den letzten zwölf Monaten verändert?
Adam Silver: Vorweg: Ich bin seit 1992 bei der NBA und arbeitete immer direkt unter David Stern. Unser Verhältnis erinnerte am Ende fast an Osmose. Ich war in allen Überlegungen und Entscheidungen eingebunden und durfte hautnah erleben, welche positiven und negativen Konsequenzen jeder Schritt hatte. Daher glaube ich, dass ich als der am besten vorbereitete Commissioner anfing. Von daher gibt es nichts, was mich grundlegend verändert hätte. Natürlich reise ich jetzt noch mehr als früher schon. Und ich spüre einen größeren Druck. Ich war früher in allem involviert, dennoch ist es etwas anderes, wenn man im Hintergrund steht und David mit seinen breiten Schultern vieles abpuffert. Jetzt trage ich die ultimative Verantwortung. Das bringt jedoch Privilegien mit sich. Alleine wegen meines neuen Titels komme ich mit Menschen in Kontakt, die sich sonst nicht ergeben. Ich führte faszinierende Gespräche mit Journalisten, Fans und Spielern, einfach nur, weil ich der Commissioner bin und kraft dessen mehr im Fokus stehe. Um auf die Ursprungsfrage zurückzukommen: Ich bin immer noch der gleiche Typ, der zu viel arbeitet, zu viel reist und in zu vielen Meetings sitzt. (lacht)
Adam Silver: Visionär mit Anarcho-Humor
SPOX: Denken Sie noch gelegentlich daran, was passiert wäre, wenn Sie vor rund 30 Jahren das Angebot Ihres guten Freundes Richard Appell angenommen hätten? Der heutige Comedy- Erfolgsproduzent, der unter anderem "Family Guy" verantwortet, wollte Sie überreden, gemeinsam Drehbücher zu schreiben, weil Sie der "klügste und witzigste Mensch" seien, den er kennt.
Silver: Sie haben gut recherchiert, ich werde nicht so oft darauf angesprochen. (lacht) Es hat nichts mit Understatement zu tun, ich glaube einfach nur, dass Richard mir lediglich Komplimente machen wollte. Er war damals schon viel talentierter und sein Erfolg kommt nicht von ungefähr. Ich wäre nie so gut geworden. Von daher bin ich vollkommen zufrieden mit dem Weg, den ich eingeschlagen habe.
SPOX: Kurz bevor Stern in den Ruhestand ging, gab er SPOX ein großes Interview. Darin sprach er über das besondere Verhältnis zu Ihnen und dass Sie der Yin zu seinem Yang gewesen sind und sie sich daher so perfekt verstanden hätten. Wer ist nun Ihre komplementäre Antipode?
Silver: Für David war ich als Deputy Commissioner der erste Ansprechpartner und Vertraute, und genauso handhabe ich es mit meinem Stellvertreter Mark Tatum. Allerdings lassen sich die Konstellationen nicht vergleichen. Ich passte gut zu David, weil wir aus verschiedenen Generationen stammen und wir uns alleine deswegen schon unterscheiden. Zudem haben wir über 20 Jahre eng zusammengearbeitet, so etwas lässt sich nicht einfach so kopieren. Mark und ich haben einen ähnlicheren Background. Trotzdem bin ich vollkommen überzeugt, dass auch das sehr gut funktionieren wird. Mark ist bereits jetzt schon sehr eng in Kontakt mit allen Teams, die ihn sehr schätzen. Ich bin sicher, dass sich Mark zu einem Weltklasse-Leader entwickelt und Themen wie die Globalisierung voranbringt.
SPOX: Stichwort Globalisierung: Wie sehen die Planungen der NBA aus bezüglich weiterer Preseason- oder sogar Regular-Season-Spiele in Europa?
Silver: Unsere Position ist weiterhin die, dass wir den weltweiten Fans die NBA näherbringen wollen. Nur eine absolute Minderheit der Basketball-Interessierten ist geografisch und finanziell in der Lage, selbst vor Ort bei einem NBA-Spiel dabei zu sein, daher kommen Sie eher über digitale Partner wie SPOX mit uns in Berührung. Das ist an sich großartig, aber wir wollen so vielen Fans wie möglich die Chance geben, live ein NBA-Spiel zu erleben. Es gehört zu unserer Strategie, das Produkt zum Markt zu bringen. Dass dabei London eine besondere Rolle zukommt, ist offensichtlich. Die O2 ist eine großartige Arena, wir arbeiten seit langem eng mit dem Betreiber Anschutz Entertainment Group zusammen und die Stadt ist von der US-Ostküste ideal zu erreichen. Deswegen entschieden wir uns auch dazu, in London unser Europa-Headquarter zu eröffnen. Von London abgesehen gibt es einige weitere interessante Städte, wobei ich aus Fairness-Gründen nicht auf einzelne Namen eingehen möchte. Klar ist: Wir wissen, dass Deutschland mit Dirk Nowitzki und Dennis Schröder sowie Griechenland mit Giannis Antetokounmpo zu den interessantesten Märkten gehören.
SPOX: Was wird das nächste große Thema der NBA-Globalisierung?
Silver: Indien. Ich war deswegen im Dezember in Mumbai. Vor allem die Besitzergruppe der Sacramento Kings mit dem gebürtigen Inder Vivek Ranadive drängt darauf, dass NBA-Teams nach Indien reisen. Idealerweise mit einem Spiel der Kings in Mumbai. Es ist kein Thema, das sofort angegangen werden muss, aber wir schauen uns die Möglichkeiten an. Für die NBA ist Indien das nächste Frontier. Die nächste Grenze, die wir überschreiten wollen. Ein riesiger Markt mit einer sehr jungen Bevölkerung, die sehr enthusiastisch Basketball verfolgt.
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