"Perfekte Situation für Tibor"

Florian Regelmann
15. Juli 201511:50
Tibor Pleiß wechselt vom FC Barcelona in die NBA zu den Utah Jazzimago
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Alex Jensen gilt als kommender Head Coach in der NBA und gehört bei der EuroBasket zum DBB-Staff um Bundestrainer Chris Fleming. Im SPOX-Interview spricht der 39-jährige Assistant Coach der Utah Jazz über seine Rolle beim DBB, das Potenzial von Tibor Pleiß und seine Europa-Abenteuer.

SPOX: In dieser Woche coachen Sie noch für die Jazz in der Summer League, dann beginnt Ihre Arbeit als Assistent von Bundestrainer Chris Fleming beim DBB-Team. Wie kam der Kontakt überhaupt zustande?

rudnba Tibor Pleiß unterschreibt bei den Jazz

Alex Jensen: Auch wenn sich Basketball inzwischen zu so einem globalen Sport entwickelt hat, ist es am Ende doch eine kleine Welt. Du kennst immer jemanden, der wieder jemanden kennt. Chris und ich haben ein paar gemeinsame Freunde in der NBA. So habe ich davon gehört, dass Chris einen Assistenten für seinen Staff sucht, der sowohl über Erfahrung in der NBA als auch in Europa verfügt. Wir haben dann ein paar Mal telefoniert und es hat sofort gepasst. Sofern die Jazz und Coach Snyder einverstanden sind, war mir klar, dass ich es unbedingt machen will.

SPOX: Hatten Sie vorher schon Beziehungen nach Deutschland, entweder im Basketball oder persönlicher Natur?

Jensen: Nein, bis auf ein paar Spiele, die ich in Deutschland gemacht habe, eigentlich nicht. Wenn ich an Deutschland denke, denke ich als Erstes wenig überraschend an Dirk Nowitzki. Ich kann mich noch an meine letzte Summer League als Spieler erinnern, da war Dirk nämlich zum ersten Mal dabei und tat sich wie so viele Spieler am Anfang richtig schwer. Was danach kam, wissen wir alle. Es ist großartig für mich, dass ich Dirk jetzt auch noch einmal coachen darf. Ansonsten kann ich nur sagen, dass die BBL einen sehr guten Ruf hat. Die deutsche Liga ist sicher eine der professionellsten und stabilsten in Europa - und sie wächst immer weiter.

SPOX: Die EuroBasket ist in diesem Jahr natürlich eine besonders große Nummer in Deutschland. Weil es eine Heim-EM ist, weil es um Olympia geht und weil natürlich Dirk Nowitzki noch einmal dabei ist.

Jensen: Deshalb fühle ich mich auch so geehrt, dabei sein zu dürfen. Rudy Gobert hat mir erzählt, wie Tony Parker und alle Franzosen davon sprechen, dass es der wichtigste Basketball-Sommer aller Zeiten ist. Es ist einfach cool und aufregend, dass ich da jetzt mittendrin sein werde. Ich habe schon gemerkt, dass eine EM für viele in Europa in gewisser Weise sogar wichtiger ist als eine WM.

SPOX: Dazu bekommt es eine besondere Note, weil Sie so schon mal mit Tibor Pleiß arbeiten werden, der ab der nächsten Saison dann auch bei den Jazz spielen wird. Besser könnte es nicht sein, oder?

Jensen: Absolut, es ist eine perfekte Situation, sowohl für Tibor als auch für die Jazz. Die Monate, die wir jetzt zusammen verbringen werden, werden es Tibor einfacher machen, wenn er im Herbst den Sprung in die NBA macht. Nach einer langen Saison in Spanien und der EM bleibt nicht viel Zeit, bis die NBA-Saison anfängt, aber so starten wir quasi schon mal vorher zusammen durch. Es ist wirklich für beide Seiten perfekt.

SPOX: Sie sind bei den Jazz in erster Linie für die Big Men verantwortlich und haben großen Anteil daran, dass sich Rudy Gobert so überragend entwickelt hat. Trauen Sie Pleiß zu, dass er einen ähnlichen Weg geht?

Jensen: Tibor hat ein unglaubliches Potenzial. Der Vergleich mit Rudy passt ganz gut. Mit Tibor ist es im Endeffekt ähnlich wie damals bei Rudy, als er zum ersten Mal rübergekommen ist. Big Men entwickeln sich normalerweise später als Point Guards. Diese Zeit werden wir Tibor geben, aber auch wenn Rudy und er andere Center-Typen sind, bin ich davon überzeugt, dass er sich ähnlich gut entwickeln kann. Der entscheidende Punkt bei Rudy ist, dass er jeden Tag unglaublich hart an sich arbeitet und diesen unbedingten Willen hat, besser zu werden und zu gewinnen. Rudy und Tibor werden sich gegenseitig pushen und sicher davon profitieren, wenn sie jeden Tag im Training gegeneinander spielen.

SPOX: Sie haben Pleiß schon persönlich kennengelernt, als er jetzt zu den Gesprächen in Utah war. Wie war Ihr Eindruck?

Jensen: Ich habe Tibor als extrem netten, bescheidenen und höflichen jungen Mann kennengelernt. Er scheint ein toller Typ zu sein, vielleicht ist er manchmal sogar zu nett, das war so die Frage, die ich im Kopf hatte. Ich bin neugierig zu sehen, wie Tibor so drauf ist, wenn er mal wütend wird. (lacht)

SPOX: Auch wenn es ein paar Absagen gibt, wird Deutschland bei der EM mit einem der besten Teams der jüngeren Vergangenheit antreten. Wie sehen Sie die Chancen, weit zu kommen?

Alex Jensen arbeitet seit 2013 für die Utah Jazzgetty

Jensen: Das ist schwer zu sagen. Unsere Gruppe ist natürlich unglaublich hart, aber dafür haben wir den Heimvorteil. Ich habe mit Chris schon darüber gesprochen: In Berlin spielen zu können, ist unser ganz großer Vorteil. Dazu haben wir noch den Vorteil namens Nowitzki, insofern bin ich schon recht optimistisch eingestellt.

SPOX: Wenn wir zu Ihnen persönlich kommen: Sie haben selbst zwar nicht die ganz große Karriere gemacht als Spieler, aber einen sehr erlebnisreichen Weg hinter sich. Es geht schon damit los, dass Sie nach Ihrem ersten College-Jahr in Utah zwei Jahre lang auf Mission nach England gingen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Jensen: Es ist sicher kein gewöhnlicher Weg, aber diese Mission ist Teil unseres mormonischen Glaubens. Auf der einen Seite war es hart für mich, weil du nach zwei Jahren Auszeit natürlich im Basketball wieder sehr schwer zurückfindest, zumal England ja mit Basketball nicht viel am Hut hat. Zum Glück durfte ich nach meiner Rückkehr gleich mit zwei zukünftigen Lottery-Picks, Andre Miller und Michael Doleac, zusammenspielen, das hat es leichter gemacht. Es war also basketball-technisch gesehen schwer, aber auf der anderen Seite war es eine großartige Erfahrung. Der ganze Gedanke dieser Mission ist, dass du dich in deinem Leben wirklich nur auf eine Sache konzentrierst, was in so jungem Alter selten ist. Es ist eine Erfahrung, die dich erdet und als gute Basis für das restliche Leben dient.

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SPOX: Sie kamen wie angedeutet in ein großartiges Utes-Team zurück, mit Miller, Doleac oder Hanno Möttölä, und erreichten sogar das Championship Game, das gegen Kentucky verloren ging. Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt die Ambitionen, es auch selbst in die NBA zu schaffen?

Jensen: Es ist ganz interessant, weil die ganzen Jungs heutzutage im College immer dieses Ziel NBA vor Augen haben. Aber bei uns war das noch anders, wir haben darüber gar nicht nachgedacht. Auch ein Andre Miller nicht, wir wollten einfach nur jedes Spiel im College gewinnen, den Rest haben wir auf uns zukommen lassen. Ich persönlich war ohnehin schon glücklich, dass ich später mit Basketball Geld verdienen konnte. Ich weiß noch, wie ich mir überlegte, dass ich eines Tages mal im NCAA Tournament mitspielen und die Sweet 16 erreichen will. Das war alles, was ich wollte. Als ich dann im Championship Game war, hatte ich mir also die meisten meiner Träume schon erfüllt.

SPOX: Nachdem Sie nicht gedraftet wurden, begann Ihr Europa-Abenteuer. Sie spielten viele Jahre in der Türkei, auch eine Saison in Spanien. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Jensen: Ich habe die Zeit geliebt! Ich erinnere mich, wie ich an meinem ersten Tag in Istanbul aufgewacht bin, betete und mir nur dachte: 'Wow, das ist alles verrückt, was ich hier mache.' Ich habe in der Folge sechs Jahre in der Türkei verbracht und die Zeit total genossen. Ich habe immer noch mehr Facebook-Freunde in der Türkei als in den USA. (lacht) Auch in Spanien habe ich noch mit ein paar Leuten engen Kontakt. Der europäische Basketball hat sich seitdem unglaublich entwickelt. Und er ist so anders, dass ich in der Zeit extrem viel gelernt und mitgenommen habe. Auch deshalb freue ich mich jetzt so auf die Zeit beim DBB. Auch diese Erfahrung wird mich wieder als Coach weiterbringen.

SPOX: An was erinnern Sie sich am liebsten zurück?

Jensen: Aufgrund dessen, dass Basketball so viel Zeit beansprucht und du im Ausland so weit weg von deiner Familie bist, gibt es nur zwei Gründe, warum es das alles trotzdem wert ist. Erfolge feiern und Beziehungen aufbauen. Ich war ein paar Mal Teil von Mannschaften, die ihrem Klub das beste Jahr in der Historie bescherten, das war sehr speziell. Dazu habe ich tolle Freunde gefunden, mit denen ich mich nicht mal in der gleichen Sprache verständigen konnte. Aber trotzdem sind Freundschaften entstanden, die bis heute Bestand haben.

SPOX: Sie sind schon sehr früh, mit 31 Jahren, in die Coaching-Schiene hineingerutscht. War es Ihnen immer klar, dass Sie einmal ins Trainerbusiness einsteigen?

Jensen: Ich hatte es ein bisschen im Hinterkopf, aber wirklich klar war es mir nicht. Dann nahm mein College-Coach Rick Majerus den Job in Saint Louis an und fragte mich, ob ich nicht in seinen Staff kommen wollte. Eigentlich wollte ich noch ein paar Jahre spielen, aber ich hatte immer noch Angst, nein zu ihm zu sagen. (lacht) Außerdem wusste ich, dass ich keinen besseren Einstieg ins Coaching finden würde als bei ihm. Es gibt niemand, der mehr über Basketball weiß, deshalb war es eine perfekte Situation für mich, auch wenn ich mir manchmal gewünscht hätte, noch ein paar Jährchen selbst auf dem Feld zu stehen.

SPOX: Coach Majerus war Ihr Mentor und eine Legende, was haben Sie am meisten von ihm gelernt?

Jensen: Ich sage immer im Spaß, dass selbst seine Sekretärin eine ganze Menge über Basketball gelernt hat. Jeder, der um Rick herum war, hat von ihm einiges mitgenommen, weil er so ein überragender Lehrer war. Er hat immer dafür gesorgt, dass es für einen Spieler niemals eine Situation auf dem Court geben kann, in der er nicht weiß, was er zu tun hat. Dass ein Spieler nicht weiß, wie er ein bestimmtes Play verteidigen muss? Das gab es bei Rick nicht.

SPOX: Nach der Zeit in Saint Louis haben Sie in der D-League Ihren ersten Head-Coaching-Job übernommen und wurden sogar zum Coach of the Year gekürt, danach ging es 2013 weiter zu den Jazz. Wie schwer war der Weg in die NBA?

Jensen: Es war sicher nicht einfach, aber es war vor allem ein sehr interessanter Weg. Die D-League ist ideal für deinen ersten Head-Coaching-Job. Du kannst in sehr kurzer Zeit sehr viel lernen und ausprobieren, ohne dass alle auf dich schauen und du dafür gleich zerrissen wirst. In der D-League stehst du nicht so im Scheinwerferlicht. Wie gehe ich mit Spielern um? Wie reagiere ich auf bestimmte Situationen auf dem Court? Das sind alles Dinge, die ich in den Jahren in der D-League gelernt habe. Ich habe in meinem ersten Jahr sehr viele Fehler gemacht, auch in meinem zweiten Jahr war nicht alles perfekt, aber jedes Mal bin ich wieder einen Schritt weiter gekommen.

SPOX: Sie gelten schon seit ein paar Jahren als einer der kommenden Head Coaches in der NBA. Spüren Sie, dass Sie diesem Ziel immer näher kommen?

Jensen: Ganz ehrlich: Ich denke darüber überhaupt nicht nach. Wenn ich in meinem Leben niemals NBA-Head-Coach werde, wäre das für mich auch total in Ordnung. Alles, was ich mir wünsche, habe ich gerade bei den Jazz. Ich darf in einem Staff arbeiten, in dem eine richtig gute Atmosphäre herrscht, jeder das gleiche Ziel verfolgt und jeder den anderen antreibt. Es macht großen Spaß in der aktuellen Konstellation. Wenn sich irgendwann die Möglichkeit auftut und ich eine Chance als Head Coach bekomme, wäre es großartig. Aber wenn nicht, dann bin ich genauso glücklich, solange ich eine so gute Situation habe wie jetzt und mit Leuten zusammenarbeiten kann, die genauso leidenschaftlich sind wie ich.

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