Das Murmeltier wird erwachsen
Man kennt das Phänomen ja mittlerweile zur Genüge: Sommer für Sommer schreibt die ganze Welt die Spurs ab, nur um irgendwann während der Saison zu merken, dass diese Einschätzung doch nicht so ganz passt. Die "alten" Spurs sind das große Murmeltier der Liga: Seit Tim Duncans Ankunft im Jahr 1997 (!) haben sie nie die Playoffs verpasst, abgesehen vom Lockout-Jahr 1998/99 (in dem sie Meister wurden) gab es Jahr für Jahr mindestens 50 Siege. Achja, und insgesamt 5 Ringe.
In diesem Sommer allerdings gelang ihnen etwas, das sie vorher noch nie geschafft hatten. Für beinahe zwei Dekaden bestand ihr Rezept zum Erfolg aus dem Draft, dem (gedrafteten) Kern um die Big Three und gezielten Verstärkungen in der Free Agency. Oder anders gesagt: Es bestand daraus, regelmäßig klüger zu denken und zu planen als die anderen Franchises der Liga.
Diesen Sommer? Holten die Spurs LaMarcus Aldridge, einen Free Agent, den die ganze Liga wollte und der sich sein Team frei aussuchen konnte. Den der kontinuierliche Erfolg und die familiäre Ausrichtung der Spurs letztlich mehr überzeugte als etwa das Rampenlicht in New York oder Los Angeles. Der erste legitime Superstar und "dicke Fisch" auf dem Markt, der sich jemals für die Spurs entschieden hat! Es sei denn, man zählt Stephen Jackson oder Rasho Nesterovic (tun wir nicht).
Die Möglichkeit dazu hatten sie aufgrund einiger Moves, die dann doch wieder zu jedem Spurs-Sommer gehören wie die Pizza zum Ernährungsplan von Boris Diaw. Danny Green unterschrieb einen Vierjahresvertrag über 45 Millionen Dollar, der nicht nur angesichts anderer Free Agents (Ömer Asik, anyone?) wie ein absolutes Schnäppchen wirkt. Duncan und Manu Ginobili unterschrieben ebenfalls für Dumping-Preise, wie üblich. Free Agent David West verzichtete auf knappe 11 Millionen Dollar und zog die Spurs auch einem besseren Angebot aus Golden State vor.
Die Abgänge einiger Rotationsspieler, insbesondere der von Tiago Splitter, können kurzzeitig schmerzen, sollten aber kompensiert werden können. Auf dem Papier ist der Spurs-Kader für die kommende Saison furchterregend - für die Konkurrenz. Auch für die Jahre danach ist ein Kern aus Aldridge und den frisch verlängerten Flügelspielern Green und natürlich Kawhi Leonard nicht ganz so übel.
"Die Spurs haben es wieder geschafft", hieß es nach der Bekanntgabe der Aldridge-Entscheidung überall. Das ist so aber nicht richtig. Einen Sommer wie diesen hat das Murmeltier noch nicht erlebt, Aldridge ergänzt die bestgeführte Franchise der Liga um eine neue Dimension. Und abschreiben wird die alten Spurs in dieser Saison auch keiner mehr.
"Es gibt keine Kleinen mehr"
A propos neue Dimension: Wer hätte vor 10 Jahren, vor 5 Jahren, ja vor 2 Monaten noch erraten, was in dieser Free Agency passieren würde? Da hat sich doch tatsächlich jemand gegen die Lakers und Knicks entschieden, um nach Milwaukee zu gehen! Für das gleiche Geld! Wegen der sportlichen Perspektive! Gegen Broadway und Beverly Hills! Für WISCONSIN!
Die Entscheidung von Greg Monroe zeigte, dass ein großer Markt alleine nicht mehr zwingend ausreicht, um einen Star an Land zu ziehen. Einen Vorteil werden Los Angeles und New York immer haben, das ist durch ihren Standort einfach bedingt. In Zeiten vom League Pass müssen Spieler aber nicht mehr darum fürchten, beim falschen Team übersehen zu werden - also reicht der Standort alleine nicht mehr. Man sollte schon auch ein konkurrenzfähiges Team haben...
Dies hatten die Bucks bereits, Monroe könnte die junge Truppe gemeinsam mit Jabari Parker vor allem offensiv aber auf eine neue Stufe heben. Nur wenige Teams haben mehr Potenzial versammelt als Milwaukee, das schon in der kommenden Saison um den Heimvorteil in der ersten Runde mitspielen kann. Von wegen "kleines", unscheinbares Wisconsin. Rudi Völler hätte Tränen in den Augen.
Alles für den Mittelstand
Die Gründe für die ansteigenden Gehälter sind ja bekannt: Durch den neuen TV-Vertrag wird der Salary Cap nächstes Jahr drastisch ansteigen. Was heute wie "grandios überbezahlt" aussieht, ist dann normal beziehungsweise völlig legitim. Es kann sogar sehr sinnvoll sein, Spieler jetzt so lange wie möglich unter Vertrag zu nehmen, bevor der Cap ansteigt.
Wie gesagt: Die Gründe sind bekannt, werden verstanden und akzeptiert. Trotzdem lässt das schiere Volumen einiger Verträge dann doch aufhorchen: 70 Millionen für Brandon Knight und Khris Middleton? 54 Millionen für Robin Lopez? 50 für Thad Young? 80 für Reggie Jackson? 60 für Ömer Asik??? 30 für Cory Joseph?
Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick
Die Liste ist lang und wirkt immer kurioser, je länger man draufblickt. Rollenspieler in der NBA müsste man sein... das wär's. Wie sieht das Ganze wohl im nächsten Sommer aus, wenn der Jump tatsächlich eintritt? Und was denken eigentlich die Stars von früher, die neben dem Profisport im Sommer noch Zweitjobs hatten, um über die Runden zu kommen?
Ein Reload der ruhigen Art
Es soll ja tatsächlich Teams gegeben haben, die Marc Gasol gerne unter Vertrag genommen hätten. Die sich sogar ernsthafte Hoffnungen auf den Spanier gemacht hatten. Der zerstörte diese Hoffnungen indes schnell und zeigte nicht das geringste Interesse daran, auch nur mit anderen Teams zu sprechen. Stattdessen traf er sich mit Grizzlies-Besitzer Robert Pera in Barcelona bei Tapas und Wein und unterzeichnete einen neuen Fünfjahresvertrag beim einzigen NBA-Team, für das er je gespielt hat.
Damit war die wichtigste Aufgabe dieses Sommers erfüllt, die Grizzlies erledigten aber auch sonst ihre Hausaufgaben. Matt Barnes kam quasi ohne Gegenwert und ist im Prinzip der prototypische Grizzlies-Spieler - gemeinsam mit Tony Allen und Zach Randolph könnte er locker seine eigene Reality Show haben. Nur eben nicht vor 23 Uhr, aus Jugendschutz-Gründen. Er ist etwas in die Jahre gekommen, dürfte als Option von der Bank aber durchaus wertvoll sein.
Gleiches gilt für Brandan Wright, der mit seinen 18 Millionen Dollar über drei Jahre außerdem zu den großen Schnäppchen des Sommers gehört. Er machte den teureren Kosta Koufos entbehrlich und ist wohl sogar der bessere Spieler - in jedem Fall gibt er dem Grizzlies-Frontcourt eine athletische Komponente, von der die Herren Z-Bo und Gasol nicht einmal träumen können. Macht unterm Strich eine äußerst erfolgreiche Free Agency.
Die Clippers und der schmale Grat
Wie schnell es in der NBA teilweise gehen kann, haben die Clippers in dieser Free Agency erlebt - in passiver Rolle, wohlgemerkt. Sie hatten ja selbst nur bedingt Einfluss auf die Entscheidung von DeAndre Jordan und damit den maßgeblichen Faktor, der ihre Offseason vom potenziellen Gau und der Schulnote 6 (gezeichnet: JJ Redick) zu einem Gewinn machen könnte. Es gab keinen Plan B, der ihren Ambitionen gerecht geworden wäre; sie waren komplett abhängig von Jordan.
Nun ist der Ausgang der Geschichte bekannt: Jordan entschied sich gegen, äh, für die Clippers. Und dadurch steht unterm Strich eine absolut positive Free Agency. Der Nukleus blieb intakt, zudem wurde Matt Barnes faktisch durch Wesley Johnson, Paul "that's why they got me here!" Pierce und einen Lance Stephenson, der sich nach einem Seuchenjahr in Charlotte rehabilitieren will, ersetzt. Born Ready mag eine Wildcard sein, trotzdem ist der Kader letztendlich stärker geworden als vorher.
Die Mavs nach Jordans Absage: Bitteres Ende keiner Beziehung
Ein Backup-Big fehlt definitiv noch, weshalb man die Clips auch in nahezu jedem Gerücht bezüglich (körperlich) großer Free Agents finden kann - ironischerweise genauso wie die Mavs. Dies lässt sich für Coach/GM/Papa Doc Rivers nun allerdings umso entspannter angehen, nachdem das Gerüst (wieder) steht. Glück gehabt.