Operation Pace

Max Marbeiter
12. Juli 201516:14
Nach seinem Beinbruch kehrte Paul George zum Ende der vergangenen Saison zurückgetty
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Jahrelang definierten sich die Indiana Pacers durch Defense und Dominanz in der Zone. Nun soll alles anders werden. Tempo ist angesagt. Dafür nahm Larry Bird einige Veränderungen am Roster vor - und hat eine spezielle Idee.

"Wir wollen nun ein wenig schneller spielen." Eine klare Ansage, die ganz sicher zu Mike D'Antoni passen würde. Auch Steve Kerr wird den Warriors vergangenen Sommer einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet haben. In San Antonio genießt man ebenfalls schnellen Basketball. Aber Indiana? Die Pacers? Hat Larry Bird im April tatsächlich angekündigt, dass in Indiana ab sofort Tempobasketball angesagt sein soll? Er hat.

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Ausgerechnet die Pacers, die sich in den vergangenen Jahren größtenteils über ihre Defense definierten, deren System auf der Präsenz von Big Men fußte, schließen sich nun dem aktuellen Trend an. Dabei galten sie noch vor ein, zwei Jahren als größter Herausforderer der Heat. Vor allem wegen ihrer Big Man. Roy Hibbert und David West dominierten die Zone. Gereicht hat das nie. Als sich Paul George vergangenen Sommer dann auch noch das Bein brach, begann man im Hoosier State offenbar, umzudenken. Schnell möchte man nun spielen.

Angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre ist ein solches Vorhaben durchaus nachvollziehbar. Nur schienen die Pacers zum Zeitpunkt von Birds Aussage eher weniger dafür prädestiniert zu sein, wild den Court auf- und abzulaufen. Hibbert war noch da, West ebenfalls. Dazu kam von der Bank Supersprinter Luis Scola. Ein wenig umstellen mussten die Pacers also schon. Und sie taten es.

West? Weg! Scola? Weg! Hibbert? Doch noch weg!

West stieg aus seinem Vertrag aus und jagt nun gemeinsam mit den Spurs seinem ersten Titel hinterher. Scola entschied sich für Toronto. Im Falle von Hibbert gestaltete sich Indianas Plan allerdings ein wenig komplizierter. Dass man den Center nach eineinhalb durchwachsenen Jahren gern loswerden wollte, war zuletzt eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse der Association. Das Problem: Anders als West und Scola war Hibbert kein Free Agent. Es musste also ein Trade-Partner gefunden werden.

Nur standen Interessenten nicht gerade Schlange. Auch die Konkurrenz hatte von Hibberts unerklärlichem Einbruch Notiz genommen. Am Ende genügte den Lakers ein Zweitrundenpick, um Indiana von einem Deal zu überzeugen. Schritt Nummer eins des Umbruchs war damit vollzogen.

Turner als Steal?

Nummer zwei wurde bereits vorher mit dem Draft eingeleitet. Dort schnappten sich die Pacers an elfter Stelle Myles Turner. Ebenfalls ein Big Man. Dazu einer, dem nachgesagt wird, nicht wirklich rund zu laufen. Eine Aussage, die Tim Donahue vom Pacers-Blog 8Points9Seconds jedoch bestens zu kontern weiß. "Leute, die Roy Hibbert sieben Jahre lang zugesehen haben: Myles Turner läuft wie eine Gazelle ", schrieb Donahue auf Twitter.

Gut, gazellengleich schwebt Myles Turner definitiv nicht übers Parkett. Dafür lassen die Auftritte in der Summer League - klar, es ist die Summer League - die Pacers hoffen, einen Steal gelandet zu haben. In Orlando war Turner nämlich einer der beeindruckendsten Rookies. Trotz der illustren Gesellschaft eines Justise Winslow oder Stanley Johnson.

Interessanterweise lieferte Turner während der Woche in Florida ein Paket, das wohl jedem Coach die Freudentränen in die Augen treibt. Wer wäre schließlich nicht froh, einen Rim-Protector im Roster zu haben, der gleichzeitig noch seinen Dreier trifft? Natürlich ist Summer League nicht gleich NBA. Natürlich ist keinesfalls gesichert, dass Turner auch in der Association von draußen trifft. Das Potential ist jedoch vorhanden. Und um wenig anderes geht es ja häufig bei einem Rookie.

Zumal Turner trotz seines tatsächlich nicht gerade runden Laufstils den Court auf- und absprinten, vorne über Ringniveau abschließen kann. Eine Qualität, die auch Larry Bird nur zu gern wahrgenommen haben wird. Immerhin fügte er an seine Ankündigung aus dem April an, dass die Pacers dafür "ein wenig schneller laufen, manchmal sogar etwas kleiner spielen müssen. [...] Ich würde gern mehr scoren, und um das zu tun, musst du laufen."

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Turner passt da ebenso ins Konzept wie Jordan Hill, den die Pacers kürzlich verpflichteten. Ein Überathlet ist der ehemalige Laker zwar nicht, dafür kann auch er mitlaufen, hat sich zuletzt einen halbwegs sicheren Mitteldistanzwurf angeeignet und dürfte zu Beginn der Saison auch auf der Fünf starten - wenngleich er in L.A. immer wieder auf der Vier zum Einsatz kam.

Eine Variante mit Turner als Starter auf der Fünf ist ebenfalls nicht unwahrscheinlich - und noch weniger dumm. Klar ist der Big Man Rookie, doch Bird bezeichnete ihn bereits nach dem Draft als Konkurrenz für Roy Hibbert. Weshalb sollte Turner also nicht auch Hill verdrängen können? Zumal es nicht zwingend schlecht sein muss, einem Rookie direkt viel Spielzeit zu geben.

Speziell, wenn man wie die Pacers auf den großen Positionen ohnehin nicht wirklich tief besetzt ist. Neben Hill und Turner gäbe es noch Lavoy Allen und Ian Mahinmi, der sicherlich einige Spielzeit erhalten, am Ende aber die kleinste Rolle aller Bigs spielen dürfte. Allerdings nicht nur, weil die anderen eine bessere Perspektive bieten, sondern auch, weil man in Indiana einen in die große Rotation packen möchte, der eigentlich nicht im Verdacht steht, dank seiner physischen Voraussetzungen die Zone dominieren zu können.

George auf der Vier?

Um wen es sich dabei handelt, erklärt Larry Bird am besten selbst. "Er wird viel als Power Forward spielen", sagte Larry Legend während der Summer League gegenüber NBA.tv. "Ich bin derjenige, der denkt, dass er auf der Vier spielen kann. Die Mismatches, die er vorne kreiert, sind größer als die Probleme in der Defense. Ich denke, damit kommt er klar."

Paul George wird sich also etwas umgewöhnen, mit einer neuen Rolle anfreunden müssen. Auf den ersten Blick mutet es sicherlich ein wenig seltsam an, in einem Small Forward im Körper eines Small Forwards (2,06 Meter, 100 Kilo) eine potentiellen Power Forward zu sehen. Andererseits haben die Warriors mit ebendieser Herangehensweise gerade die Meisterschaft gewonnen.

Birds Aussagen sind also nur ein weiteres Indiz für die Art Basketball, die in Indianapolis kommende Saison angesagt sein dürfte. George auf der Vier würde das Spacing, die Fluidität der Offense deutlich verbessern. Die Pacers schicken die Statik der vergangenen Jahre also tatsächlich in Rente - die defensive Identität allerdings gleich ein wenig mit.

Defense als Chance für Turner

In seinem Zitat sprach Bird schließlich auch davon, dass die Defense mit George auf der Vier etwas leiden würde. Gerade, wenn er neben Jordan Hill aufläuft. Der Ex-Laker gilt zwar nicht zwingend als schlechter Verteidiger, allerdings ebenso wenig als guter, und müsste sich permanent mit dem körperlich stärkeren Big des Gegners auseinandersetzen. Dabei ist Hill defensiv selbst besser als der mobile Teil eines Big-Man-Duos aufgehoben.

In Ringnähe gestattete er Gegenspielern vergangene Saison beispielsweise Quoten von 55 Prozent, womit er zu den schwächsten Big Men der gesamten Liga zählte. Damit eröffnen sich für Myles Turner wiederum weitere Chancen auf Spielzeit. Natürlich ist er als Rookie körperlich mitunter ebenfalls unterlegen. Dafür bringt er dank seiner Länge (2,11m) ein Stück Rim-Protection mit.

Am Ende wird PG ohnehin nicht exklusiv auf der Vier spielen. Denn Bird sprach von George nicht nur als neuem Power Forward, vollständig sagte er: "Er wird viel als Power Forward und Small Forward spielen." Ein Abschiedsdinner für seine angestammte Position muss PG also nicht geben. Er muss nur flexibler sein. Die Pacers müssen - und wollen - flexibler sein, den Gegner mit ihrer Offense vor verschiedene Aufgaben stellen.

Mehr Dynamik dank Ellis

Sicherlich auch deshalb lockten sie Monta Ellis, der zuvor aus seinem Vertrag bei den Mavericks ausgestiegen war, in den Hoosier State. Die Mississippi Missile soll Indianas Backcourt mehr Dynamik verleihen. Schließlich kann er seinen eigenen Wurf kreieren, dank seines schnellen ersten Schritts zum Korb ziehen - und soll dies sicherlich auch tun.

Wahrscheinlich wird der ehemalige Mav in Indianas Backcourt auch zum primären Ballhandler. George Hill ist schließlich besser abseits des Balls aufgehoben, gab in der Vergangenheit häufig den Spot-up-Shooter. Ein solcher Partner passt besser zu Ellis als, sagen wir, Rajon Rondo.

Bliebe die Frage, wie die Pacers ihre Würfe kreieren. Dass das nicht zwingend Ellis' Stärke ist, dürfte mittlerweile bekannt sein. Der Zweier favorisiert grundsätzlich den eigenen Wurf. Und auch Hill ist kein Playmaker klassischer Prägung. Trotz einer soliden Assist Percentage (30 Prozent) - jenem Wert, der den Anteil eigener Assists an den Field Goals der Mitspieler ausdrückt - verteilte der Einser vergangene Saison lediglich 5,1 Assists - kein schlechter, für einen Point Guard aber auch kein beeindruckender Wert.

Spielt er auf dem Flügel, dürfte deshalb auch George wieder einen Teil des Playmakings übernehmen, wie er es bereits vor seinem Beinbruch tat. Dennoch wird interessant sein, inwieweit das Zusammenspiel mit Ellis funktioniert. Ob sich die beiden ergänzen oder doch offene Fragen bezüglich der Ballanteile bleiben. Andererseits koexistierte PG auch mit Lance Stephenson, überließ seinem Flügelpartner teils das Playmaking - wobei es Born Ready wesentlich besser versteht, seine Mitspieler einzusetzen als Ellis.

Spielen die Pacers klein, gelingt es dem nominellen Vierer, seinen Gegenspieler bis an die Dreierlinie herauszuziehen, um so in der Zone Platz für die Drives seines Shooting Guards zu schaffen, könnte Ellis allerdings profitieren. Wie sehr, unterstreichen die diversen Pick'n'Pops, die Ellis mit Dirk Nowitzki lief.

Spacing gefragt

Dafür muss allerdings das Spacing gewährleistet sein. Vergangene Saison trafen die Pacers solide, aber keinesfalls herausragend von draußen (35,2 Prozent 3FG, Rang 11). Zudem tendierte ihr bester Shooter, C.J. Miles, gegen Ende der Saison häufig dazu, verteidigte Dreier zu nehmen. Und das ist nun mal nur ganz selten eine gute Idee.

Der eine oder andere Schütze stünde Indiana also durchaus gut zu Gesicht. Ob Chase Budinger, der für Damjan Rudez aus Minnesota kam, dabei eine echte Verstärkung darstellt, muss sich erst zeigen (35,8 Prozent 3FG über die Karriere). Da Spacing jedoch nicht einzig und allein auf die Quoten aus der Distanz zu reduzieren ist, besteht zumindest die Möglichkeit - so Budinger denn fit bleibt. Ein wenig basteln dürfte Larry Bird am Roster ohnehin noch. Operation Pace hat längst begonnen.

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